Bischofs-Appell für friedliche Wahlen

Angst vor Unruhe überschatten Stimmabgabe

20 Millionen Bürger in Kenia sind heute an die Urnen gerufen, um über das Staatsoberhaupt, das Parlament, Senatoren und Gouverneure abzustimmen. Hans-Peter Hecking zur Präsidentschaftswahl in dem ostafrikanischen Land.

Wahl in Kenia / © Ben Curtis (dpa)
Wahl in Kenia / © Ben Curtis ( dpa )

domradio.de: Die heutige Stimmabgabe ist überschattet von der Angst vor Ausschreitungen, denn bei Unruhen nach den vorletzten Wahlen waren im Jahr 2007 mehr als tausend Menschen getötet und Hunderttausende vertrieben worden. Ist denn die Situation heute mit der damals vergleichbar?

Hans-Peter Hecking (Afrika-Referent beim katholischen Hilfswerk missio): Das ist schwer zu sagen. Immerhin verliefen die letzten Wahlen im März 2013 ja annähernd friedlich, aus denen der jetzige Präsident Uhuru Kenyatta mit knapp mehr als 50 Prozent gegen Raila Odinga als Sieger hervorging. Beide stehen sich ja auch bei der heutigen Wahl um die Präsidentschaft als Konkurrenten gegenüber.

Doch viele Menschen in Kenia sind noch immer sehr schockiert über die blutigen Auseinandersetzungen nach den Wahlen vor knapp zehn Jahren. Für viele ist das noch immer unfassbar, was damals geschah. Deshalb ist die Angst im Land nach wie vor groß, dass sich die Ereignisse von damals wiederholen könnten. Denn damals hatte kaum jemand damit gerechnet, dass so etwas überhaupt passieren könnte.

domradio.de: Die Rivalen Uhuru Kenyatta und Raila Odinga hatten sich im Vorfeld gegenseitig Wahlmanipulation vorgeworfen. Ist das ein realistisches Szenario, dass es da bei den Wahlen nicht mit rechten Dingen vor sich gehen wird?

Hecking: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es immer wieder zu Wahlfälschungen gekommen ist. Alle Wahlen in dem Land liefen bisher nicht sauber ab. Wie es hieß, tauchten ja jetzt im Wahlregister vor der Wahl 90.000 Namen auf von Personen, die bereits verstorben sind. Von großer Bedeutung - das unterstreichen auch die katholischen Bischöfe in ihren zahlreichen Statements im Vorfeld der Wahlen immer wieder - ist da die Rolle, die die unabhängige Wahl- und Wahlbezirkskommission im Land inne hat, die für die Vorbereitung und die Durchführung der Wahlen zuständig ist. Die Wahlen in Kenia werden digital durchgeführt, das heißt in den Wahllokalen gibt es Wahlcomputer. Das habe ich bei der letzten Wahl selbst erlebt.

Gerade in diesem Bereich sind gewisse Unregelmäßigkeiten möglich - Stichwort Hacking. Und da ist der mysteriöse Tod eines Verantwortlichen für genau diesen Bereich der digitalen Stimmabgabe in der vergangenen Woche höchst beunruhigend. Der Mann wurde am 31. Juli, also unmittelbar vor den Wahlen, in einem der Außenbezirke der Hauptstadt Nairobi mit Folterspuren tot aufgefunden. Es gab Befürchtungen, dass da jemand Passwörter zum Hacken der Wahlcomputer hatte erpressen wollen. Doch der oberste Wahlleiter zerstreute die Befürchtungen als er sagte, dass die Mitarbeiter diese sensiblen Passwörter überhaupt nicht kennen würden. Wer weiß - Zweifel bleiben bestehen.

domradio.de: Die katholischen Bischöfe hatten vor der Wahl alle Bürger dazu aufgerufen, wählen zu gehen - und gleichzeitig der Gewalt eine klare Absage zu erteilen. Welchen Einfluss hat die katholische Kirche im Land?

Hecking: Einen sehr großen Einfluss! Deshalb haben die Bischöfe auch wirklich ihre Verantwortung im Vorfeld wahrgenommen, indem sie immer wieder in Stellungnahmen, Pastoralbriefen etc. darauf hingewiesen haben, dass man gerade der Versuchung widerstehen soll, diese Wahlen wieder entlang ethnischer Linien zu sehen.

Denn in Kenia spielt weniger das Parteiprogramm eine Rolle als vielmehr die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe, von denen es im Land rund 40 verschiedene gibt. Vielfach geht es darum, auch jetzt im  Wahlkampf wieder, dass man die eigene ethnische Klientel bedient. Jeder, der zum entsprechenden Stamm gehört, will halt seinen Kandidaten, seine Kandidatin möglichst durchbringen, an die Macht und ans Geld bringen in der Hoffnung, dass am Ende für ihn selbst etwas abfällt.

Aber im Wesentlichen ging es den Bischöfen immer wieder darum - so auch im letzten Statement von vergangener Woche -, zu friedlichen, fairen und freien Wahlen aufzurufen. Alleine in diesem Statement taucht auf eineinhalb Seiten im Zusammenhang mit den Wahlen 15 Mal der Begriff "friedlich" oder "Frieden" auf.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR