Evo Morales wird wohl Amtsinhaber bleiben. Mit seiner Partei Movimiento Al Socialismo (MAS) will der erste indigene Staatschef in der Geschichte des Landes den rund 30 einheimischen Volksgruppen eine Stimme geben. Und stößt damit ein ums andere Mal die alten Eliten vor den Kopf.
Deren Einfluss zeigt sich vor allem in Santa Cruz de la Sierra, mit rund 1,6 Millionen Einwohnern die größte Stadt des Landes und das Wirtschaftszentrum der Tiefebene. In der gleichnamigen Provinz liegen die wichtigsten Erdöl- und Erdgasvorkommen. Hier hat die nationale Fluggesellschaft Aerosur ihren Sitz. Ein Blick auf die Speisekarten der besseren Restaurants gibt Aufschluss über die Einkommensverhältnisse der oberen Schichten - und die Wirtschaftsbeziehungen zu den Nachbarstaaten. So können Gäste regelmäßig wählen zwischen bolivianischem oder argentinischem Steak, inklusive Aufpreis für die Importware.
Die Kirche steckt in der Klemme
Auch der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz residiert in Santa Cruz. In seinen Predigten prangert Kardinal Julio Terrazas Sandoval immer wieder die politischen Missstände im Land an. Regelmäßig schafft er es damit in die Schlagzeilen - nicht selten zum Verdruss seiner Gegner. Erst vor wenigen Monaten explodierte vor Terrazas' Anwesen eine Ladung Dynamit. Ob die Täter aus Regierungskreisen stammten oder der lokalen Mafia angehörten, blieb im Dunkeln.
Der Zwischenfall dokumentiert, wie sehr die einst mächtige Kirche des Landes in der Klemme steckt. Nach wie vor bekennen sich mehr als 80 Prozent der Bevölkerung zum katholischen Glauben. Aber angesichts der Interessengegensätze etwa zwischen dem wirtschaftlich prosperierenden Tiefland und dem armen Andenhochland fällt es der Kirche zunehmend schwer, als Sprachrohr der Gesellschaft zu funktionieren. Mitverantwortlich dafür sind nicht zuletzt Evo Morales und seine Partei. Erfolgreich inszeniert sich der MAS als Sammelbecken für soziale Bewegungen und läuft damit der Kirche den Rang ab.
Das fast dreijährige Ringen um eine neue Verfassung brachte zu Jahresbeginn eine weitere Niederlage. Mit der Revision von Artikel 3 verlor die katholische Kirche ihre herausgehobene Stellung. Stattdessen steht nunmehr das allgemeine Prinzip der Religionsfreiheit im Vordergrund, erstmals wurde explizit die Trennung von Kirche und Staat festgeschrieben. Nach außen sieht Kardinal Terrazas darin eine Chance zum Wandel. "Auch wir müssen uns ändern und sind dazu bereit", betont der Bischofskonferenz-Vorsitzende immer wieder. Doch hinter den Kulissen wird heftig diskutiert. "Die Kirche war noch nie so gespalten wie heute", meint ein Beobachter.
Wie weit sollen sich die Bischöfe auf den Kurs von Morales einlassen?
Eine Kernfrage lautet dabei: Wie weit sollen sich die Bischöfe auf den Kurs von Morales einlassen, ohne einerseits als Reformverweigerer dazustehen oder sich andererseits dem Vorwurf vergangener Tage auszusetzen, zu sehr die Nähe der Mächtigen zu suchen? In einem Abkommen mit dem Staat haben die Verantwortlichen unlängst versucht, einige Schäfchen ins Trockene zu bringen und das kirchliche Engagement im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen auf solide Grundlagen zu stellen. Der Erzbischof von La Paz, Edmundo Abastoflor Montero, will die Gespräche auch mit der neuen Regierung fortsetzen. "Wir versuchen, die verantwortlichen Politiker zu verstehen und uns selbst verständlich zu machen", umschreibt er das Ziel künftiger Verhandlungen.
Eine reine Blockadepolitik, das wissen die Bischöfe, hilft letztlich niemandem. Zu groß sind die Herausforderungen, die vor dem Andenstaat liegen. "Wir sollten mit Schwung und Kraft vorangehen", ermutigt Abastoflor seine Zuhörer. "Um unserem Umfeld zu zeigen, was aus unserer Sicht wesentlich für eine bessere Gesellschaft ist." Die Kirche, so die Botschaft des Bischofs, will nicht tatenlos zusehen, bis sich das Gewitter entlädt.
Boliviens Kirche hat lange und gespannt auf den Ausgang der Wahlen gewartet
Ein Gewitter liegt in der Luft
Schwer wie Blei lastet die Hitze auf Boliviens Tiefebene. Die Regenzeit kündigt sich mit Donnergrollen und Wetterleuchten an. Eine Stimmung, die zu der angespannten Lage in dem ärmsten Land Südamerikas passt. Heute wählen die Bolivianer einen neuen Präsidenten. So wie es aussieht, wird der bisherige auch der neue Amtsinhaber sein.
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