Menschen kehrten der Kirche den Rücken, sagte der Limburger Bischof im Interview des "Focus" und bekannte: "Das haben wir selbst zum Großteil verschuldet, durch Skandale, vor allem den Missbrauch an Kindern und jungen Menschen."
Es zeigt sich auch am Weihnachtsgottesdienst
Die Glaubwürdigkeitskrise schlage sich auch auf die Teilnahme am Weihnachtsgottesdienst nieder, so Bätzing. "Ich bin aber dafür, nicht jene zu beklagen, die nicht zu uns kommen, sondern denen eine gute Botschaft und ein herzliches Willkommen zu sagen, die da sind." Die Kirche sorge sich oft zu sehr um sich selbst und nicht um die Botschaft von Jesus. "Daran müssen wir arbeiten."
Er selbst sei "nicht der große Zampano, der zusammenführt", betonte der Limburger Bischof. Im Vertrauen auf Gott werde es möglich sein, zusammenzufinden. "Als gesellschaftlicher Faktor wird die Kirche kleiner und demütiger. Aber ich glaube, unser Wort ist in wesentlichen Fragen nach wie vor gefragt, weit über den Rand der Kirche hinaus."
Kirche hat viel zu sagen
So habe die Kirche viel zu sagen zum Beispiel bei den Themen Freiheit und Demokratie, ethische Herausforderungen in einer Welt der Digitalisierung, Krieg und Frieden, Lebensschutz sowie Bewahrung der Schöpfung, erklärte Bätzing. Er wünsche sich, dass es möglich sei, auch Menschen wieder in die Kirche zurückzuholen.
Ihn selbst habe das Bischofsamt gelehrt, "viel deutlicher Position zu beziehen. Etwa was den Zugang von Frauen zu Ämtern in der katholischen Kirche betrifft; auch in der Frage der geschlechtlichen Vielfalt und ihrer Akzeptanz in der Kirche hat mich das Bischofsamt gelehrt, entschieden Ja zu sagen." Das sei der Weg nach vorne. "Wir bleiben aber noch immer hinter dem zurück, was notwendig wäre."
Reformprozesse und Synodaler Weg
Mit Blick auf den katholischen Reformprozess Synodaler Weg sagte Bätzing: "Wir versuchen deutlich zu machen, dass wir bei großen und weltweit relevanten Themen die Argumente zusammentragen und der Weltkirche zur Verfügung stellen." Allen Beteiligten sei klar, "diese Themen werden wir hier nicht entscheiden können". Die Kirche wolle ihr Handeln verändern, so dass es die Menschen spürten. "Etwa in der Frage: Wie gehen Entscheidungen in der Kirche in Zukunft?"
Auf die Frage, ob das Kritiker auch so sähen, sagte der Bischof: "Das sehen die Kritiker nicht so. Aber der Synodale Weg entfaltet einen Drive, der kein Zurück zulässt."
Waffen gehören "wohl oder übel" zu Ukraine-Hilfe dazu
In dem Interview kam die Sprache auch auf die Rolle der katholischen Kirche in Bezug auf den Krieg in der Ukraine. Ein weiteres Thema, zu dem Mitglieder der Kirche gespalten sind, sind Waffenlieferungen. Zur Unterstützung der Ukraine in Kriegszeiten gehören aus Sicht des Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz auch Waffen. "Vor allem durch die Solidarität materieller Hilfe, politische Unterstützung und durch die Verbundenheit im Gebet. Zur Hilfe gehören jetzt in Kriegszeiten wohl oder übel auch Waffen. Das muss klar sein."
Vor allem müsse aber auch jetzt schon über den Frieden gesprochen werden, betonte der Bischof von Limburg. "Besonders dann, wenn religiös Verantwortliche sich in die Propagandamaschinerie eines Regimes einspannen lassen. Dieser Krieg ist nicht zu rechtfertigen, auch nicht durch die russisch-orthodoxe Kirche." Daher müsse darüber geredet werden, wie Frieden gelingen könne. "Ich halte es für ein gutes Zeichen, dass hier gerade der Vatikan seine Unterstützung erklärt hat und zur Moderation bereit wäre."
Bätzing sagte, er selbst könne in diesem Jahr nicht zu Weihnachten predigen, ohne an den Krieg zu erinnern. Als Kriegsparteien stünden sich gegenüber: "ein großes Land, das sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion politisch immer noch nicht zurechtfindet, und ein Land, das für seine Freiheit und Souveränität eintritt".
Krieg führt in "urweihnachtliche Themen hinein"
In dem Krieg müssten sich die Menschen in der Ukraine gerade im Winter gegen Kälte und Dunkelheit wappnen. "Das führt genau in die urweihnachtlichen Themen hinein: 'Mitten im kalten Winter', singen wir", betonte Bätzing. Im Johannesevangelium heiße es, das Licht sei in die Finsternis gekommen. "Ich denke an das Wort im Lukasevangelium: Sie kamen nach Bethlehem und fanden keine Herberge. Die zugeknallten Türen, die Herzenshärte der Menschen, das erleben wir ja in einem Jahr, in dem Menschenrechte mit Füßen getreten werden." Und es sei zu erleben hinsichtlich der "riesigen Fluchtbewegung", die der Krieg in der Ukraine ausgelöst habe.
"Weihnachten ist mir mit seiner Botschaft so nah wie selten zuvor." Die ganze Welt komme nicht darum herum, sich zum Krieg in der Ukraine zu positionieren, in Europa "gottlob mit einer starken Stimme", so der Bischof. "Es gibt keine Freiheit ohne Frieden und keinen Frieden ohne Freiheit." Darum stünden die Ukrainerinnen und Ukrainer so entschlossen für ihre Souveränität ein.