Bischof Müller warnt vor "Stimmungsmache" in Zuschuss-Debatte

Kirchen nicht "privilegiert oder alimentiert"

Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller weist Forderungen nach geringeren staatlichen Zuschüssen an die Kirchen zurück. Eine Kürzung der sogenannten Dotationen würde zu Steuererhöhungen führen, sagte der katholische Theologe der "Passauer Neuen Presse".

 (DR)

Wenn die Kirchen bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen könnten, müsse der Staat sie selbst finanzieren. Für einen Schüler an einer Schule in kirchlicher Trägerschaft bringe der Staat ein Drittel weniger auf als an einer staatlichen Schule, sagte Müller und warnte vor «populistischer Stimmungsmache gegen die Kirche».

In Wirklichkeit gebe es gar keine Leistungen des Staates an die Kirchen, sagte Bischof Müller. «Die Sache verhält sich umgekehrt. Es gibt Leistungen der Kirche oder kirchlichen Einrichtungen im schulischen oder sozialen Bereich für die Allgemeinheit, die vom Steuerzahler mittels des Staates refinanziert werden.» Es sei «keineswegs so, dass die Kirchen wie in einem vordemokratischen Obrigkeitsstaat privilegiert oder alimentiert werden».

Müller: Zahlungen gerechtfertigt
Bischof Müller sagte, die «rechtswidrige Enteignung des Kirchengutes und die Zerstörung des gesamten katholischen Bildungssystems» im Zuge der Säkularisation 1803 sei «die Gesellschaft seinerzeit teuer zu stehen gekommen». Die für die Verluste vereinbarten Entschädigungsleistungen nannte er «sehr gering». Der heutige demokratische Staat «als Rechtsnachfolger der damaligen absolutistischen Fürstenstaaten zu Beginn des 19.
Jahrhunderts» ziehe noch viel Gewinn aus den übernommenen Kirchengütern.

Staatskirchenrechtler: Dotationen nicht einseitig aufkündbar
Für eine Kürzung der Zuschüsse der Bundesländer an die Kirchen ist nach Ansicht des Staatskirchenrechtlers Ansgar Hense das Einvernehmen beider Seiten erforderlich. «Einige Politiker erwecken den Eindruck, als reiche ein Federstrich des Gesetzgebers aus, um die bisherigen Staatsleistungen einzuschmelzen oder sogar ganz aufzukündigen», sagte der künftige Leiter des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Eine einseitige Aufkündigung oder schleichende Enteignung der Kirchen sei nicht möglich. Aufhebungen seien nur dann denkbar, «wenn eine Ablösungsentschädigung gezahlt wird», so Hense.

Am Wochenende hatte der «Spiegel» berichtet, dass es in mehreren Bundesländern Überlegungen gebe, die sogenannten Dotationen für die beiden großen Kirchen auf den Prüfstand zu stellen. In dem Bericht war von Kürzungen bis zu 15 Prozent die Rede. Bei der Spardiskussion geht es nicht um die Kirchensteuer oder freiwillige Fördermaßnahmen, sondern um Finanzleistungen des Staates, die historische Wurzeln haben und oft in die Zeit Napoleons zurückreichen. So wurden 1803 zahlreiche deutsche Reichsfürsten im Rahmen der Säkularisation für Gebietsverluste auf der linken Rheinseite durch Kirchengüter auf der rechten Rheinseite entschädigt. Die Fürsten verpflichteten sich im Gegenzug, den Kirchen regelmäßige Dotationen zu gewähren.

Laut «Spiegel» schlägt dieser Posten in den diesjährigen Haushaltsplänen der Bundesländer mit insgesamt 459 Millionen Euro zu Buche. Zu den bisherigen Spitzenreitern gehören den Angaben zufolge Bayern und Baden-Württemberg. Im Freistaat seien im vergangenen Jahr 65 Millionen Euro an die katholische und 21 Millionen Euro an die evangelische Kirche geflossen. Baden-Württemberg habe 2009 jeweils 49 Millionen Euro an die beiden Kirchen gezahlt. Nach Einschätzung von Hense machen die Dotationen gemessen an den Einnahmen durch die Kirchensteuern einen «allenfalls einstelligen Prozentsatz» in den Hauhalten der katholischen Bistümer aus.