Bischöfe: Mehr über Alter und Sterben nachdenken

"Weitgehend verdrängt"

Das hat Roger Kusch bewirkt: Hochrangige Kirchenvertreter fordern ein Nachdenken über das Alter und den Tod: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, beklagt einen Jugendwahn in der Gesellschaft und sprach sich für eine intensivere Diskussion über Alter und Sterben aus. Auch der Thüringer evangelische Landesbischof und Mitglied des Ethikrates, Christoph Kähler, mahnt eine breite gesellschaftliche Debatte zum Thema an.

 (DR)

Zollitsch sagte im Deutschlandradio, das Thema sei in der Gesellschaft "weitgehend verdrängt". Er sehe die große Gefahr, dass älter werdende Menschen irgendwann zu der Meinung gelangten, es lohne sich nicht mehr zu leben. Also machten sie ihrem Leben selbst ein Ende.

Zu der vom ehemaligen Hamburger Justizsenator Roger Kusch geleisteten Beihilfe zur Selbsttötung sagte der Erzbischof, er sei darüber erschrocken, aber gleichzeitig auch nachdenklich geworden, dass viele Menschen Sterbehilfe befürworteten: «Wenn wir Menschen in unserer Gesellschaft das Gefühl haben, im Alter überflüssig zu sein, ist das schlimm.» Es müsse darüber nachgedacht werden, «wie wir mit alten Menschen umgehen». Die Frau, der Kusch beim Sterben geholfen hatte, war nicht sterbenskrank, sondern wollte aus Angst vor Alter und Pflegeheim sterben.

Zollitsch verwies auf die katholischen Alten- und Pflegeheime, in denen es auch Seelsorge gebe, und auf die Hospize, «wo ein menschenwürdiges Sterben möglich ist». Dennoch räumte er ein, dass auch die katholische Kirche mit ihrer Botschaft eines würdevollen Sterbens nicht ausreichend angekommen sei: «Wir haben dieses Thema zu wenig angesprochen. Wir haben einen Jugendlichkeitswahn und sind dem auch ein bisschen verfallen.»

Bischof Kähler: Keine "knackigen Antworten"
Der stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland betonte am Dienstagabend in Arnstadt, in den aktuellen Diskussionen um Sterbehilfe werde deutlich, dass die Gesellschaft beim Umgang mit diesem Thema «große Schwierigkeiten» habe. Gleichzeitig warnte der Bischof als Mitglied des Deutschen Ethikrates vor Erwartungen, dieses Gremium könne zu dieser Frage kurzfristig «knackige Antworten» anbieten.

Kähler war Teilnehmer eines Podiums, mit dem das Arnstädter Marienstift an seinen langjährigen Leiter Friedrich Behr erinnerte. Behr, dessen Geburtstag sich zum 110. Mal jährte, hatte in der NS-Zeit die Heimbewohner vor dem «Euthanasie»-Programm der Nazis bewahrt. Der Bischof betonte, nach dem Verlust des gesellschaftlichen Konsenses zum Thema Sterben könnten neue Antworten nur allmählich gefunden werden. Dazu sei «eine lange Diskussion» erforderlich. Vom Ethikrat dürften jedoch «keine schnellen Politik-Rezepte» für aktuelle Entscheidungen erwartet werden, fügte Kähler hinzu.

Der frühere Thüringer Justizminister Harald Schliemann (CDU) wandte sich nachdrücklich gegen ein «Töten auf Verlangen» und gegen «Selbstmord-Möglichkeiten aus den Gelben Seiten». Gleichzeitig warnte er vor der Gefahr, dass sich in einer immer älter werdenden Gesellschaft der Druck auf alte und kranke Menschen zur Selbsttötung erhöhen könnte. Schliemann gehörte in seiner Amtszeit zu den Initiatoren der Bundesratsinitiative der Länder Thüringen, Hessen und Saarland für ein Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe in Deutschland.