Bischöfe beenden Vollversammlung

Konflikte zwischen Oberhirten spiegeln gesellschaftliche Trends

Menschen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche wünschen sich Veränderungen. Doch die Bischöfe haben einen Treueid auf die Tradition der Kirche abgelegt. Bei ihrem Treffen in Fulda wurde klar: Das muss kein Widerspruch sein.

Autor/in:
Bernward Loheide
Bischöfe während der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Fürstensaal des Stadtschlosses in Fulda / © Harald Oppitz (KNA)
Bischöfe während der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im Fürstensaal des Stadtschlosses in Fulda / © Harald Oppitz ( KNA )

Wer die aktuellen Konflikte in der katholischen Kirche verstehen will, muss bei Adam und Eva anfangen. Die beiden waren laut Bibel die ersten Menschen. Lange Zeit lehrte die Kirche daher, dass alle Menschen von Adam und Eva abstammen. Weil die Evolutionsbiologie diese Annahme widerlegt hat, taucht sie im Katechismus der katholischen Kirche nicht mehr auf. Aber das, was die biblischen Autoren mit der Geschichte von Adam und Eva sagen wollten, bleibt unverändertes Glaubensgut: dass Gott den Menschen erschaffen hat.

Ähnlich verhält es sich mit der kirchlichen Sexualmoral, über die die Bischöfe bei ihrem Treffen in Fulda gestritten haben. Laut Bibel hat Gott den Menschen "männlich und weiblich" erschaffen. Die Kirche lehrt daher, dass nur eine Ehe von Mann und Frau als Sakrament die Liebe Gottes abbilden kann; praktizierte Homosexualität verstoße gegen die Naturordnung. Wissenschaftlich und gesellschaftlich ist allerdings längst klar, dass es Variationen in der Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung gibt. Viele Gläubige und viele Bischöfe wollen dies auch kirchlich anerkennen, ohne das aufzugeben, was als christliches Menschenbild biblisch gemeint ist: dass sich Menschen von der Liebe Gottes anstecken lassen und verlässlich füreinander da sind.

Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz / © Harald Oppitz ( KNA )

Kirchliche Tradition nicht abgeschlossen

Die Kirchengeschichte ist voll von solchen Beispielen des Umdenkens. Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., hat bereits 1965 auf die "Geschichtlichkeit des Dogmas" hingewiesen: Das Verständnis von Schrift (Bibel) und Tradition kann sich im Laufe der Zeit ändern. Die kirchliche Tradition ist ebenso wenig abgeschlossen wie die Geschichte Gottes mit den Menschen – da ist Dynamik drin.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, hat dies im Blick gehabt, als er in Fulda sagte: "Darum sind mir allzu sicher behauptete Kontinuen, also lückenlose Zusammenhänge nach dem Motto: das ist immer so gewesen; das wurde immer so geglaubt; was gestern falsch war, kann doch heute nicht richtig sein, ehrlich gesagt suspekt."

Was wurde bei der vierten Synodalversammlung beschlossen?

Insgesamt berieten die gut 200 Delegierten der vierten Synodalversammlung über 8 Papiere, ursprünglich waren 14 vorgesehen. Vier Texte wurden in Zweiter Lesung verabschiedet; einer scheiterte an einer Sperrminorität von Bischöfen. Drei Texte standen in Erster Lesung zur Debatte und sind deswegen noch nicht beschlossen, auch wenn die jeweiligen Abstimmungsergebnisse Rückschlüsse auf die grundsätzliche Akzeptanz der jeweiligen Anliegen erlauben.

Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner (SW)
Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner ( SW )

Kritiker halten dagegen, die katholische Kirche müsse die Tradition unverändert bewahren, um nicht evangelisch zu werden. Doch möglicherweise ist es genau umgekehrt: Weil die katholische Kirche im Unterschied zur evangelischen nicht nur die Schrift (also die Bibel), sondern auch die lebendige kirchliche Tradition in ihre Lehrentwicklung einbezieht, kann sie sich dogmatisch stärker entwickeln. Ein neues Dogma wie das von 1950, wonach die Gottesmutter Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wurde, wäre sonst gar nicht möglich gewesen. Der 2001 gestorbene evangelische Theologe Gerhard Ebeling hat der katholischen Kirche daher einen "radikalen Evolutionismus" bescheinigt.

Debatten nicht nur innerkirchlich relevant

Die Debatten, die die Bischöfe beim Reformprozess Synodaler Weg und nun auch in Fulda geführt haben, sind nicht nur innerkirchlich relevant. Sie spiegeln grundlegende identitätspolitische Konflikte, die in vielen Ländern zu beobachten sind: Die einen fordern eine diskriminierungssensible Anerkennung aller Minderheiten – die anderen warnen vor einer Zersplitterung in Einzelinteressen und wollen zurück zu dem, was die Gesellschaft zusammenhält: Familie, Tradition, Heimat. Wenn es den katholischen Bischöfen gelingt, beide Seiten zu versöhnen, könnten sie damit zum Vorbild werden.

Bisher gelingt es ihnen nicht. Die Minderheit der Bischöfe, die beim Synodalen Weg gegen ein Reformpapier zur Sexualmoral stimmte, ließ sich dem Vernehmen nach auch in Fulda nicht umstimmen – zumal sie Rom auf ihrer Seite sieht. Im November sprechen die Bischöfe dort mit Papst Franziskus und den Kurienvertretern. Die Skepsis gegenüber womöglich neuen Lehren aus Deutschland ist im Vatikan groß – nicht zuletzt weil in Deutschland vor gut 500 Jahren mit Martin Luther die Reformation begann.

Quelle:
KNA