Im Bistum Aachen steht ein einschneidender Umstrukturierungsprozess an. Die Grenzverläufe und Zuständigkeitsbereiche der heute rund 320 Pfarreien sollen sich in den kommenden sechs Jahren stark verändern, wie am Freitag bekannt wurde. Nur noch 8 bis 13 Pfarreien sehen die vorläufigen Pläne vor.
Zentrale Einheiten kirchlichen Lebens sollen aber insgesamt rund 50 sogenannte Pastorale Räume werden.
Schrillen die Alarmglocken?
Angesichts des Vorhabens dürften bei vielen Menschen an der Kirchenbasis die Alarmglocken schrillen. Fairerweise muss betont werden, dass die rund 320 Pfarreien bereits heute in 71 Gemeinschaften der Gemeinden zusammenarbeiten.
Die Entscheidungskompetenzen, etwa über Geld- oder Personaleinsatz, werden weiter in der Fläche verbleiben, also auf der Ebene der 50 Pastoralen Räume. So soll verhindert werden, dass ein weit entferntes Gremium entscheidet, welches Pfarrheim vor Ort saniert wird und in welcher Kirche eine Gemeinde sonntags Messe feiert.
Die neuen Pastoralen Räume will das Bistum bis Januar 2024 einrichten. In diesen Gebietseinheiten würden Sonntagsmessen weiter verlässlich stattfinden und die vier Hauptaufgaben der Kirche abgesichert: die christliche Botschaft verkünden, Gottesdienste feiern, Gemeinschaften bilden und soziale Hilfen leisten. "Durch diese Struktur sollen sowohl Nähe, Vielfalt als auch Tiefe in der Pastoral erreicht werden", heißt es in dem Papier.
Einsatzebene des Seelsorgepersonals
Die Pastoralen Räume sind laut Plan zudem die Einsatzebene des Seelsorgepersonals. Geleitet werden sie von Teams, zu denen nicht zwingend ein Priester gehören muss - deshalb heißen sie auch nicht Pfarreien. Diese Teams sollen den Personaleinsatz in ihrem Gebiet steuern und eigene Wirtschaftskonzepte erstellen. Orientieren sollen sich die Pastoralen Räume an den Sozial- und Lebensräumen im Bistum.
Die 8 bis 13 Pfarreien, in denen die Pastoralen Räume organisiert sind, sollen bis Januar 2028 entstehen. Das Bistum ist schon heute in 8 Regionen eingeteilt, die als Richtschnur für Grenzverläufe dienen könnten - jedoch nicht müssen. Die Aufgabe der künftigen Pfarreien soll vor allem darin bestehen, die Qualität zu sichern sowie bei den vier Hauptaufgaben zu unterstützen.
Auch die Pfarreien würden bestenfalls von Teams geleitet, wobei hier ein Pfarrer Mitglied sein muss. Die genauen rechtlichen Strukturen muss das Bistum aber noch erarbeiten.
Auch wenn die Diözese Entscheidungskompetenzen möglichst vor Ort belassen will, erinnern die Vorschläge an bislang wenig erfolgreiche Reformen in anderen Bistümern: Das Vorhaben des Erzbistums Köln, 50 bis 60 Großpfarreien zu bilden, stößt auf breite Ablehnung. Der Prozess kommt seit Monaten kaum voran, auch wenn die Bistumsspitze kürzlich einen neuen Anlauf gestartet hat. Das Bistum Trier - Heimatdiözese von Aachens Bischof Helmut Dieser - musste seine Pläne für 35 Großpfarreien abändern, als sich nach Protesten vor Ort der Vatikan einschaltete.
Auch in Deutschlands westlichster Diözese zeichnet sich Unmut ab. Die Initiative "Kirche bleibt hier", in der sich 120 Kirchenvorstände gegen eine weitere Zusammenlegung von Pfarreien aussprechen, sieht in den Begründungen für die Pläne einen Vorwand, um neue zentrale Verwaltungen im Bistum zu finanzieren. Die jetzigen Kirchenvorstände würden überflüssig und dürften dann nur noch "als lokale Hausmeister" weitermachen, sagten Vertreter der Gruppe den "Aachener Nachrichten".
Um Reformen kommt das Bistum nicht herum
Aller Kritik zum Trotz: Um Reformen dürfte das Bistum Aachen, zu dem knapp eine Million Katholikinnen und Katholiken gehören, kaum herumkommen. Wie in anderen Diözesen sinkt die Zahl der Mitglieder, Priesternachwuchs ist Mangelware und auch die finanziellen Spielräume werden enger. Angesichts dieser Perspektiven stieß Bischof Helmut Dieser 2018 den Dialog- und Reformprozess "Heute bei dir" an, um Pläne für die Zukunft der Seelsorge zu entwickeln.
Die vorläufigen Beschlüsse erarbeitete ein Synodalkreis, dem neben Dieser 16 weitere Mitglieder angehören, darunter Generalvikar Andreas Frick, weitere Bistumsverantwortliche sowie Vertreter der Priester und Laien. Der Kreis stellt seine Pläne am 26. März einer Synodalversammlung mit rund 170 Teilnehmenden aus verschiedenen Bereichen des Bistums vor. Die Räte und Gremien der Diözesen sollen in diesem Rahmen Voten abgeben, die der Synodalkreis in seine weiteren Beratungen aufnimmt. Im letzten Schritt fasst der Kreis Beschlüsse, an die sich der Bischof binden will. Die Überzeugungsarbeit dürfte damit nicht abgeschlossen sein.