DOMRADIO.DE: Bischof Meier, Sie haben an diesem Wochenende in Ihrem Bistum die Weihnachtsaktion von Adveniat mit eröffnet. Sie werben für Unterstützung, denn die Spenden aus den Weihnachtskollekten gehen traditionell an das katholische Lateinamerikahilfswerk. Warum ist es wichtig, Lateinamerika nicht aus dem Blick zu verlieren?
Bischof Bertram Meier (Bischof von Augsburg): Ich denke, wer heute katholisch sein will, muss automatisch an die Weltkirche denken. Wir haben natürlich durch den Ukrainekrieg derzeit den Fokus vor allem auf Mittel- und Osteuropa und wir schauen immer wieder nach Afrika. Aber Lateinamerika geht manchmal etwas unter. Deshalb ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass wir uns auch auf diese Länder konzentrieren. In Lateinamerika lebt eine sehr junge Bevölkerung und es geht darum, ihnen sowohl menschlich als auch religiös eine Zukunft zu ermöglichen. Und da kann Adveniat unterstützen.
DOMRADIO.DE: Was können wir umgekehrt von Lateinamerikas Kirche lernen?
Meier: Das können Sie bei Gottesdiensten wie der Adveniat-Eröffnung mit den Gästen aus Lateinamerika beobachten, die sehr spontan, frisch von der Leber weg sprechen, während wir oft mit Zetteln auftreten, wenn wir persönliche Zeugnisse abgeben. Wir haben eine Kostprobe von der Musik bekommen, die ganz toll war.
Ich glaube, das können wir von der lateinamerikanischen Kirche lernen: Diese Einfachheit, die ich nicht als naiv verstanden wissen will. Aber es ist nicht so verkopft wie bei uns in Europa, wir denken zu viel. Dabei hat Glaube auch viel mit Emotion zu tun und wenn der Funke überspringt, können wir davon etwas lernen.
DOMRADIO.DE: Die Kirche in Lateinamerika hat es aber auch nicht überall leicht. Wenn wir auf Nicaragua blicken: Dort wurden in den vergangenen Jahren über 200 Geistliche verhaftet, man kann man mittlerweile ohne Übertreibung von einer verfolgten Kirche sprechen. Wie sehr besorgt Sie das?
Meier: Das besorgt mich sehr. Ich habe bei der Weltbischofssynode in Rom Bischof Álvarez getroffen, der auch ein Synodaler war. (Anm: Álvarez war nach Kritik am nicaraguanischen Regime über ein Jahr in Haft. 2024 wurde ihm die nicaraguanische Staatsbürgerschaft entzogen und er wurde ausgewiesen.) Ich bin ihm auch vorher schon begegnet und kann nur sagen: Hier geht es darum, unliebsame Leute nicht aus religiösen Gründen, sondern aus politischen Gründen an die Seite zu drängen oder sie amtsunfähig zu machen. Man versucht in Nicaragua, die katholische Hierarchie aus den Angeln zu heben, denn wir wissen selbst: Eine Diözese ohne Bischof existiert nur auf dem Papier, sie ist wie eine Herde ohne Hirte.
Wir stellen eine systematische Bedrängung der katholischen Kirche in Nicaragua fest, mit erheblichen Konsequenzen: Es geht nicht nur um einzelne Bischöfe. Der Nuntius wurde zur unerwünschten Person erklärt und durfte nicht mehr einreisen. Es gibt somit keine Vertretung des Vatikans in Nicaragua und keine diplomatischen Beziehungen mehr. Den Christinnen und Christen geht es wirklich sehr schlecht und wenn das noch länger andauert, dann besteht die Gefahr, dass die Herde auseinandergetrieben wird, weil auch andere religiöse Scharlatane auf den Plan treten, um die Leute abzuwerben.
DOMRADIO.DE: Die Kirche in Nicaragua wird verfolgt, weil sie das tut, was sie tun soll, nämlich ihre Stimme gegen Ungerechtigkeit zu erheben und für diejenigen zu sprechen, die nicht gehört werden?
Meier: Papst Franziskus erzählt immer wieder, dass nach seiner Wahl beim Konklave sein Vertrauter, der emeritierte Erzbischof von São Paulo, Claudio Hummes, zu ihm sagte: "Vergiss die Armen nicht!" Gemeint sind nicht nur die materiell Armen, sondern auch diejenigen ohne Einfluss, die nichts zu sagen haben. Und das beobachten wir in Nicaragua: Eine Kirche, die die Option für die Armen lebt, für die Kleinen, für die Bedrängten, für die Unterdrückten, die hat es schwer und man versucht, sie mundtot zu machen.
DOMRADIO.DE: Inwiefern nutzen Sie Ihre Kanäle in die Politik, damit die Probleme der Kirche Nicaraguas auch im Auswärtigen Amt wahrgenommen werden?
Meier: Wir versuchen auch vonseiten der Bischofskonferenz alle Kanäle, die uns möglich sind, zu nutzen. Aber offene Gespräche sind oft das Gegenteil von öffentlichen Gesprächen, deswegen äußern wir uns dazu nicht in Pressekonferenzen oder Pressemitteilungen, das würde bei der Lösung des Problems nicht helfen. Wir müssen schauen, dass wir hinter den Kulissen unseren Dienst tun und die Stimme erheben.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.