Auch wenn Asyl in Kultstätten, Tempeln und später in Kirchen und Klöstern religionsgeschichtlich eine lange Tradition habe, sei das moderne Kirchenasyl damit nur eingeschränkt vergleichbar. In den Gebäuden der Kirche finde das staatliche Recht uneingeschränkte Anwendung, weist die Bischofskonferenz in der neuen Handreichung zum Umgang mit dem Kirchenasyl hin.
Das Kirchenasyl sei eine besondere Herausforderung für das Verhältnis von Staat und Kirche im Spannungsfeld zwischen religiöser Neutralität des Staates und dem besonderen Status der Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts.
"Form des gewaltlosen zivilen Ungehorsams"
Wiederholt haben die Bischöfe das Verfahren als "Ultima Ratio" bezeichnet. In ihrer aktuellen Handreichung mahnen sie zu einem sorgfältigen Umgang mit diesem "kostbaren Gut". Es handle sich um eine "Form des gewaltlosen zivilen Ungehorsams", heißt es.
Das Kirchenasyl diene ausschließlich dazu, Gefahren für Leib und Leben, drohende Menschenrechtsverletzungen oder individuell unzumutbare Härten für den Einzelnen abzuwenden. Bei Kirchenasyl handelt es sich um eine Form des gewaltlosen zivilen Ungehorsams. Gemeinden und Ordensgemeinschaften müssten sich der Konsequenzen bewusst sein, betont die Bischofskonferenz.
Neues Verfahren seit Anfang 2015
Nach einer hitzigen Debatte zu Jahresbeginn hatten sich die Kirchen und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf ein neues Verfahren geeinigt. Demnach sollen Kirchenvertreter die Möglichkeit bekommen, Einzelfälle erneut vom Bundesamt überprüfen zu lassen, im Idealfall, noch bevor die betroffenen Personen ins Kirchenasyl aufgenommen werden. Im Spätherbst soll es zu einer Bewertung des Verfahrens kommen. Für die Kommunikation sollen zentrale Ansprechpartner sowohl auf Seiten der Kirchen wie auch des BAMF benannt werden.
Deutschlandweit gibt es nach jüngsten Zahlen der "Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche" 293 Fälle von Kirchenasyl mit 454 Personen, darunter 95 Kinder. Das entspreche, so die Bischofskonferenz, einem "deutlichen Zuwachs" seit August 2014, als die Arbeitsgemeinschaft 135 Kirchenasyle mit 244 Personen zählte. Die Zahl der besonders umstrittenen "Dublin-Fälle" wird aktuell mit 256 angegeben.
Nach der Dublin-III-Verordnung müssen Flüchtlinge im europäischen Erstaufnahmeland Asyl beantragen. Um nicht für das Verfahren zuständig zu sein, muss Deutschland Flüchtlinge zudem binnen sechs Monaten in das Erstaufnahmeland zurückschicken.
Asyl-Befürworter warnen vor Familientrennungen
Die Befürworter des Kirchenasyls sind der Ansicht, dass bei diesen Abschiebungen nach der Dublin-Verordnung die Menschenrechte nicht immer gewahrt werden. Unter Verweis auf die Situation in Italien, Ungarn, Bulgarien und auf Malta warnt die Bundesarbeitsgemeinschaft etwa vor Familientrennungen und Obdachlosigkeit. Auch werde die besondere Schutzwürdigkeit von Kindern sowie traumatisierten oder kranken Flüchtlingen nicht berücksichtigt.
Klar ist: Wer heute Kirchenasyl gewährt, verstößt gegen geltendes Recht. Die Behörden können - rechtlich betrachtet - Flüchtlinge aus Gemeinderäumen und Kirchen herausholen lassen.
Gemeinden und Ordensgemeinschaften müssten sich der Konsequenzen bewusst sein, die ihr Handeln haben könne. In jedem Einzelfall müssten das zuständige Katholische Länderbüro sowie das BAMF oder die örtliche Ausländerbehörde unterrichtet werden.
Kirchenasyl hat meist positive Folgen
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl hatten sich zu Jahresbeginn hinter die Kirchen gestellt; auch Politiker von SPD, Grünen und Linken bekräftigten den Wert des Kirchenasyls. Die Zahlen scheinen ihnen Recht zu geben: Nach Schätzungen dürfen 80 bis 90 Prozent derjenigen, die im Kirchenasyl waren, langfristig bleiben.
Hoffnung sieht die Bundesarbeitsgemeinschaft unterdessen für die 70 Syrer, die derzeit in Kirchenasylen leben. Sie gehe davon aus, dass die Kirchenasyle alle bald aufgelöst werden könnten, sagte die Vorsitzende Dietlind Jochims in Berlin. Das BAMF hatte in der vergangenen Woche das Dublin-Verfahren für Flüchtlinge aus Syrien ausgesetzt.