DOMRADIO.DE: Sie sagen, Sie erwarten in den ersten Monaten keine greifbaren Ergebnisse von der Bischofssynode. Was erwarten Sie denn?
Bischof Stefan Oster (Bischof von Passau): Ich erwarte, dass wir einen neuen Stil von "Kirche-sein" einüben, im Miteinander. Es sind ja über 400 Menschen dort. Ich höre jetzt immer wieder – entweder: Wir beten für dich. Oder: Bring bitte diese Position ein und macht die stark. Also ich glaube, man darf auch den einzelnen Bischof oder den einzelnen Synodenteilnehmer und Teilnehmerin nicht mit Erwartungen überfrachten. Wir lernen jetzt mal miteinander, was aus der Weltkirche gekommen ist, was aus Europa gekommen ist, was wir selber mitbringen. Wie bringen wir das zusammen? Wie bringen wir es ins Gespräch und fragen uns: Wie geht "Kirche-sein" im 21. Jahrhundert?
DOMRADIO.DE: Immer wieder wird der Heilige Geist beschworen. Das ist der „Big Player“ auf dieser Weltsynode. Er wird ja von ganz unterschiedlichen Menschen beschworen. Es ist sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig, jetzt Heiliger Geist zu sein …
Oster: Ja, aber tatsächlich ist es, wie ich finde, eine sehr, sehr entscheidende Frage.
Fragen Sie mal unter den Menschen, die sich auch noch kirchlich verbunden fühlen, was an Pfingsten passiert ist. Da wird man wahrscheinlich noch weniger Auskunft bekommen als über Ostern und Weihnachten, weil das tatsächlich auch nicht greifbar ist.
Und auf der anderen Seite: Wenn es im christlichen Glauben um Erlösung geht, um Je-mehr-man-selbst-Werden, um heiler zu werden, um liebesfähiger, verantwortungsbewusster zu werden, mehr Einsatz für die Menschen, für die Schöpfung leben zu können, dann ist es eine Transformation, die nur der Heilige Geist wirken kann. Das glauben wir ja. Aber glauben wir, was wir da glauben? Also lassen wir das eigentlich zu? Und welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, dass wir es zulassen können?
Angst ist in der Regel kein Motivator oder etwas, was mich nicht öffnet auf den Heiligen Geist oder Zorn oder Streit. Wenngleich: Es gibt auch den heiligen Zorn: Jesus räumt mal den Tempel auf voll Zorn im Heiligen Geist, aber ganz oft sind das alles Hindernisse, vor allem wenn wir an die klassischen schweren Sünden und Verfehlungen des Menschen denken, mit Zorn, Lust, Geiz und all solchen Dingen. Aber wenn ich ehrlich bin, kenne ich das auch alles irgendwie in mir.
Also, wie komme ich in die innere Verfassung, dass der Geist Gottes in mir wirken kann? Wie komme ich in die Freiheit, in die Ruhe, in den wertschätzenden Blick auf den anderen, dass da was passieren kann? Also das sind echt große Fragen. Und wir vergessen das meistens in unserem kirchlichen Betrieb.
DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch viele kleine Fragen. Viele Menschen erwarten, dass die Beschlüsse des Synodalen Wegs eingebracht werden. Sie, Bischof Oster, stehen dem Synodalen Weg eher kritisch gegenüber, weil Sie sagen, der Synodale Weg habe auch in der Kirche noch für stärkere Polarisierungen gesorgt. Andere sagen, dadurch sind die Polarisierung erst bewusst geworden, die waren schon da.
Oster: Stimmt beides. Aber ich habe vor kurzem von einem großen Jugendverband ein echt schönes Papier bekommen, schön gemacht, gut argumentiert, tief ausgefaltet natürlich auf ihre Themen, die Themen des Synodalen Weges, Geschlechtergerechtigkeit, die Genderfrage, die ökologische Frage, die Machtfrage ...
