Alles hat zwei Seiten. Auch Dresden. Am Dienstagabend machten das zwei Veranstaltungen deutlich: Da spricht der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke auf Einladung der Jugendorganisation der Partei, "Junge Alternative Dresden", im Dresdner Ballhaus Watzke. Der zum rechten Flügel der Partei zählende Höcke hält eine fremdenfeindliche und rechtspopulistische Rede, in der er auch das Holocaust-Mahnmal in Berlin kritisiert. Vor der Gaststätte gibt es lautstarke Proteste von rund 200 Gegendemonstranten.
Knapp vier Kilometer davon entfernt, im Haus der Kathedrale in der Altstadt, trifft sich zeitgleich der katholische Bischof Heinrich Timmerevers mit Flüchtlingen und Mitarbeitern der Flüchtlingssozialarbeit. Gut 60 Menschen waren der Einladung des Bischofs zu Begegnung und Austausch gefolgt. Sie erzählen bei Suppe und Saft von Schicksalen aus der Heimat und dem Alltag in der Flüchtlingshilfe.
Geschändete Gräber
Ein syrischer Bäcker, aramäischer Christ, berichtet sichtlich bewegt von Angriffen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) auf sein Heimatdorf. Die Islamisten hätten drei Jungen umgebracht, weil sie nicht konvertieren wollten. Immer wieder verschwänden Menschen spurlos. "Auch die Toten finden keine Ruhe - die Gräber werden geöffnet und geschändet. Alles aus Hass." Er habe es einfach nicht mehr ausgehalten, habe alles verloren und sei mit seiner Frau und den drei Kindern geflohen.
Einem anderen jungen Syrer gelang vor einem Jahr nur mit seiner Mutter die Flucht nach Deutschland. Den Rest der Familie mussten sie nach eigenem Bekunden zurücklassen. In passablem Deutsch erzählt er von seiner 16-jährigen Schwester, die bei einem Bombenangriff verletzt worden sei: "Sie hat einen Splitter im Bauch, aber in dem kleinen Krankenhaus in unserer Stadt kann sie nicht operiert werden. "Jetzt ist sie in Lebensgefahr." Er versuche alles, um seine Schwester nach Deutschland zu holen. Bisher vergeblich. Sein Blick sucht den Bischof: "Meine Schwester will leben!"
Angst um Autoreifen
Eine Ehrenamtliche aus Freital berichtet von ihrem Engagement für eine eritreische Familie: "Als bei uns in der Stadt vor zwei Jahren die fremdenfeindliche Stimmung hochkochte, musste ich irgendwas machen und habe mich für eine Flüchtlings-Patenschaft entschieden." Freital hatte im Sommer 2015 wegen massiver Proteste von Asylgegnern bundesweit Schlagzeilen gemacht. Sie habe dabei viel über eine fremde Kultur, aber auch über sich selbst gelernt, erzählt die Frau nicht ohne witzige Anekdoten. "Aber ich musste auch mit verbalen Aggressionen leben lernen, mit Angst um meine Autoreifen", schildert sie, wie sie wegen ihres Engagements auch selbst zur Zielscheibe von Fremdenfeindlichkeit geworden sei.
Rund 400 Ehrenamtliche aus den Caritasverbänden und weitere 400 aus den Pfarrgemeinden engagieren sich im Bistum Dresden-Meißen in der Flüchtlingshilfe, wie Andreas Schuppert vom Diözesan-Caritasverband erklärt. Wie viele Flüchtlinge sie betreuen, ließe sich allerdings nicht sagen. "Da ist eine hohe Fluktuation, ein ständiges Kommen und Gehen." Auch zwei Broschüren mit praktischen Tipps und juristischen Hilfestellungen für die Flüchtlingshilfe von Pfarrgemeinden und Familien hat der Dresdner Caritasverband veröffentlicht. "Die sind sehr gut angekommen und haben inzwischen bundesweit Nachahmer gefunden."
Anderer Zugang
Bischof Timmerevers sitzt zwischen den Flüchtlingen und ihren Helfern, hört sich ihre Geschichten an. Er ruft dazu auf, immer wieder das Gespräch mit Flüchtlingen zu suchen. "Wenn man mit Betroffenen direkt spricht, ihre Schicksale hört, dann bekommt man einen ganz anderen Zugang." Wer sich anrühren lasse, gehe ganz anders mit der gegenwärtigen Situation und dem Zuzug von Flüchtlingen um.
Man fragt sich unweigerlich, ob sich auch Höcke, der unweit seine Rede hält, von Flüchtlingsschicksalen anrühren ließe? Nachdrücklich lobt Timmerevers den Einsatz der haupt- und ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer. Sie engagierten sich "seit etlichen Monaten aufopferungsvoll" und vorbildlich. "Ohne den hohen persönlichen Einsatz so vieler Menschen in unserem Land wäre es nicht möglich gewesen, die vielen Flüchtlinge aufzunehmen."