KNA: Viele Katholiken im Südsudan waren bestürzt, als Papst Franziskus seinen für Juli geplanten Besuch aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Waren Sie in Sachen Nachholtermin zuversichtlich?
Bischof Christian Carlassare: Tatsächlich hat die Absage damals viele Menschen frustriert, nicht nur Katholiken. Ich habe Leute klagen hören, dass im Südsudan selten gute Dinge passieren. Doch dann besuchte uns Kardinal Pietro Parolin und versicherte, dass der Heilige Vater kommen werde - es war bloß eine Frage der Zeit.
Obwohl sein Gesundheitszustand den Papst offenbar einschränkt, war ich immer zuversichtlich, dass es klappt. Allein wegen seines starken Willens und des Mitgefühls, das er für die Notleidenden empfindet. Er hat immer betont, der Südsudan sei eine Pflichtvisite. Es geht um eine ökumenische Friedensmission: ein gemeinsamer christlicher Einsatz für Versöhnung im Land.
KNA: Obwohl der Bürgerkrieg vorbei ist, flammen immer wieder tödliche Kämpfe auf. Ist der Südsudan ein sicheres Reiseziel für den Papst?
Carlassare: Für den Papst ist es definitiv sicher - was leider nicht für die Menschen gilt, die hier leben. Die Wunden und das Trauma des Bürgerkriegs lasten schwer auf ihnen. Immer noch befinden sich zu viele Waffen und Munition in den Händen von Zivilisten und Milzen.
Diese Kriegskultur, die jahrzehntelang das Land beherrschte, bestimmt auch heute noch den Alltag. Und bis zu einem gerechteren, friedlichen Zusammenleben liegt noch ein langer Weg vor uns.
KNA: Wie geht es Ihnen nach dem Attentat?
Carlassare: Ich bin der glücklichste Mensch der Welt: Auf den Beinen, immer noch gut zu Fuß und niemals allein.
KNA: Werden Sie in die Hauptstadt Juba reisen, um den Papst zu sehen?
Carlassare: Ganz bestimmt. Und auch da werde ich nicht allein sein.
Aus der Diözese Rumbek reisen Priester, Ordensmitglieder und Laien per Zug oder Auto an. Ich selbst will mich mit einer Gruppe von 50 Jugendlichen auf den Weg machen und in sieben Tagen 400 Kilometer bis nach Juba zu Fuß zurücklegen. Vor dem Hintergrund, dass hier Jugendliche aus verschiedenen Clans zusammentreffen, zwischen denen Feindseligkeiten herrschen, wird es eine Pilgerfahrt des Friedens.
Wir wollen eine Botschaft von Wandel und Einheit senden. Auch der Papst kommt als Friedenspilger.
KNA: Auf dem Programm steht ein Treffen zwischen Franziskus und Konfliktvertriebenen. Welche Botschaft sollte er ihnen mitgeben?
Carlassare: Er wird sie natürlich ermutigen, ihnen versichern, dass Gott sie nie verlassen hat, und ihnen Kraft spenden. Gleichwohl haben alle Südsudanesen gelitten: einerseits unter Unsicherheit in ihren eigenen vier Wänden, andererseits unter dem fehlendem Zugang zu Ressourcen und Arbeit, mit der sie ihre Lebensumstände hätten verbessern können. Auf dem Weg zu den ersten demokratischen Wahlen muss der Südsudan sicherstellen, dass Vertriebene in ihre Heimatorte zurückkehren können, die Wirtschaft ankurbeln und den Dienst an den Bürgern stärken, sodass sie fortan endlich in Frieden leben können.
KNA: Die katholische Kirche hat im bisherigen Friedensprozess des Südsudan eine wesentliche Rolle gespielt. Kann nun der Papstbesuch einen nachhaltigen Wandel zum Besseren ermöglichen?
Carlassare: Wandel passiert dann, wenn wir die Dinge anders anpacken.
Franziskus fordert uns als Pilger des Friedens alle auf, es ihm gleichzutun. Ich erwarte, dass er die Hingabe der katholischen Kirche zur Friedens- und Versöhnungsarbeit gemeinsam mit den anderen christlichen Konfessionen erneuert. Zudem bin ich überzeugt, dass Frieden kein Ziel ist, sondern ein Weg. Manchmal gehen wir ihn schneller, manchmal langsamer. Manchmal wissen wir, dass es der richtige Weg ist, manchmal scheinen wir die Orientierung verloren zu haben. Tatsache aber ist: Um an unser Ziel zu gelangen, müssen wir die Reise antreten und immer weiter vorangehen.
Das Interview führte Markus Schönherr.