BGH verhandelt über Embryonen-Tests

Bei schweren Schäden Selektion?

Ethische Fragen in der Medizin sind hoch sensibel - ob beim Umgang mit Sterbenden oder mit Embryonen. Am Dienstag verhandelt der Bundesgerichtshof in Leipzig über die Frage, ob Ärzte im Rahmen einer künstlichen Befruchtung Embryonen im Reagenzglas auf Gendefekte untersuchen und vernichten dürfen. Eine Analyse.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Angeklagt vor dem 5. Strafsenat ist ein Berliner Frauenarzt. Er hatte 2005 und 2006 bei drei Paaren mit Veranlagung zu schweren Erbkrankheiten die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) durchgeführt und Embryonen mit Gendefekten auf Wunsch der Frauen absterben lassen.

Vorherrschende Rechtsmeinung ist bislang, dass das Embryonenschutzgesetz die PID verbietet. So hatte auch im Herbst 2008 das Berliner Kammergericht im Fall des angeklagten Gynäkologen argumentiert. Laut Gesetz seien alle Handlungen verboten, die nicht der Erhaltung des Embryos dienen.

Das sah die nächste Instanz anders: Das Landgericht Berlin entschied, dass der Arzt nicht gegen das Gesetz verstoßen habe. Der Wortlaut verbiete die PID nicht ausdrücklich, so die Richter. Dem Angeklagten sei es eindeutig darum gegangen, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Da die Frauen die schadhaften Embryonen aber nicht eingesetzt bekommen wollten, sei der Arzt an seinem Vorhaben gehindert worden. Der Gesetzgeber habe mit dem Embryonenschutzgesetz lediglich ein Verbot der Zucht von Embryonen zu Forschungszwecken beabsichtigt, nicht aber eine "Selektion wegen erheblicher schwerster Schäden" untersagt, fügten die Richter hinzu.

Auch bei Politik und Ärzten ist die PID seit Jahren stark umstritten. Im Jahr 2000 sprach sich die Bundesärztekammer für einen stark begrenzten Einsatz aus: Die umstrittene Methode solle nur bei wenigen Paaren mit hohem genetischem Risikofaktor und nach einem strengen Genehmigungsverfahren erlaubt sein. Kritiker betonten aber, dass eine solche Begrenzung unrealistisch sei. Sei die Grenze erst einmal überschritten, werde die PID zu einer neuen Form der Eugenik. Zu erwarten sei überdies, dass in Zukunft Embryonen auch gezielt manipuliert werden könnten.

Das sah 2002 die Biomedizin-Enquetekommission des Bundestags ähnlich. Eine Mehrheit der Kommissionsmitglieder sprach sich dafür aus, die PID in Deutschland nicht zuzulassen. In diesem Sinne solle auch das Embryonenschutzgesetz präzisiert werden. Der Nationale Ethikrat plädierte ein Jahr später dagegen mehrheitlich für eine "eng begrenzte Zulassung".

Fest steht, dass andere europäische Länder sich bereits für die PID entschieden haben. Nach einem Bericht der Europäischen Kommission von 2007 gab es 53 Zentren in der EU, die PID durchführten, zumeist in Spanien, Belgien, Tschechien, Griechenland und Großbritannien. Nach Schätzungen wurden bis Ende 2006 mehr als 120.000 PID-Behandlungen durchgeführt.

Inzwischen geht es bei der PID nicht mehr nur darum, genetische Schäden festzustellen. International gibt es bereits mehrere Fälle, wo ein Kind nur deshalb in vitro gezeugt wurde, um als Gewebespender für ein Geschwisterkind zu dienen. Auch dabei wird der geeignetste Embryo ausgewählt; andere werden vernichtet. Dieses Verfahren wurde erstmals 2003 in Großbritannien erlaubt. Auch in anderen Ländern ist die PID zur Auswahl von Rettergeschwistern zulässig.

Dass der Bundesgerichtshof die PID jetzt auch in Deutschland zulassen wird, ist eher wahrscheinlich. Denn die Bundesanwaltschaft hat bereits signalisiert, dass sie beim Vorgehen des Gynäkologen Straftatbestände nicht erfüllt sieht. Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, wird sich auch die Politik wieder mit diesem Thema auseinandersetzen müssen. Dann würde eine Klarstellung des Embryonenschutzgesetzes wohl unausweichlich sein.