Frankreichs Bischöfe sehen ihre Befürchtungen beim Thema Sterbehilfe bestätigt. Die Büchse der Pandora sei geöffnet worden, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Vincent Jordy, laut der Zeitung "La Croix" (online Mittwochabend) vor Journalisten in Rom.
Am Wochenende hatte ein Ausschuss von Frankreichs Nationalversammlung den Gesetzentwurf zu aktiver Sterbehilfe gebilligt und dabei auch Liberalisierungen im Text vorgenommen. Im Vorfeld habe man versprochen, "dass es sich um ein ausgewogenes Projekt mit Raum für Palliativpflege handelt", sagte Jordy.
Nun befürchte er auch Auswirkungen eines solchen Gesetzes auf das bereits geschwächte Gesundheitswesen und eine mögliche Verschärfung von Personalmangel. Man wolle "doch nicht einem Beruf nachgehen, der Menschen tötet", so der Erzbischof von Tours wörtlich.
Die Spitzen der Bischofskonferenz hätten diese Sorge auch Papst Franziskus vorgetragen, berichtete der Vorsitzende, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort von Reims; und der Papst nehme das Thema sehr ernst. Man erwäge nun "mehrere Initiativen" gegen den Gesetzentwurf.
Für mögliche Aufrufe zu Demonstrationen sei man aber nicht in einer Position der Stärke, so de Moulins-Beaufort.
Einnahme tödlicher Medikamente
Aktive Sterbehilfe und Suizidbeihilfe sollen in Frankreich künftig unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt werden. Die Regierung legte dafür einen Gesetzentwurf vor, der Erwachsenen mit schwersten Erkrankungen die Einnahme tödlicher Medikamente erlauben soll.
Wenn der körperliche Zustand es den Betroffenen nicht möglich macht, die Medikamente selbstständig zu nehmen, sollen sie sich von einer Person ihrer Wahl, von einem Arzt oder einer Pflegekraft helfen lassen können.
Vorangegangen war ein langer Prozess mit Bürgerbeteiligung. Ein Bürgerkonvent hatte sich mehrheitlich dafür ausgesprochen, den Weg zu aktiver Sterbehilfe zu ebnen. Auch Frankreichs Ethikrat erklärte, eine begrenzte Zulassung aktiver Sterbehilfe sei unter bestimmten strengen Voraussetzungen denkbar.
Konkret sieht der Gesetzentwurf vor, dass schwerstkranke Patienten einen Antrag auf ein tödliches Medikament stellen können sollen.
Ärzte müssen bestätigen, dass die Betroffenen an einer schweren, unheilbaren und schmerzhaften Krankheit leiden und aus freien Stücken ihr Leben beenden möchten. Patienten mit schweren psychiatrischen Erkrankungen oder neurodegenerativen Störungen wie Alzheimer sollen von der Regelung ausgenommen sein.
Rezept drei Monate gültig
Ärzte können dann ein Rezept für ein Medikament ausstellen, das drei Monate lang gültig ist. Die Menschen könnten selbst entscheiden, ob sie das Medikament zu Hause, in einem Pflegeheim oder in einer Gesundheitseinrichtung einnehmen.
In diesem Fall handelt es sich rechtlich um Beihilfe zum Suizid. Verabreicht eine andere Person das tödliche Medikament, handelt es sich um aktive Sterbehilfe.
In Deutschland ist aktive Sterbehilfe verboten, Beihilfe zum Suizid aber erlaubt. Seit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 dürfen auch Sterbehilfevereine Suizidwilligen bei der Selbsttötung helfen. Bemühungen des Bundestags, einen rechtlichen Rahmen für freiverantwortliche Suizide mit Beratungspflichten und zeitlichen Fristen zu schaffen, sind bislang gescheitert.