domradio.de: Jahrelang ging alles gut mit den Bettlern vor dem Hauptportal des Bonner Münsters. Warum wurde jetzt eine solche Maßnahme notwendig?
Sebastian Stiewe (Citypastoral Bonner Münster): Es ist tatsächlich jahrelang gutgegangen und man kann fast sagen, dass die Bettler bei uns am Bonner Münster zum Erscheinungsbild gehören. Es waren Obdachlose, die uns oftmals bekannt waren und regelmäßig dort standen, um den Alten und Schwachen die schwere Kirchentür zu öffnen. Das war ein gutes Miteinander und es herrschte auch Ordnung. Natürlich gab es ab und an auch mal Rangeleien, aber das ließ sich immer recht schnell vor Ort klären. Wir haben im Frühjahr dann festgestellt, dass es vermehrt Beschwerden von Besuchern und Touristen gab, die anmerkten, dass die Obdachlosen oftmals sehr stark alkoholisiert waren oder vielleicht unter Drogeneinfluss standen. Das deckte sich ein Stück weit auch mit unserer Wahrnehmung. So haben wir gemeinsam mit den Anlaufstellen vom Ordnungsamt, der Polizei und der Caritas eine Art Reglement aufgestellt, um ein Stück weit Ruhe und Ordnung hineinzubringen. Damit haben wir uns auch ganz klar für diese Bettler bei uns am Bonner Münster stark gemacht und positioniert. Es ist in den letzten Wochen allerdings wieder vermehrt zu Streitigkeiten bei den Bettlern untereinander gekommen. Die Personen waren auch wieder zunehmend alkoholisiert und letztendlich gab es Handgreiflichkeiten unter den Obdachlosen um den lukrativen Platz am Bonner Münster.
domradio.de: Das war also eine längere Entwicklung. Wie setzten Sie dieses Verbot denn jetzt durch?
Stiewe: Wir sind letztendlich in diesem Verbotsprozess tagtäglich von neuem wieder drin. Das bedeutet, es gibt immer wieder Bettler, die es probieren und sich vor das Münster stellen. Da gehen wir vor Ort auch in das Gespräch mit den Leuten und weisen sie darauf hin, dass derzeit dieses Aufenthaltsverbot gilt, was wir zunächst bis Ende August ausgesprochen haben.
domradio.de: Wie reagieren die Bettler? Das ist ja, Sie haben es gesagt, ein lukrativer Platz am Bonner Münster.
Stiewe: Man kann es in zwei Lager teilen. Zum einen gibt es Bettler, die Verständnis dafür zeigen, dass vielleicht andere unter ihnen aus der Reihe tanzen und dort für schlechte Stimmung gesorgt haben und auch letztendlich für unser Aufenthaltsverbot gesorgt haben. Diejenigen, die selber betroffen sind, zeigen sich empört und fragen uns, wie wir so etwas machen können. Für sie ist das ja auch eine Einnahmequelle. Man merkt aber auch von beiden Seiten, dass man gewillt ist, etwas zu tun und das zu verändern.
domradio.de: Aber wie kann man die Lage denn verändern? Sie können das Betteln jetzt verbieten, aber man hat doch nicht richtig Einfluss darauf, ob sich die Bettler untereinander wieder besser verstehen, oder?
Stiewe: Ja und Nein. Wir sind derzeit mit der Caritas im Gespräch und mit den Streetworkern, die hier tagtäglich mit diesen Menschen zu tun haben. Die können natürlich auf die Leute auch noch einmal ganz anders zugreifen und anders mit den Menschen sprechen. Da liegt unsere Hoffnung, dass wir gemeinsam mit der Caritas eine andere Form des Dialogs zu finden und deutlich zu machen, dass wir um eine gute Lösung bemüht sind. Wir wollen das in der Zukunft auch gerne wieder ermöglichen und gegen alle Kritik verteidigen, dass es an unseren Kirchentüren Bettler gibt.
Das Interview führte Heike Sicconi.