Katholische Bischöfe einigen sich auf Anerkennungszahlungen

Bis zu 50.000 Euro für Missbrauchsopfer

Zum Abschluss der Herbstvollversammlung der katholischen deutschen Bischöfe gibt es ein einheitliches Verfahren für die Einmalzahlungen an Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Auch bei anderen Themen gibt es Bewegung.

Pressekonferenz zum Abschluss der Herbstvollversammlung / © Julia Steinbrecht (KNA)
Pressekonferenz zum Abschluss der Herbstvollversammlung / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die Leistungshöhe der Einmalzahlungen an Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche soll sich zukünftig an Urteilen staatlicher Gerichte zu Schmerzensgeldern orientieren. Daraus ergibt sich laut Bätzing ein Leistungsrahmen von bis zu 50.000 Euro. Zusätzlich können Betroffene, wie auch jetzt schon, Kosten für Therapie- oder Paarberatung erstattet bekommen.

Der Limburger Bischof betonte, ein unabhängiges Entscheidungsgremium werde die Höhe der Zahlung individuell festlegen. Ihm sollen sieben Frauen und Männer aus den Bereichen Medizin, Recht, Psychologie und Pädagogik angehören. Die Mitglieder dürfen in keinem Anstellungsverhältnis zu einer kirchlichen Einrichtung stehen.

Bätzing erläuterte weiter, das Entscheidungsgremium werde auch die Auszahlung der Summen anweisen, um das Verfahren zu beschleunigen. Die Mitglieder des Gremiums werden durch einen Ausschuss ausgewählt, dem mehrheitlich nichtkirchliche Vertreter angehören. So soll eine Unabhängigkeit sichergestellt werden. Eine Beteiligung der Betroffenen werde gewährleistet, so der Limburger Bischof.

Entschädigungsleistungen gelten für alle Bistümer

Er betonte zugleich, damit solle für alle 27 Diözesen ein einheitlicher Leistungsrahmen gewährleistet werden. Lösungen, die in den vergangenen Jahren bereits gefunden worden seien und zu einer Befriedung zwischen Betroffenen und Diözesen geführt hätten, sollten aber fortbestehen.

Mit Blick auf Missbrauchsfälle in den Orden betonte Bätzing, manche Orden benötigten finanzielle Unterstützung durch die Bistümer. "Die Vollversammlung hat den Willen zur Einführung einer solchen solidarischen Komponente zugunsten der Orden bekräftigt. Wir werden nun mit einem konkreten Modell auf die Ordensgemeinschaften zugehen."

Bislang erhalten Opfer durchschnittlich eine Zahlung von 5.000 Euro, in Härtefällen auch mehr. Eine von der Bischofskonferenz eingesetzte unabhängige Arbeitsgruppe hatte zwischenzeitlich Summen bis zu 400.000 Euro vorgeschlagen.

Bätzing teilte weiter mit, dass auch der Betroffenenbeirat bei der Bischofskonferenz seine Arbeit aufnehmen kann. Er solle sich im November konstituieren. Ein Auswahlgremium aus mehrheitlich nichtkirchlichen Mitgliedern habe sich auf zwölf Personen verständigt, die zukünftig gezielt die Interessen der Betroffenen in die Arbeit der Bischofskonferenz einbringen können.

Der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, schloss Rücktritte von Bischöfen in einem Interview mit katholisch.de nicht aus. Dies könne etwa der Fall sein, wenn man zu der Erkenntnis komme: "Da sind Menschen ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden und deswegen wurde anderen Menschen Schaden zugefügt. Oder wenn auch in der kirchlichen Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, da genießt jemand nicht mehr das Vertrauen, um die Verantwortung zu tragen, in der er gerade steht."

Der religionspolitische Sprecher der FDP, Benjamin Strasser, begrüßte die Einigung grundsätzlich. "Die Bischofskonferenz hat die dringend notwendige Klarheit über das neue System der Entschädigung für Opfer von Missbrauch in der katholischen Kirche geschaffen", so Strasser. Es sei wichtig, dass die Höhe der Entschädigungen durch ein unabhängiges Gremium individuell für die Betroffenen festgelegt werde. Leider verspiele die Bischofskonferenz allerdings wieder Zeit, da Ansprüche erst ab dem kommenden Jahr angemeldet und geprüft werden können.

