DOMRADIO.DE: Vor der ersten Versammlung im Januar 2020 haben Sie im Gespräch mit DOMRADIO.DE gesagt, man müsse sich der Verantwortung dieses Gremiums bewusst werden. Wenn Sie jetzt hinschmeißen, vergessen Sie da Ihre Verantwortung?
Dr. Wolfgang Picken (Stadtdechant von Bonn und ehemaliges Mitglied der Synodalversammlung): Ganz im Gegenteil. Es ist das letzte Mal die Möglichkeit, Verantwortung wahrzunehmen, indem man in die Synodalversammlung das Signal setzt, das dringend geboten ist, dass man anders miteinander umgeht, anders Dialog führt und auch Entscheidungen in der Weltkirche anders herbeiführt, als das in der Synodalversammlung getan wurde.
Wenn das meine einzige Intervention gewesen wäre, würde ich diese Rückfrage verstehen. Aber ich habe schon vor der ersten Synodalversammlung deutliche Kritik an verschiedenen strukturellen Dingen, auch an der inhaltlichen fehlenden Offenheit geäußert.
Dann habe ich mehrfach auch mit anderen Texte vorgelegt, die nicht einmal in dem Forum, dem ich angehöre und in der Synodalversammlung auf die Tagesordnung genommen oder diskutiert wurden. Das zeigt, dass man zwar einen Dialog führen will und auch in der deutschen Kirche muss, aber in diesem Prozess die Regeln des Dialogs und der Debattenkultur verletzt werden.
Ich bin auch der Auffassung, dass man viele Dinge übers Knie bricht und irgendwie mit dem Kopf durch die Wand will. Das möchte ich nicht mitverantworten.
DOMRADIO.DE: Das Forum "Macht und Gewaltenteilung" haben Sie ja vorher schon aufgegeben und Sie sind auch nicht bei jeder Vollversammlung dabei gewesen. Weshalb braucht es dann jetzt noch diesen Schritt, offiziell das Mandat niederzulegen?
Picken: Ich habe in der Tat, nachdem ich diese doch sehr klaren Erfahrungen von Dialogverweigerung am eigenen Leib erlebt habe, mich angekündigtermaßen aus der aktiven Mitarbeit zurückgezogen. Seitdem mache ich aber die Erfahrung, dass, egal wer innerhalb oder außerhalb der Synode ebenso kritische Worte und Stellungnahmen hineingibt, keinerlei Resonanz erzeugt.
Selbst eine Intervention des Papstes und ein Brief des Papstes und die Stellungnahme von drei Kardinälen, die schriftlich vorliegen, finden sich in der Tagesordnung des Synodalen Weges nicht wieder. Da sehe ich mich in meiner Einschätzung bestätigt. Ich will nicht leise ausscheiden, sondern noch einmal auf die Tagesordnung setzen, dass ich mir Dialog in der Kirche anders vorstelle. Auch Partizipation und Demokratie finden für mich normalerweise in anderer Form statt. Deshalb habe ich mich entschieden, weder zur letzten Versammlung zu gehen, noch weiter an dem Prozess teilzunehmen.
DOMRADIO.DE: Heißt das denn auch, dass Sie das Gefühl haben, dass dieser ganze Synodale Weg schon ein vorgezeichnetes Ende hat, auf das hingearbeitet wird und andere Meinungen dazu gar nicht mehr gehört werden wollen?
Picken: Das ist von Anfang an meine Erfahrung gewesen. Das fing ja schon damit an, dass die vier Foren so zusammengesetzt waren, dass Herr Sternberg und Herr Marx die Listen von 25 Leuten pro Forum zusammengestellt haben, ohne dass das mit irgendjemand anderem vorher diskutiert wurde. Man hatte eigentlich die Erwartung, dass die Vollversammlung diese 25 Namen, die einem großen Teil gar nicht bekannt waren, abstimmt und befürwortet.
Wir haben mit großer Anstrengung erreicht, dass in jedes Forum noch fünf Mitglieder der Vollversammlung zusätzlich gewählt werden. Das war gar nicht vorgesehen.
Da sieht man schon, dass bestimmte Personen auch in der Auswahl von Mitgliedern in den Foren Vorentscheidungen getroffen haben. Das hat sich in der Arbeit des Forums I. auch deutlich gezeigt. Man hatte gar keine Chance, sich inhaltlich durchzusetzen oder Gehör zu finden, weil durch die Zusammensetzung der Foren längst auch inhaltliche Entscheidungen getroffen waren.
