Bonner Liebfrauenschule stellt Vorzeigeprojekt für Geflohene vor

"Wir packen das"

Als private Ersatzschulen werden den 32 Schulen des Erzbistums Köln von den Behörden eigentlich keine Flüchtlinge zugewiesen. Anders die Bonner Liebfrauenschule: Hier werden 16 Mädchen mit Fluchterfahrungen unterrichtet.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Vorbereitungsklasse an der katholischen Liebfrauenschule Bonn / © Harald Oppitz (KNA)
Vorbereitungsklasse an der katholischen Liebfrauenschule Bonn / © Harald Oppitz ( KNA )

Nein, "viertel nach eins" kann Warvin noch nicht sagen. Dafür zeigt die junge Irakerin auf dem Zifferblatt, dass ihr Unterricht - "Malen!" - um 13.15 Uhr weitergeht. Warvin ist eine von 16 Schülerinnen der neuen internationalen Vorbereitungsklasse für Geflohene an der Bonner Liebfrauenschule. Das Pilotprojekt des Erzbistums Köln ist seit kurzem angelaufen.

Motto: "Mädchen stark machen"

Im November kam Warvin mit zwei Schwestern nach Bonn - ohne Eltern oder sonstige Angehörige. Die drei Jesidinnen leben nun in einer Unterkunft in der Bundesstadt. In dem katholischen Mädchengymnasium wurden sie herzlich aufgenommen. Das sei der Schule, deren Motto "Mädchen stark machen" heißt, ein Anliegen, erläutert Rektorin Mechthild Wolber am Montag. "Aber nach den Herbstferien waren wir zunächst ziemlich überfordert mit der Frage, wie wir Flüchtlingen helfen können."

Nach Absprache mit dem Erzbistum Köln als Träger, mit Lehrkräften, Eltern und Behörden stand bald fest: Das rund 600 Schülerinnen umfassende Gymnasium kann und will innerhalb der "Aktion Neue Nachbarn" des Erzbistums eine Vorreiterrolle übernehmen.

Erklärungen auf Deutsch - Übersetzungen möglich

So werden die 13- bis 18-jährigen Schülerinnen aus dem Irak, Syrien, den Arabischen Emiraten und Kroatien jeweils für zwei Jahre einer altersgerechten Klasse zugeteilt und erhalten zudem elf Wochenstunden Unterricht in der Vorbereitungsklasse. "Ich erkläre zunächst alles auf Deutsch", berichtet Koordinatorin Eva Sewing. "Für die, die mich noch nicht verstehen, übersetzen die anderen auf Englisch, Arabisch oder Kurdisch. Das geht blitzschnell."

Zudem gibt es für die sieben Muslima, die syrisch-orthodoxen Christinnen und Jesidinnen Differenzierungen je nach Sprachstand. Und um ihnen die Möglichkeit zu bieten, traumatische Erlebnisse loszuwerden, bietet die Schule Kunst-, Musik- und Tanzprojekte an. An diesem Nachmittag malen Warvin und die anderen einen Apfel - und lernen ganz nebenbei Deutsch.

Keine Gespräche mit Medien

Bei der offiziellen Begrüßungsfeier in der voll besetzten Aula tanzen Schülerinnen zu dem Song "Ich bin wie Du" der Band "Drauf!". Die Botschaft: Wir ticken alle gleich, egal woher wir kommen. Dann werden die "Neuen" gebeten, sich zu zeigen. Unter tosendem Beifall erheben sich 16 dunkelhaarige Mädchen und junge Frauen, zögernd und eher schüchtern.

Für Gespräche mit den Medien stehen sie noch nicht zur Verfügung. "Unser erstes Ziel ist es jetzt, sie zu behüten", erläutert die evangelische Schulpfarrerin Wiebke Janssen. Die Schule wolle Strukturen schaffen, damit die Mädchen hier Heimat finden. Das gelingt auch dank großer ehrenamtlicher Unterstützung seitens der Elternschaft. Dazu zählt etwa, dass die beiden Mütter Anke Backhaus und Cornelia Böhm als Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen der Universität Bonn das Kollegium beim Thema Deutsch als Fremdsprache fachlich beraten.

Politischer Aspekt

Den politischen Aspekt des Unterfangens bringt die frühere Bundesfamilienministerin Ursula Lehr als Schirmherrin auf den Punkt: "In den 90er Jahren wurde gestöhnt, dass Deutschlands Bevölkerung durch den demografischen Wandel von 81 Millionen auf 68 Millionen im Jahr 2050 sinken wird", erinnert die 85-Jährige. Die Lösung komme nun in Gestalt der Flüchtlinge: Fast drei Viertel der 2015 Eingereisten seien jünger als 30 Jahre. Freilich sei Integration auch eine Herausforderung, räumt die CDU-Politikerin ein. Um dann in Merkel-Manier zu betonen: "Wir packen das!"

Daran haben auch Amelie und Frieda aus der Klasse 7a keinen Zweifel. Ihre neuen Mitschülerinnen Lilava, Sidra und Rama kommen hier gut klar, sind die beiden 13-Jährigen überzeugt. "Und die langweilen sich bei uns auch nicht", lacht Amelie, die im Religionsunterricht gerade das Thema Islam durchnimmt.

Neue Schülerinnen als Bereicherung

Für das Lernen über andere Religionen und Kulturen sind die neuen Schülerinnen eine Bereicherung, meint der katholische Schulpfarrer Dominik Schultheis. Das Projekt trage den ambitionierten Namen "Porta patet - cor magis" (Die Tür ist offen, das Herz noch mehr). "Anders ausgedrückt: Das Ganze ist für uns eine Herzensangelegenheit."


Quelle:
KNA