Der Sprecher der Opfer-Initiative "Eckiger Tisch", Mathias Katsch, kritisierte in Fulda, dass Opfer-Vertreter in die neuen Überlegungen nicht einbezogen worden seien. Die Anwendung der zivilrechtlichen Schmerzensgeldtabelle bezeichnete er als nicht angemessen.

Bischöfe gehen auf römische Ökumene-Bremse ein

Die deutschen katholischen Bischöfe haben ferner beschlossen, eine Abstimmung über Möglichkeiten der eucharistischen Gastfreundschaft zwischen Protestanten und Katholiken auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Wie Bischof Georg Bätzing erklärte, respektiere man damit die Einwände aus Rom, die eine neue Sachlage geschaffen hätten. Nun solle erst einmal der Ökumenische Arbeitskreis (ÖAK) auf die Kritik aus dem Vatikan reagieren. Danach müsse die Debatte weitergehen.

Nach dieser Entscheidung gilt es als unwahrscheinlich, dass beim kommenden Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt die vom ÖAK vorgeschlagene Form der sakramentalen Gastfreundschaft offiziell praktiziert wird. Es wird aber wohl auch kein explizites Verbot wechselseitiger Einladungen über die Konfessionsgrenzen hinweg geben.

Gegenseitige Einladung zur Eucharistie war letztes Jahr vorgeschlagen worden

Der ÖAK hatte im vergangenen September vorgeschlagen, dass evangelische und katholische Kirche künftig ihren Mitgliedern gestatten sollten, in Gottesdiensten der je anderen Konfession an Abendmahl oder Eucharistie teilzunehmen. Der Text, den auch Bätzing mitverantwortet hatte, sollte zur Überwindung einer langjährigen Blockade beitragen. Die gegenseitige Einladung sollte auch beim Kirchentag in Frankfurt praktiziert werden.

Diesem Votum hatte die Glaubenskongregation am Wochenende widersprochen und gegenseitigen Abendmahls-und Eucharistie-Einladungen von Katholiken und Protestanten eine theologisch begründete Absage erteilt. Die Unterschiede im Eucharistie- und Amtsverständnis seien "noch so gewichtig", dass sie eine Teilnahme katholischer und evangelischer Christen an der Feier der jeweils anderen Konfession derzeit ausschlössen. Auch für eine "individuelle Gewissensentscheidung" gebe es keine Grundlage, heißt es in einem Schreiben der Glaubenskongregation an Bätzing, das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. Dem Schreiben beigefügt ist ein theologischer Anhang. 

Nach Auffassung der Glaubenskongregation sind einige Fragen des "katholischen Grundverständnisses von Kirche, Eucharistie und Weiheamt" in dem ÖAK-Dokument "nicht ausreichend geklärt". Eine Öffnung für eine eucharistische Mahlgemeinschaft mit der Evangelischen Kirche in Deutschland würde zudem zum derzeitigen Stand "notwendigerweise neue Gräben im ökumenischen Dialog mit den Orthodoxen Kirchen" über Deutschlands Grenzen hinaus aufwerfen.

Bischöfe wollen sich verstärkt mit Kirchenaustritten befassen

Außerdem zeigten sich die katholischen Bischöfe erschüttert über die hohe Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland. Die Ergebnisse der jüngsten Kirchenstatistik seien erschreckend, so Bätzing weiter. 2019 war eine Höchstzahl von 272.771 Katholiken aus der Kirche ausgetreten. Auch die Zahl der Kirchenbesucher und der Spendung von Sakramenten war zurückgegangen.

Bätzing kündigte an, die Bischofskonferenz wolle sich in Zukunft verstärkt mit den Gründen befassen. Sie rechnen aber nach den Worten des Limburger Bischofs mit einem Trend zu einer "deutlich kleiner werdenden Kirche", der nur schwer umkehrbar sei.

Enttäuschung und Säkularisierung ausschlaggebend

Ausschlaggebend für die hohen Austrittszahlen 2019 seien nicht zuletzt die Ergebnisse der 2018 veröffentlichten Missbrauchsstudie der Bischofskonferenz, erläuterte Bätzing. Demnach wurden 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe von mindestens 1.670 Priestern und Ordensleuten in den Akten von 1946 bis 2014 gefunden.

