Kardinal Müller zur Causa Wucherpfennig

"Brauchen unseren Standpunkt nicht zu ändern, weil er der richtige ist"

Für die dritte Amtszeit Pater Wucherpfennigs als Rektor der Hochschule Sankt Georgen bahnt sich eine Lösung an. Dazu muss der Generalobere des Jesuitenordens die Verantwortung für dessen Rechtgläubigkeit übernehmen. Kardinal Müller fürchtet einen faulen Kompromiss.

Gerhard Ludwig Kardinal Müller / © Lena Klimkeit (dpa)
Gerhard Ludwig Kardinal Müller / © Lena Klimkeit ( dpa )

DOMRADIO.DE: Pater Ansgar Wucherpfennig, Rektor der Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt, wurde vom Vatikan das "Nihil obstat" verwehrt. Jetzt gibt es Berichte darüber, dass es eventuell eine Einigung gibt. Wie beurteilen Sie den ganzen Fall?

Gerhard Ludwig Kardinal Müller (Früherer Präfekt der Römischen Glaubenskongregation): Wenn jemand in der kirchlichen Lehre tätig ist und führend an einer Hochschule arbeitet, wird von ihm verlangt, dass er den ganzen katholischen Glauben als Basis seiner wissenschaftlichen Auslegung akzeptiert. Deshalb gibt es auch das "Nihil obstat"-Verfahren für wichtige Stellen und Posten innerhalb der katholischen Akademie- und Universitätslandschaft.

Und bei dem konkreten Thema, das Sie ansprechen, muss man unterscheiden: Auf der einen Seite will man konkreten Personen, die sich in Schwierigkeiten befinden, helfen und auf der anderen Seite muss die Lehre klar dargestellt werden, die auf dem natürlichen Sittengesetz und dem offenbarten Glauben aufgebaut ist. Es gibt eine ganz klare Anthropologie, ein christliches Menschenbild und dazu gehört die Dualität von Mann und Frau.

Der Mann wird Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und sie werden ein Fleisch sein. Diese Grundwirklichkeit der Ehe ist nur für einen Mann und für eine Frau möglich. Personen gleichen Geschlechts können keine Ehe eingehen. Wenn Staaten von einer gleichgeschlechtlichen Ehe sprechen, ist das eine Etikettenfälschung und außerdem eine wesentliche Überschreitung ihrer Kompetenz. Denn Staaten können nicht die menschliche Natur definieren. Sie können die zeitlichen Angelegenheiten der Gesellschaft regeln, aber nicht die Gesetze der Moral bestimmen.

DOMRADIO.DE: Es gibt viele Länder in der Welt – Deutschland inzwischen auch –, die die homosexuelle Ehe, die Ehe für alle rechtlich akzeptieren. Müsste da die Kirche nicht auch sagen, wir ändern unseren Standpunkt bei dem Thema?

Müller: Wir brauchen unseren Standpunkt nicht zu ändern, weil er der richtige ist. Wir brauchen nicht einen falschen Standpunkt zu akzeptieren. Was die Ehe ist, kann nicht vom Staat definiert werden, denn es ist eine vorstaatliche Wirklichkeit. Der Staat kann auch nicht definieren, was eine menschliche Person ist, was die leibliche Existenz des Menschen ist. Der Staat kann sich in Ehe und Familie nicht einmischen. Er kann höchstens die Grundrechte garantieren und helfen, dass das eheliche und familiäre Leben in guten Konditionen verwirklicht werden kann.

Aber wir können es nicht akzeptieren, dass der Staat Kompetenzen in die Hand nimmt, die nach unserem Glauben nur Gott allein zukommen. Und deshalb muss die Rolle der Kirche hier eine kritische und prophetische sein und nicht eine schwächlich sich anpassende.

DOMRADIO.DE: Nun bezieht sich der Vorgang des "Nihil obstat" auf ein Interview, das schon vor zwei Jahren gegeben wurde. Hätte da nicht schon vorher eine Reaktion, meinetwegen eine Beschwerde, eingehen müssen?

Müller: Vielleicht hatte schon eine Reaktion stattgefunden oder hätte vom dortigen Bischof vielleicht stattfinden müssen, der ja vor Ort das kirchliche Lehramt wahrnimmt. Aber wenn dann das "Nihil obstat" in Rom angefragt wird, dann geht es um eine Prozedur der Bildungskongregation, die die Letztverantwortung hat, und der Glaubenskongregation, die hier noch einmal feststellt, ob das "Nihil obstat" vom Glauben und der Sittenlehre her gegeben werden kann oder nicht.

Ich meine, die Lehre der Kirche ist ja ganz klar im Katechismus der katholischen Kirche formuliert und in vielen anderen Dokumenten des Lehramtes auch von der Anthropologie her theologisch klar vermittelt. Und deshalb kann es an die Kirche eigentlich nicht die Forderung geben, sie müsste ihre Sexualmoral der angeblich modernen anpassen. Denn was die moderne Sexualmoral genannt wird, das gibt es ja schon im vorchristlichen und außerchristlichen Bereich lange vor dem Christentum. Insofern kann man nicht sagen, dass die katholische Lehre in irgendeiner Weise konservativ oder mittelalterlich wäre. Das ist wissenschaftlich und historisch gesehen ein unbegründeter Standpunkt und in Wirklichkeit eigentlich lächerlich.

DOMRADIO.DE: Es wird jetzt wohl einen Kompromiss geben, wie die "Herder Korrespondenz" berichtet. Pater Wucherpfennig kann wohl weiter auf seinem Posten bleiben, wenn der Jesuitenorden die Verwantwortung für seine Rechtgläubigkeit übernimmt. Wie stehen Sie zu so einem Kompromiss?

Müller: Ich fürchte, dass es wieder ein fauler Kompromiss ist. Für die Rechtgläubigkeit kann nicht der Jesuitenorden eintreten. Pater Wucherpfennig ist nicht der Leibeigene des Jesuitenordens, sondern eine eigenverantwortliche Persönlichkeit. Insofern muss er verantwortlich für seine Lehre eintreten.

Aber in letzter Zeit werden oft so faule Kompromisse gemacht, die der Kirche schwer schaden. Zum Beispiel auch in der Frage des Kommunionempfangs durch Personen, die nicht voll der katholischen Kirche angehören und im Stande der Gnade sind. Da kam zuerst von der Glaubenskongregation eine ganz klare Aussage, die voll mit der Lehre der Kirche übereinstimmt. Und dann gab es wieder so einen faulen Kompromiss, sodass dann theologisch ungelernte Personen auf die Idee gekommen sind, ein Bischof könne hier nach eigenem Gutdünken entscheiden. Aber ein Bischof kann Entscheidungen nur innerhalb der katholischen Glaubenslehre treffen. Es geht um die Applikation der katholischen Glaubenslehre auf einzelne Situationen.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Ansgar Wucherpfennig / © Christian Ender (dpa)
Ansgar Wucherpfennig / © Christian Ender ( dpa )

Der Eingangsbereich der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen / © Silas Stein (dpa)
Der Eingangsbereich der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen / © Silas Stein ( dpa )
Quelle:
DR
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