Ich habe mir dann gedacht, ich lese das jetzt, und ich habe echt die Meinung von jungen Menschen gern und setze mich gern mit denen auseinander. Ich bin Salesianer Don Boscos, und ich habe aber dann auch sagen müssen: Die Kirche, die ich liebe, wo es um die Gegenwart Jesu geht, um die Sakramente, die mir anvertraut sind, aber auch die, die ich spenden darf, um Menschen zu helfen, einen tieferen Weg zu finden, Erlösung, Heil. Was heißt es, dass ich sündiger Mensch bin und Erlösung brauche und dass ich in die Freude Gottes finde und in den Frieden? Das kommt da alles nicht mehr vor.
Und ich glaube, das ist jetzt möglich geworden, weil durch die offene Debatte des Synodalen Weges über die ganzen Themen vielleicht da und dort unter Vernachlässigung der geistlichen Dimension jetzt selbstverständlich ist und eingebracht wird. Und es heißt jetzt "ja okay, ihr Bischöfe, jetzt setzt mal um". Und gleichzeitig ist uns untendrunter was verloren gegangen, aus meiner Sicht – an diesem Beispiel exemplifiziert.
DOMRADIO.DE: Trotzdem muss man vielen Menschen gegenüber kommunikative Höchstleistungen verbringen, denn viele erwarten unheimlich viel von dieser Synode: Frauenordination, Segnung homosexueller Paare, ganz konkrete Ergebnisse. Wie wollen Sie vermitteln, wenn sich das nicht so erfüllt?
Oster: Ehrlich gesagt habe ich von Anfang an offen gesprochen, und ich habe jetzt keine Not zu sagen, wo ich stehe. Also ich gehe jetzt auch nicht mit Erwartungen dahin, dass sich die Dinge, die Sie aufgezählt haben, jetzt alle erfüllen, weil auch der Papst relativ klar gesagt hat, es geht nicht um die Doktrin, es geht um den Stil von "Kirche-sein". Und das sage ich offen. Und ich habe auch vorher immer offen gesagt, wo ich stehe. Also ich habe das Gefühl, ich betreibe Erwartungsmanagement, das jetzt nicht das befeuert, was Sie an Erwartungen da aufzählen.
DOMRADIO.DE: Bei der Amazonas Synode war es auch so, dass bestimmte Beschlüsse gefasst wurden. Und dann hat der Papst doch getan, was er für richtig hielt. Was bringt eine Synode?
Oster: Am Ende ist die Synode ein Beratungsgremium für den Papst. So wie ich ihn erlebe, lässt er sich die Dinge nahegehen und schaut sie sich an. Aber der Papst hat auch das Charisma des Papstes. Bei der Amazonas Synode war das Thema "viri probati", also bewährte Männer zu Priestern zu weihen oder ständige Diakone zu Priestern zu weihen. Das war auf der Tagesordnung, offensichtlich auch mehrheitlich. Er hat es trotzdem nicht gemacht, und er hat nachher erklärt, da sei zu viel politischer Druck drauf gewesen. Das war aus seiner Sicht jetzt nicht vom Heiligen Geist so gewirkt. Was die Synode in einem freien Diskurs gezeigt hat, ist, dass viele Missionare in die Welt rausgehen. Und viele gehen gerne in den Westen, der ja jetzt auch irgendwie Missionsgebiet ist; oder nach Nordamerika oder nach Europa, weil sie dort auch Lebensbedingungen haben, die irgendwie angenehmer sind. Ganz wenige gehen in den Amazonas. So, und das hat jetzt, sagt der Papst, uns der Geist gezeigt in einem freien Diskurs. Deswegen fordert er jetzt die Nationen auf, die Missionare aussenden wollen, in den Amazonas zu gehen. Das ist so seine Art der Unterscheidung, und es hat eine gewisse Plausibilität. Und dann hat er natürlich auch das Petrus-Charisma.
Das Interview führte Johannes Schröer.