Der Limburger Bischof betonte aber zugleich, es gebe auch langfristige Prozesse der Säkularisierung, die dazu führten, dass Religion und Kirche an Bedeutung verlören. Entscheidende Gründe für Kirchenaustritte lägen in einer religiösen Gleichgültigkeit sowie in einem Misstrauen gegenüber der kirchlichen Institution, der man keine Glaubwürdigkeit zubilligt.

Ein entscheidender Faktor für die "religiöse Musikalität" sei die Weitergabe des Glaubens in der Familie, fügte Bätzing hinzu. "Die Wahrscheinlichkeit aber, in einer religiösen oder religiös offenen Familie aufzuwachsen, wird von Generation zu Generation geringer." Aus diesen Erkenntnissen ergäben sich für die Kirche erste Anhaltspunkte, wie die Bindung der Menschen an die Kirche gestärkt und eine neue Begeisterung geweckt werden könnten.

"Vor dem Hintergrund der Säkularisierungstheorie werden aber alle Anstrengungen nichts an der grundsätzlichen und langfristigen Tendenz des Bedeutungsverlusts von Religion und Kirche ändern", sagte Bätzing. "Wenn sich die beschriebenen Entwicklungen fortsetzen, werden die christlichen Kirchen zu einer Minderheit in einer mehrheitlich religiös indifferenten Umwelt werden."

Europäischer Unterbietungswettbewerb bei Flüchtlingen

Die Bischöfe haben zudem einen humanitären Unterbietungswettbewerb beim Umgang mit Flüchtlingen in Europa beklagt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, forderte am Donnerstag in Fulda von der EU ein abgestimmtes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen. "Die desaströsen Verhältnisse müssen zu einem Ende gebracht werden."

Die Bischöfe verlangten, Europa müsse die Kraft zu einer grundsätzlichen Reform seines gemeinsamen Asylsystems aufbringen. "Gefordert sind ein wirksamer und solidarischer Verteilmechanismus unter den Staaten Europas, sichere Zugangswege nach Europa, hohe Aufnahme- und Verfahrensstandards, die von allen Mitgliedstaaten akzeptiert und umgesetzt werden, sowie eine stärkere Unterstützung der außereuropäischen Aufnahmestaaten."

Christliche Pflicht zu helfen

Mit Blick auf die Situation auf die griechische Insel Lesbos forderte Bätzing, dass die Schutzsuchenden bald auf das europäische Festland gebracht und in Deutschland sowie anderen EU-Staaten aufgenommen werden sollten. Das sei eine christliche Pflicht. "Wenn manche Staaten Europas sich der humanitären Aufnahme weiterhin kategorisch verweigern, müssen die anderen couragiert vorangehen." Bätzing zeigte sich dankbar dafür, dass Deutschland sich mittlerweile bereit erklärt habe, etwa 1.500 Flüchtlinge von den griechischen Inseln aufzunehmen. "Weitere Schritte müssen aber dringend folgen."

Nach Angaben der Bischofskonferenz haben die 27 Diözesen und die kirchlichen Hilfswerke 2019 rund 116,1 Millionen Euro an Sondermitteln für die Flüchtlingshilfe bereitgestellt: 38,7 Millionen Euro für Projekte in Deutschland und 77,4 Millionen Euro für die Unterstützung von Schutzsuchenden in anderen Ländern. 2018 waren es insgesamt rund 125,5 Millionen Euro gewesen. Wie bereits im Vorjahr waren auch 2019 etwa 5.100 Mitarbeiter hauptamtlich in der kirchlichen Flüchtlingshilfe tätig. Hinzu kamen rund 45.000 ehrenamtlich Engagierte. Erstmals wurden für 2019 auch Zahlen zum Bereich der Familienzusammenführung erhoben. Demnach haben die (Erz-)Bistümer rund 663.000 Euro aufgewendet, um mehr als 2.000 Personen die Wiedervereinigung mit ihrer Familie zu ermöglichen.

Deutsche Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz ist der Zusammenschluss der katholischen Bischöfe in Deutschland. Sie leiten als Ortsbischöfe eines der 27 Bistümer oder unterstützen als Weihbischöfe. Insgesamt gehören ihr derzeit (September 24) 61 Mitglieder an.

Ebenfalls zur Konferenz gehören - auch wenn sie nicht Bischöfe sind - Diözesanadministratoren, die ein Bistum nach Rücktritt oder Tod eines Ortsbischofs übergangsweise verwalten.

Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
dpa , epd , KNA