Betroffene loben neue Missbrauchsstudie des Bistums Hildesheim

Blick in die jüngere Vergangenheit

"Wir wissen noch längst nicht genug", sagt der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer. Das Bistum hat deshalb eine dritte große Missbrauchsstudie in Auftrag gegeben. Bei Betroffenen stößt das Vorhaben auf Zustimmung.

Autor/in:
Michael Althaus
Hildesheimer Dom / © Daniel Pilar (KNA)

Das Bistum Hildesheim hat eine neue Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Auftrag gegeben. Sie soll nicht nur Missbrauchsfälle in Kirchengemeinden, sondern auch in kirchlichen Kinderheimen und Schulen untersuchen, wie Vertreter des Bistums und die beauftragten Forscher am Freitag in Hildesheim mitteilten. Auch wolle man Lebensgeschichten und Bewältigungsstrategien von Betroffenen und deren Familien sichtbar machen, sagte der Sprecher der beauftragten Forscher, der Erziehungswissenschaftler Christian Schrapper.

Heiner Wilmer, Bischof von Hildesheim, Pressekonferenz zur Vorstellung einer neuen Studie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Bistum Hildesheim / © Michael Althaus (KNA)
Heiner Wilmer, Bischof von Hildesheim, Pressekonferenz zur Vorstellung einer neuen Studie zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Bistum Hildesheim / © Michael Althaus ( (Link ist extern)KNA )

Die Studie soll den Zeitraum von 1945 bis 2024 untersuchen und ist auf zwei Jahre angelegt. Sie ist nach Untersuchungen aus den Jahren 2017 und 2021 bereits die dritte große Missbrauchsstudie des norddeutschen Bistums.

"Wir wissen noch längst nicht genug"

"Wir wissen aus den beiden bisherigen Studien für unsere Diözese, dass es während der Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen von 1957 bis 1982 Vertuschung und institutionelles Versagen gab", erklärte Bischof Heiner Wilmer. "Aber wir wissen noch längst nicht genug. Und deshalb schauen wir erneut auf diese Zeit."

Die Studie richte den Blick zudem in die jüngere Vergangenheit. "Bis hinein in die Gegenwart muss Licht ins Dunkel gebracht werden", so Wilmer, der seit 2018 Bischof von Hildesheim ist und dessen eigene Amtszeit damit auch unter die Lupe genommen wird.

Kein dickes Gutachten am Ende

Am Ende der Studie soll laut Schrapper nicht ein dickes Gutachten stehen. "Wir wollen Formate der Präsentation wählen, die für alle zugänglich sind." Als Beispiel nannte er Flyer, Broschüren, Podcasts und Filme. Auch eine Wanderausstellung sei geplant.

Eine Vertreterin des Betroffenenrats der Bistümer Hamburg, Hildesheim und Osnabrück lobte das Konzept der Studie. Nach kleineren Anlaufschwierigkeiten seien Betroffene bei der Planung vorbildlich mit einbezogen worden, sagte Nicole Sacha. Dem Betroffenenrat sei besonders wichtig, dass das Erleben der Betroffenen und ihrer Familien in der Studie von zentraler Bedeutung sei. "Für sie sind der Missbrauch und seine Folgen tagtägliche Realität." Auch während der Studie sollen Betroffene nach Angaben der Forscher sowohl inhaltlich als auch organisatorisch mit einbezogen werden.

Studie kostet 1,6 Millionen Euro

Betraut mit dem rund 1,6 Millionen Euro teuren Forschungsprojekt sind Erziehungswissenschaftler, Kinder- und Jugendpsychologen sowie Juristen. Sie stammen vom Institut für soziale Arbeit in Münster, der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Rostock, dem juristischen Forschungszentrum Socles in Heidelberg und dem Institut für Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie der Universität Freiburg.

Zum Bistum Hildesheim gehören gut 520.000 Katholiken zwischen Harz und Nordsee. 2017 hatten Sozialwissenschaftler eine Studie vorgestellt, in der sie einzelne Missbrauchsfälle in der Diözese untersucht hatten. Dabei stand vor allem der Priester und Serientäter Peter R. im Mittelpunkt. 2021 präsentierten Juristen und Sozialwissenschaftler eine Analyse, die sich mit Missbrauchsfällen während der Amtszeit von Bischof Heinrich Maria Janssen (1957-1982) befasste.

Bistum Hildesheim

Zur Diözese Hildesheim zählen rund 538.000 Katholiken im östlichen Niedersachsen und im Norden Bremens. Das rund 30.000 Quadratkilometer große Bistum reicht von der Nordseeküste bis zu den südlichen Ausläufern des Harzes bei Göttingen und Duderstadt. Die Katholiken bilden im Bistum in fast allen Regionen der Diözese eine Minderheit (Diaspora).

Es zählt 119 Kirchengemeinden in 17 Dekanaten. Heiner Wilmer ist der 71. Bischof des Bistums. Er folgt auf Bischof Norbert Trelle, dessen altersbedingten Rücktritt Papst Franziskus am 9. September 2017 annahm.

Hildesheimer Dom / © Daniel Pilar (KNA)