Es dürfe nicht länger "an einer verklärten Art von 'Volkskirche'" festgehalten werden. Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung habe zuletzt gezeigt, dass die Zahl der Kirchenmitglieder und auch das Vertrauen in die Kirchen deutlich gesunken sei.
"Ein einfaches 'Weiter so!' kann für uns keine Option sein", sagte Overbeck. Das mache auch der Missbrauchsskandal deutlich. Besonders die Vorwürfe gegen den Gründerbischof des Bistums, Kardinal Franz Hengsbach, hätten im vergangenen Jahr viele Menschen schockiert. Im Herbst war bekannt geworden, dass gegen Hengsbach "gravierende" Missbrauchsvorwürfe erhoben worden sind. Das Bistum lässt diese nun untersuchen. Overbeck betonte, mit Hengsbach sei lange Zeit "eine Idealvorstellung von Kirche" verbunden worden ist, die nun endgültig zerbreche. Strukturen, die Verbrechen wie Missbrauch begünstigen, müssten dringend verändert werden, mahnte der katholische Theologe.
Vieles stehe heute infrage
Vieles, das in der katholischen Kirche lange als unantastbar und unveränderlich gegolten habe, stehe heute infrage, sagte Overbeck. Wer insgeheim noch hoffe, irgendwann werde die Krise schon überstanden sein, erliege einer Illusion. Stattdessen sei die Bereitschaft nötig, andere Positionen ernsthaft verstehen zu wollen, betonte der Essener Bischof. Es mache ihm große Sorgen, mit welcher Unbarmherzigkeit viele innerkirchliche Auseinandersetzungen geführt würden.
"Stattdessen sollten wir für ein Christentum und ein Kirche-Sein eintreten, das Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit verbindet und für Ausgleich und Versöhnung sorgt", forderte Overbeck. Das sei nicht nur für die Kirche wichtig, sondern stärke auch Demokratie, Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit in der Gesellschaft.