Im Steuerskandal um Schwarzgeldkonten in Liechtenstein gibt es jetzt offenbar auch Durchsuchungen im Großraum Hamburg und Ulm. Dies erfuhr das "Handelsblatt" (Online-Ausgabe) aus Justizkreisen. In München soll gegen mehrere prominente mutmaßliche Steuerhinterzieher eine großangelegte Aktion angelaufen sein. Im Großraum Frankfurt am Main wurden Privatwohnungen und Geschäftsräume durchsucht. Medienberichten zufolge soll es sich zwar um vermögende Personen handeln, nicht aber um in der Öffentlichkeit bekannte Namen.
Lichtenstein unter Druck setzen
Das Netzwerk Steuergerechtigkeit sieht eklatante Versäumnisse der Politik. Der Mitbegründer der internationalen Organisation, Sven Giegold, nannte es am Montag im ARD-"Morgenmagazin" einen "Skandal", dass Länder wie Luxemburg oder Liechtenstein nicht ernsthaft unter Druck gesetzt worden seien, Erträge von Bankkunden offenzulegen. "Man lässt praktisch dieses Raubrittertum laufen", sagte er.
Giegold, der auch Mitglied der globalisierungskritischen Organisation Attac ist, kritisierte, Steuerfahndungen und Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften für Wirtschaftskriminalität seien "massiv unterausgestattet". Spektakuläre Fälle von Steuerhinterziehung würden vor allem von der Staatsanwaltschaft Bochum aufgedeckt.
Nach Ansicht Giegolds steckt dahinter zum Teil politisches Kalkül. "Gerade in Hessen sieht man, dass das richtig ein Standortfaktor ist, diese Staatsanwaltschaften schwach auszustatten", sagte er. "Wenn man praktisch Investoren oder Vermögenden sagen kann, bei uns wird nicht so genau hingeschaut, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die ihren Wohnsitz in dem jeweiligen Bundesland errichten, höher", fügte Giegold hinzu.
Harte Strafen gefordert
CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach sagte, in den jetzt in Verdacht geratenen Kreisen sei die Angst vor dem Gefängnis weit größer als die vor Verarmung. "Vollstreckte Haftstrafen hätten da eine enorm abschreckende Wirkung".
Nach Ansicht von SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler sollte auch geprüft werden, ob Finanzdienstleister, die Ratschläge zur Steuerflucht geben, strafrechtlich belangt werden könnten, wie er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte.
Auch der Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Uwe Benneter, forderte eine harte Bestrafung. "Ich denke, dass eine Bewährungsstrafe nicht angebracht wäre bei dieser Schadenssumme", sagte Benneter am Montag dem Onlineportal des Magazins "Stern". Der frühere SPD-Generalsekretär kritisierte, es gehe nicht, dass jene, "die es besonders dicke haben", ihr Vermögen ins Ausland transferierten, "und die Eltern, die wirklich die Leistungsträger sind, die können dann die Toiletten putzen in den Schulen, weil da nicht genügend Geld vorhanden ist."
Reaktionen
SPD-Chef Kurt Beck hat eine drastische Verschärfung des Steuerrechts gefordert. "Ich halte das für prüfungsnotwendig. Es wäre unerträglich, wenn es statt einer Gerichtsverhandlung zu Deals käme", sagte Beck vor einer Sitzung des SPD-Präsidiums am Montag in Hamburg. Es brauche ein Nachdenken in Deutschland, "ob eine Verletzung der Grenzen zum Strafrecht als halblegal eingeordnet wird. Das darf nicht sein."
Beck forderte, die Höhe des möglichen Strafmaßes für Steuersünder zu überprüfen. "Unsere Erwartung ist, dass es zu gerichtlichen Verhandlungen kommt", sagte er und fügte hinzu: "Und es wird sicher auch darüber zu reden sein, was wir auf der europäischen Ebene tun können, um solch eine Art des heutigen Raubrittertums, wie das in Liechtenstein offensichtlich möglich ist, zu unterbinden."
Gut angelegt
Für die Daten, die auch den bisherigen Post-Chef Klaus Zumwinkel in den Verdacht der Steuerhinterziehung brachten wurden an einen Informanten etwas mehr als vier Millionen Euro gezahlt, wie Finanzministeriums- Sprecher Torsten Albig gestern sagte. Es lägen Daten zu rund 1000 mutmaßlichen Steuerhinterziehern vor.
Die Bundesregierung erhofft sich hohe Einnahmen aus Steuernachforderungen. Nach Informationen des "Handelsblatts" geht es dabei um eine Summe von 300 bis 400 Millionen Euro. Das nach Liechtenstein verschobene Kapital schätzten Finanzministerium und Staatsanwaltschaft auf mehr als drei Milliarden Euro.
BND verteidigt
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums der Geheimdienste, Thomas Oppermann (SPD), verteidigt die Rolle des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Steueraffäre. Er sei sich ganz sicher, dass der Geheimdienst im Rahmen seiner Befugnisse gehandelt habe, sagte der SPD-Politiker am Montag im RBB-Inforadio. Er sprach von einer "Erfolgsgeschichte". "Es ist wichtig, dass der Staat in der Lage ist, solche Verfehlungen aufzuklären und zu ahnden und auch andere Anleger von gleichem Tun abzuschrecken", sagte Oppermann dem Sender.
Die FDP, die mit Max Stadler auch den stellvertretende Vorsitzende des Gremiums stellt, hatte Aufklärung über die Rolle des BND gefordert. In einem Rechtsstaat müsse strikt darauf geachtet werden, dass Nachrichtendienste nur innerhalb ihrer Zuständigkeit tätig werden, sagte Stadler der "Bild". Medienberichten zufolge hatte der BND einem Informanten über vier Millionen Euro für Informationen über die Steuervergehen fast 1000 deutscher Großverdiener gezahlt.
Flucht vor neuer Steuer
Als Konsequenz aus dem Steuerskandal forderte die Deutsche Steuergewerkschaft am Montag einen Verzicht auf die für 2009 geplante Abgeltungsteuer. Der Chef der Steuergewerkschaftschef, Dieter Ondracek sagte, mit der Einführung der Abgeltungssteuer würden Kapitalerträge nicht mehr in der Einkommensteuererklärung auftauchen. Die Steuerfahndung brauche aber einen Anfangsverdacht, um überhaupt Ermittlungen aufnehmen zu können. "Unter dem künftigen Recht wäre der Fall Zumwinkel nicht aufgedeckt worden", sagte er.
"Wir stellen fest, dass wegen der Abgeltungsteuer mehr Geld ins Ausland fließt. Das hat wohl den Hintergrund, die Anlagen weiter zu verstecken", sagte auch der Vorsitzende der Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".
Die Bundesregierung erhofft sich durch die Abgeltungsteuer mehr Steuerehrlichkeit. Mit der Abgeltungssteuer führen die Banken von allen Kapitaleinkünften pauschal 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag an die Finanzämter ab.
Bochumer Fahnder in ganz Deutschland unterwegs - Harte Strafen gefordert
Bundesweite Razzien gestartet
In zahlreichen Großstädten haben die Steuerfahnder am Montag Privathäuser und Büros durchsucht. Im Großraum München sollen auch zwei kleinere Privatbanken betroffen gewesen sein, so die "Bild"-Zeitung. Die Verdächtigen seien nicht so prominent wie Zumwinkel, hätten zum Teil aber deutlich höhere Summen hinterzogen, schreibt die "Welt" und beruft sich auf "Ermittlerkreise".
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