Biketaxi-Inklusionsprojekt auf dem Katholikentag

"So bunt und vielfältig wie der Katholikentag"

Das inklusive DJK-PossibiliTeam befördert mit Bike-Taxis Gäste des Katholikentags, darunter bekannte Gesichter aus Politik und Sport. Bei der kleinen Rundfahrt sind Inklusion und Barrieren das Gesprächsthema, sagt Vera Thamm vom DJK.

In einer Rikscha spricht Vera Thamm (li.) am Katholikentag mit Menschen über Inklusion. (privat)
In einer Rikscha spricht Vera Thamm (li.) am Katholikentag mit Menschen über Inklusion. / ( privat )

DOMRADIO.DE: Sie fahren die Rikscha ja nicht selber. Wie muss man sich das genau vorstellen?

Vera Thamm (Fachkraft für Kinder und Jugendarbeit beim DJK Landesverand NRW): Wir haben uns die zwei Biketaxis von einem professionellen Unternehmen gemietet und haben auch gleich die Fahrer mitgebucht. Die wissen was sie tun und das ist die sicherste Variante für alle Beteiligten. 

DOMRADIO.DE: Und sie sitzen dann hinten drin und sprechen mit den Menschen über ihre Belange beim DJK. Mit wem sind Sie denn schon so gefahren? 

Vera Thamm

"Es waren sehr inspirierende und schöne Gespräche bisher gewesen." 

Thamm: Einer vom DJK-PossibiliTeam sitzt hinten mit drin und nimmt einen Fahrgast mit. Das sind ganz unterschiedliche Menschen. Wir hatten gestern zum Beispiel den Theologen Thilo Esser dabei, der vor ein paar Jahren mit den Sternsinger eine große Aktion zum Thema Inklusion hatte. Mit dem haben wir darüber gesprochen was für Auswirkungen diese Aktion hatte und wie sie funktioniert hat. 

Ein Bike-Taxi ist am Katholikentag in Erfurt unterwegs (privat)
Ein Bike-Taxi ist am Katholikentag in Erfurt unterwegs / ( privat )

Wir hatten aber auch Menschen hinten drinsitzen, die über den Katholikentag spaziert sind und einfach mal über das Thema Inklusion sprechen wollten, vielleicht aber auch einfach mal fünf Minuten sitzen wollten, nachdem sie den ganzen Tag rumgelaufen sind: Menschen aus Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung, ehemalige Lehrer, die sich gerne zu dem Thema austauschen wollten. 

Total unterschiedliche Menschen, genauso bunt und vielfältig wie der Katholikentag. Die steigen dann einfach ein und wir fahren eine Viertelstunde durch Erfurt und unterhalten uns ganz nett. Es waren sehr inspirierende und schöne Gespräche bisher gewesen. 

DOMRADIO.DE: Was ist denn bei Ihnen besonders hängengeblieben von diesen inspirierenden Gesprächen? 

Thamm: Man erfährt wahnsinnig viel über die Menschen selbst. Erst mal spricht man darüber was sie für eigene Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen gemacht haben. Wir haben knapp 8 Millionen Menschen mit Schwerbehinderung in Deutschland. Das ist ungefähr jeder zehnte. Jeder kennt wahrscheinlich jemanden, der betroffen ist. Und irgendwann öffnen sich die Menschen, erzählen sehr persönliche Sachen und das sind teilweise sehr tiefgehende Gespräche gewesen, obwohl wir ja nur zehn bis 15 Minuten Zeit hatten. 

Es ist wirklich inspirierend, wenn man dann erfährt, was vielleicht auch einmal nicht so gut gelaufen ist, wenn sie von Enttäuschungen sprechen oder sich zurückgewiesen fühlten. Das kam teilweise auch sehr überraschend. Manche haben von überraschenden Freundschaften erzählt, die entstanden sind. Das war sehr beeindruckend und bewegend. 

DOMRADIO.DE: Gibt es auch Themen, die Ihnen wichtig sind, die Sie bei so einer Radfahrt an den Mann oder die Frau bringen möchten? 

