Bolivien erwartet umstrittene Verfassung

Mehrheit für Morales

Eine Mehrheit der Bolivianer hat sich nach ersten Auszählungsergebnissen für eine neue Verfassung ausgesprochen. Demnach stimmten etwa 55 bis 60 Prozent der Wähler für das von Präsident Evo Morales vorangetriebene Projekt eines linksgerichteten Grundgesetzes. Die Opposition befürchtet einen zu starken Machtzuwachs des Präsidenten.

 (DR)

In Bolivien waren am Sonntag knapp vier Millionen Bürger zur Abstimmung über eine neue Verfassung aufgerufen. Der linksgerichtete indianische Präsident Evo Morales will mit dem neuen Gesetzeswerk die bisher ausgegrenzte indianische Bevölkerung stärker am Wohlstand beteiligen. Mehr als 300 internationale Wahlbeobachter beobachten den Ablauf des Referendums.

In einer zweiten parallelen Abstimmung konnte die Bevölkerung entscheiden, ob die Höhe des privaten Landbesitzes in Zukunft 5.000 oder 10.000 Hektar nicht überschreiten darf. Gegenwärtig sind 50.000 Hektar Privatland erlaubt. Die Regierung hat jedoch betont, dass die neue Obergrenze nicht rückwirkend gilt. An den gegenwärtigen Landbesitzverhältnissen wird sich zunächst nichts ändern. Jedoch erlaubt die neue Verfassung dem Staat zukünftig Land zu beschlagnahmen, das seine "landwirtschaftliche und soziale Funktion" nicht erfüllt.

Glaubensfreiheit garantiert
Bei Annahme der Verfassung wird Bolivien ein Vielvölkerstaat mit
37 offiziellen Sprachen, der Glaubensfreiheit garantiert. Zudem sollen die Provinzen mehr Autonomie erhalten. Den indianischen bäuerlichen Völkern und Nationen wird der Schutz ihrer kulturellen Identität, ihrer sozialen wie politischen Strukturen und Institutionen zugesichert. Zudem garantiert der Staat das Recht auf Ernährung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit, Rente, Trinkwasser und angemessene Entlohnung.

Bislang sahn die Verfassung Boliviens nur eine einmalige fünfjährige Amtszeit des Präsidenten vor. Nach der Reform wäre eine einmalige direkte Wiederwahl erlaubt. Die neue Verfassung erlaubt für den Monat Dezember 2009 vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen.

Die Opposition kritisierte, dass der Entwurf nicht das Ergebnis eines transparenten und demokratischen Prozesses sei. Zudem sei keiner der 411 Paragrafen mit der vereinbarten Zwei-Drittel-Mehrheit von der verfassunggebenden Versammlung beschlossen worden. Wie die Regierung selbst zugab, bleiben viele kleine indianische Nationen des Landes in der Verfassung unberücksichtigt.