Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann hat die christlichen Kirchen dazu aufgerufen, die Anstrengungen für die Versöhnung der Konfessionen und die Einheit der Christen zu verstärken. "Unsere Vision der Ökumene - sie muss viel größer sein, als nur das friedliche Mit- und Nebeneinander in getrennten Kirchen zu pflegen," sagte Wiesemann laut Predigttext beim zentralen Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen am Sonntag in Augsburg.
Die Gebetswoche vom 18. bis 25. Januar findet weltweit statt. In Deutschland wird sie von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) organisiert. Als deren Vorsitzender betonte Wiesemann in der Augsburger Kirche St. Anna: "Damit die Kirchen den Menschen, denen die Veränderungs- und Umwälzungsprozesse Angst machen, Mut und Hoffnung geben können, braucht es die Vision einer weltumspannenden Solidarität." Nur so könne man "den großen Krisen der Menschheit wehren, dem Terror, der Korruption und der himmelschreienden Ungerechtigkeit, die immer wieder Millionen von Menschen in Flucht und Elend treiben."
Christusfest war ein Fortschritt
Nur eine solche weltumspannende Solidarität könne die großen Krisen der Menschheit abwehren, sagte Wiesemann. Dazu gehörten der Klimawandel, der Terror, die Korruption und die "himmelschreiende Ungerechtigkeit", die immer wieder Millionen von Menschen in Flucht und Elend treibe. Es gehe darum, die Einheit als das eine Gottesvolk immer sichtbarer werden zu lassen. "Nur so gelingt es uns, unsere vielfältigen, gewachsenen konfessionellen Prägungen wahrhaft zu versöhnen."
Je mehr Christen von dieser größeren Vision einer sichtbar geeinten Christenheit her lebten, umso leichter werde es fallen, die konfessionell verengten Blickwinkel aufzubrechen, zeigte sich der Bischof überzeugt. Ein gutes Stück sei das im vergangenen Jahr anlässlich des Gedenkens an 500 Jahre Reformation gelungen, weil dieses als ein ökumenisches Christusfest begangen worden sei.
Es geht um Befreiung der Sklaverei
Wiesemann forderte die Kirchen auch dazu auf, ihre Rolle in einer Welt, in der in vielen Ländern Armut und Unterdrückung herrschten, kritisch zu beleuchten. Sie müssten sich "die Frage zumuten lassen, wo wir durch Unterlassen oder durch unser Mittun dazu beitragen, dass Staaten in wirtschaftlichen Abhängigkeiten gefangen sind, dass unzählige Menschen in Armut leben, Gewalt erleiden oder willkürlicher Justiz ausgeliefert sind".
Die Befreiung aus Sklaverei und Unterdrückung ist in diesem Jahr das Thema der Gebetswoche. Die Texte dafür hat die Konferenz der Kirchen in der Karibik erarbeitet. Das Motto "Deine rechte Hand, Herr, ist herrlich an Stärke" (Ex 15,6) erinnert dabei an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten. Diese Befreiung aus der Knechtschaft gebe Anlass, darüber nachzudenken, "wo noch mehr ökumenisches Engagement der Christen gegen unterschiedliche Formen der Sklaverei und für die Würde des Menschen erwartet wird", teilte die ACK mit.
Die Gebetswoche in diesem Jahr
An der Feierlichkeit in der Sankt Anna-Kirche nahmen auch der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa und Harald Rückert, Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland, teil. Das Gotteshaus ist ein symbolträchtiger Ort. 1999 wurde dort die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre zwischen dem Vatikan und dem Lutherischen Weltbund unterzeichnet. Wiesemann sagte, allen Unkenrufen zum Trotz werde die Erklärung immer mehr zu einer multilateralen ökumenischen Erfolgsgeschichte. So dürfe sie nun auch die Methodistische Kirche, den Reformierten Weltbund und wohl bald auch die Anglikanische Kirche zur Unterzeichnergemeinschaft zählen.
Die Gebetswoche existiert seit mehr als 100 Jahren und wird weltweit vom 18. bis 25. Januar begangen. Jeweils ein Land erarbeitet dazu Texte, die dann von allen Kirchen genutzt werden, um für Einheit und Versöhnung der Christen zu beten. Diesmal hatte die Konferenz der Kirchen in der Karibik dies übernommen. Mit dem Thema "Deine rechte Hand, Herr, ist herrlich an Stärke" will sie die Situation der Christen in der Karibik mit der Befreiungsgeschichte des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten verbinden.