DOMRADIO.DE: Sie haben eine Zweiklassengesellschaft beklagt, also dass Vertreter, die nicht zur Bischofskonferenz oder dem ZdK gehören, nicht gehört werden. Sie selber sind als Vertreter des Priesterrates im Erzbistum Köln berufen. Was sagen Sie denn jetzt den Kölner Priestern, denen Ihre Stimme in dem Gremium fehlt?
Picken: Ich habe kein imperatives Mandat. Ich muss am Ende meinem Gewissen gehorchen. Ich bin der Auffassung, dass wir auch als Priester unserer Diözese keine hinreichenden Einflussmöglichkeiten gehabt haben. Das ist ja nicht allein dadurch gegeben, dass ich da bin und die Stimme erheben kann, sondern dass wir auch die Möglichkeit haben, Prozesse und Inhalte mitzubestimmen. Genau daran aber wurde ich gehindert.
Mehr als die Hälfte aller Mitglieder der Synode und damit auch ich hatten kein passives Stimmrecht, weil wir nicht der Bischofskonferenz oder dem ZdK angehören. Das ist eigentlich unter Demokratiegesichtspunkten völlig undenkbar. Es ist traurig, dass eine Synode, die sich die Demokratisierung der Kirche zum Thema und zur Aufgabe gemacht hat, in ihrem eigenen Prozess diese Möglichkeiten der Partizipation umgeht.
Es war also nicht möglich, Impulse in die Prozesse und in die Weichenstellungen hinein zu geben, weil sie immer am Präsidium und an den Leitungen der Foren scheiterten. Am Ende hatte man den Eindruck, dass eigentlich ZdK und Bischofskonferenz von Anfang an entschieden hatten, das Heft in der Hand zu behalten und den Prozess auch entsprechend ihrer Vorgaben zu steuern.
DOMRADIO.DE: Es gibt viele konservative Stimmen, die sich in der Minderheit sehen. Letzte Woche sind schon vier prominente konservative Frauen aus dem Gremium ausgeschieden. Wäre es da nicht gerade jetzt wichtig, Flagge zu zeigen und zu bleiben?
Picken: Die Frage ist, welche Signale man setzen will, wenn man den Eindruck hat, dass man nicht gehört wird und dass man Teil eines Prozesses wird, der im Grunde von anderen vorgegeben ist. Dann ist es irgendwann eine Gewissensfrage, für sich zu entscheiden: Möchte ich das weiterhin mittragen? Ich will ganz deutlich sagen: Mir ist wichtig, dass es Reformen in der katholischen Kirche gibt. Aber sie müssen in einer ausgewogenen Debatte stattfinden.
Es ist in der deutschen Kirche dringend vonnöten, dass wir möglichst viele Leute mitnehmen, dass wir integrativ arbeiten. Wir müssen auch immer vor Augen haben, dass wir Teil einer Weltkirche sind. Deshalb ist die Abstimmung und die Rücksprache mit der Weltkirche dringend geboten und unverzichtbar.
Wir können nicht einfach deutsche Sonderwege gehen. Damit führen wir die Öffentlichkeit, aber auch die Kirchenmitglieder in die Irre. Wir hinterlassen Polarisierung und vor allen Dingen auch Enttäuschung. Das möchte ich nicht mittragen.
DOMRADIO.DE: Auf was für konkrete Veränderungen hoffen Sie denn in der Kirche und wie können die vielleicht auch umgesetzt werden?
Picken: Wichtig wäre beispielsweise gewesen, dass die Synode die verschiedenen Reformüberlegungen, die man hat, einzeln zur Diskussion und zur Abstimmung stellt. Das passiert nicht. Es werden vier Texte vorgelegt und man kann eigentlich nur entweder für die Texte im Ganzen oder gegen sie sein. Das verhindert, dass wichtige Reformanliegen, wie beispielsweise bestimmte Formen der Partizipation und der Kontrolle, nicht einzeln abgestimmt und umgesetzt werden können. Man ist immer gleich im Ganzen mitverhaftet.
Das finde ich problematisch und schwierig und ich kann nur hoffen, dass man in der Zeit nach dem Synodalen Weg versucht, die Aspekte, die umsetzbar sind, von denen, die als Thesen in die Diskussion der gesamten Weltkirche gegeben werden sollten, voneinander unterscheidet, damit bestimmte Reformwege auch die Chance haben, sich weiterzuentwickeln und umgesetzt zu werden.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.