Bischof Gerhard Ludwig Müller zur Diskussion um die Juden-Mission

"Respekt vor dem Judentum"

Am Dienstag hatte sich der Ökumene-Beauftragte der Bischofskonferenz, der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, kritisch mit einer Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken auseinandergesetzt. Die hatte sich vor zwei Wochen deutlich gegen jede Form der Judenmission ausgesprochen. Im domradio-Interview erläutert der Bischof, warum christliche Positionen nicht aufgeweicht und wesentliche Glaubensaussagen nicht relativiert werden dürften.

 (DR)

domradio: Judenmission klingt für viele Menschen erst einmal negativ - ist es da nicht verständlich, dass das Zentralkomitee sich mit einer Erklärung zu diesem Thema äußert?
Bischof Müller: Der Begriff Judenmission ist ja historisch sehr belastet. Aber man muss - glaube ich - an die Ursprünge von Mission zurückgehen. Ich glaube, dann klingt es sehr positiv. Jesus hat ja seine Jünger gesandt zu den "verlorenen Schafen des Hauses Israel", wie es im Matthäusevangelium auch heißt und in den Evangelien. Und dann später, nach der Auferstehung "zu den Völkern", weil er der Retter, der Erlöser aller Menschen ist, der Sohn Gottes. Und deshalb bedeutet Mission nicht einfach ein Bearbeiten und auf andere Menschen einreden, sondern bedeutet Zeugnis und Verkündigung für das Große, das Gott für uns Menschen in und durch Jesus Christus getan hat. Allerdings müssen dann bei der Erklärung dessen, was Mission eigentlich heißt in Bezug auf die Juden, das heißt nämlich: das alttestamentliche Gottesvolk, und auch auf die Völker, die ja auch Geschöpfe Gottes sind und von Gott dem Schöpfer herkommen, wo ja auch ein universaler Zusammenhang besteht, muss das natürlich auch deutlich machen, dass hier in keiner Weise das Christusbekenntnis der Kirche in Frage gestellt wird.

domradio: Sie befürchten so ein bisschen, dass in diesem Dialog wesentliche Glaubensaussagen aufgeweicht werden könnten?
Müller: Ja, ich befürchte es nicht, sondern in diesem Papier, das vorgelegt worden ist, sind wesentliche christliche Glaubensaussagen überhaupt nicht mehr ersichtlich. Wenn solche Aussagen gemacht werden, dass wir durch ethisches Handeln einen Weg zu Gott finden und Gott wohlgefällig werden, dann widerspricht das ja ganz klar der Lehre von der Erlösung und von der Rechtfertigung durch die Gnade. Die Gnade macht erst gute Werke möglich seitens des Menschen, die dann auch in das Gesamtgeschehen einbezogen werden. Aber es ist natürlich für evangelisches und katholisches, auch orthodoxes Grundverständnis ganz klar, dass kein Mensch durch eigene Werke sich den Weg zu Gott bahnen kann, sondern Gott zuerst uns Menschen entgegen kommt und wir dann erst uns durch den Glauben, durch die Liebe auf den Weg der Nachfolge Christi machen können.

domradio: Das Alte Testament schildert ja, dass Gott mit dem jüdischen Volk einen Bund schließt. Dieser wird im katholischen Verständnis durch Jesus Christus bestätigt und sogar überboten. Wie kann vor diesem Hintergrund denn der Dialog zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum gelingen?
Müller: Das Judentum und Christentum - wenn man es mal so ganz einfach sagt - stehen ja nicht wie zwei verschiedene Religionen sich gegenüber und haben nichts miteinander zu tun. Sondern wir haben ja die eine gemeinsame Wurzel, nämlich die heilsgeschichtliche Offenbarung Gottes, die ja schon mit der Schöpfung beginnt, dann bis hin führt zum Bund mit Abraham und zum Bund mit Mose. Aber beim Bund mit Abraham wird ja auch schon deutlich, dass er nicht nur der Stammvater eines Volkes, sondern der Stammvater vieler Völker werden soll. Und diese universale Ausrichtung des Bundes und Heilswillens Gottes im Alten Testament kommt eben nach unserem christlichen Glauben in Jesus Christus als dem Sohn Gottes zu seinem Höhepunkt und bedeutet nicht einen Abbruch der heilsgeschichtlichen Einheit und dieser gesamten Linie des Heilswillens Gottes, wie er vom Anfang an, der Schöpfung an bis zur Vollendung hinführt.

Nun gibt es natürlich die Jüdische Gemeinschaft, die nicht an Jesus Christus glaubt und die Gemeinschaft der Christen, die eben dadurch gekennzeichnet ist, dass sie eben an Christus als den Sohn Gottes und als den universalen Heilsmittler glaubt. Was kann jetzt hier ein Dialog bedeuten? Der kann nicht das Ziel haben, dass wir sozusagen aus zwei verschiedenen Glaubensgemeinschaften eine herstellen würden oder dass wir die eine in die andere hinein aufzulösen könnten. Sondern hier kann es nur darum gehen, dass wir einfach Respekt haben vor der Gewissensentscheidung, dem Glaubensbewußtsein der je anderen Menschen in den verschiedenen Glaubensgemeinschaften neben der jüdischen und der christlichen, dass wir uns gegenseitig mit viel Vertrauen begegnen und uns auch vergewissern, dass wir eine gemeinsame Wurzel haben, wenn wir eben auch an einer bestimmten Wegmarke einen anderen Weg gehen, aber dass wir trotzdem einen gemeinsamen Ursprung haben und dass auch auf uns eine gemeinsame Aufgabe wartet: Nämlich in der gegenwärtigen säkularisierten Welt oder polytheistischen Welt - wie auch immer man es sagen mag - den Glauben an den einen Gott zu bezeugen, zu verkünden, auch zu leben und vor allen Dingen auch für die Würde des Menschen einzutreten, die ja nach unserem Glauben, sowohl dem jüdischen wie auch dem christlichen Glauben, in der Gottesebenbildlichkeit des Menschen begründet ist.