Vera Thamm

"Bis jetzt sind wir sehr gut ins Gespräch gekommen, auch wenn jemand am Anfang ein bisschen skeptisch war."

Thamm: Uns ist es wichtig diese Barrieren im Kopf abzubauen. Wer sich in unser Biketaxi setzt, hat ja schon mal den ersten Schritt gemacht. Er oder sie ist bereit, sich über das Thema zu unterhalten und dann sitzt natürlich erst mal ein fremder Mensch neben uns. Dann muss man erst mal kurz warm werden. 

Bis jetzt sind wir aber sehr gut ins Gespräch gekommen, auch wenn jemand am Anfang ein bisschen skeptisch war, und sich für gefragt hat, wie Inklusion und Sport funktionieren kann. Wir haben darüber gesprochen worauf man selber achten kann, und inwiefern es sich lohnt Menschen mit Behinderung kennenzulernen. Auch damit man selber darüber nachdenkt, worauf man achten kann. Was braucht es für Menschen mit Behinderung um dabei zu sein? Da gibt es viele Denkanstöße. 

DOMRADIO.DE: Haben Sie selber auch eine Behinderung? 

Thamm: Ich habe auch eine Beeinträchtigung. Ich habe das Dysmelie-Syndrom und das bedeutet in meinem Fall, dass ich eine Beinprothese trage und meine Arme verkürzt sind. Ich habe nur die Oberarme und das von Geburt an. Das ist für mich völlig normal, weil ich es ja nicht anders kenne.

DOMRADIO.DE: Trauen sich die Menschen Sie auch mal was zu fragen? Merken sie, dass die Menschen dann auch auftauen? 

Vera Thamm

"Ich werde lieber gefragt, bevor hinter meinem Rücken getuschelt wird."

Thamm: Das kam durchaus vor. Eher gegen Ende der Fahrt haben ein paar gefragt woher meine Behinderung kommt und haben sich gefragt, ob das eine Conterganschädigung sei, aber dafür sei ich ja eigentlich zu jung. Was ist das? Wie ist das passiert? Haben Sie das von Geburt an? Da kommen viele Fragen. Aber da fühle ich mich nicht ausgequetscht. Ich habe eher das Gefühl, das ist ein ehrliches Interesse am Menschen. Ich werde lieber gefragt, bevor hinter meinem Rücken getuschelt wird. Daran merkt man wie unsicher die Menschen mit Behinderungen umgehen. Wenn sie fragen, kann ich ganz offen und ehrlich antworten. Das finde ich immer sehr schön und das passiert auch während der Fahrt. 

Katrin Göring-Eckardt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Katrin Göring-Eckardt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie sieht es aus mit den Biketaxi in den nächsten Tagen aus? Spielt das Wetter mit? 

Thamm: Heute sieht es zum Glück gut aus. Heute haben wir Katrin Göring-Eckardt im Taxi sitzen. Heute wird es zwischendurch vielleicht mal einen Schauer geben und morgen werden wir wohl noch mal die Gummistiefel rausholen. Aber wir sind ja alle nicht aus Zuckerwatte und alle flexibel. Und das ganze Team ist bei guter Laune und mit viel Spaß bei der Sache dabei. 

Das Interview führte Heike Sicconi.

DJK-Sportverband

Der DJK-Sportverband ist ein katholischer Sportverband in Deutschland mit Sitz im rheinischen Langenfeld. Er versteht sich als christlich wertorientierter Sportverband unter katholischem Dach und nimmt laut eigenen Angaben jede Person auf, der diese Orientierung mitträgt. Etwa 500.000 Sportlerinnen und Sportler betreiben in rund 1.100 DJK-Vereinen über 100 Sportarten. Präsidentin ist seit 2015 Elsbeth Beha. Geistliche Bundesbeirätin ist seit 2018 Elisabeth Keilmann, die zugleich Olympia- und Sportseelsorgerin der Deutschen Bischofskonferenz ist.

Das Logo des DJK-Sportverbandes (DJK)
Das Logo des DJK-Sportverbandes / ( DJK )
Quelle:
DR