DOMRADIO.DE: Sie engagieren sich schon seit Jahren für den Frieden. Warum ist Ihnen dieses Friedensengagement so wichtig?
Edward Skubisz (Theologe, Gründer der Breslauer Stiftung Haus des Friedens für Mediation und Konflikttransformation und Forscher bei der Stiftung Kreisau für europäische Verständigung): Weil wir einander vernichten oder aber miteinander leben können. Es geht also um das tägliche Leben.
Da ist es einfach schöner, wenn wir einander begegnen können, als wenn wir einander vernichten. Aber auch der Glaube an Frieden, der Glaube daran, dass es möglich ist, Frieden zu realisieren, ist mir wichtig.
DOMRADIO.DE: Sie sind jemand, der die Erfahrungen, die er gesammelt hat, einsetzt. Sie haben zum Beispiel Ausstellungen gemacht über die verschiedenen Vertreibungen und damit Schulen besucht. Warum ist Ihnen diese Friedensarbeit für junge Leute besonders wichtig?
Skubisz: Wenn es um Geschichte geht, denken viele junge Leute an die Geschichte des Zweiten Weltkriegs, überhaupt Krieg im In- und Ausland, in den Niederlanden, Deutschland oder Polen. Das mag manchem dann sehr abstrakt erscheinen.
Aber andererseits leben sie auch mitten in verschiedenen Konflikten untereinander, zwischen verschiedenen Gruppen. Junge Leute erleben in der Hinsicht viele Schwierigkeiten.
Aber wenn sie imstande sind, darüber zu reden, dann sind sie auch imstande, die Situation zu verändern. Wenn sie imstande sind, über einen Konflikt zu reden, dann kämpfen sie nicht mit den Fäusten.
Aber auch, wenn es ein verborgenes Leid in einer persönlichen Geschichte wie der meinen gibt, über dieses Leid aber nicht gesprochen wird – dann ist es möglich, dass sich das Problem in einer neueren Generation wiederholt.
Wenn wir imstande sind, darüber zu reden, können wir das verhindern – deswegen ist mir diese Friedensarbeit wichtig.
DOMRADIO.DE: Sie kennen Vertreibung aus der Erfahrung Ihrer eigenen Familie. Sie haben gemerkt, welches Leid das verursacht.
Und Sie setzen sich jetzt schon seit fast 20 Jahren hier in Breslau für Friedensarbeit, für Frieden und Versöhnung, ein. Welche Motivation haben Sie?
Skubisz: Es gibt eine persönliche Motivation. Mein Vater wurde in Drohobytsch geboren, einer damals polnischen Stadt, die nach dem Krieg zur UdSSR gehörte und heute in der Ukraine liegt (im Zuge der sowjetischen Besetzung im Zweiten Weltkrieg verlor Polen seine heute ukrainischen, litauischen und belarussischen Gebiete, Anm. d. Red.).
Er ist ein polnischer Soldat gewesen, der mit der polnischen Armee in Frankreich, England und später auch in den Niederlande gekämpft hatte.
Nach dem Krieg konnte er jedoch nicht nach Hause fahren, weil sein Haus nicht mehr in Polen war.
Ich habe noch nicht einmal meine Großmutter kennenlernen dürfen, die mit ihrer Tochter von Drohobytsch nach Waldenburg, heute Wałbrzych in Polen, umziehen musste.
Aufgrund des Kalten Krieges war es uns nicht möglich, nach Polen zu fahren. Erst später habe ich dann meine Familie kennen gelernt und die polnische Geschichte verstanden.
Das ist nicht nur für mich persönlich wichtig gewesen, sondern ließ mich auch verstehen, wie wichtig es ist, dass Polen und Deutsche zusammen über die Vergangenheit reden können.
DOMRADIO.DE: Das zusammen Reden ist ganz wichtig. Wenn Sie eine Botschaft für junge Leute hätten, wie würde die lauten?
Skubisz: Wir sind imstande, den Frieden zu realisieren, wenn wir imstande sind, miteinander zu kommunizieren, einander in die Augen zu schauen und zuzuhören, aber auch sich anzustrengen, gut zu kommunizieren – damit ich höre, was du brauchst, aber auch du hörst, was ich brauche.
Es gibt konkrete Instrumente, die wir den Menschen dafür an die Hand geben können, und sie brauchen das.
DOMRADIO.DE: Ist Friede eher ein Geschenk Gottes oder ist es eher eine Sache, die man erarbeiten muss?
Skubisz: Beides, es ist eine Mission.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.
Information der Redaktion: Alle Informationen zur Rad-Pilger-Tour für den Frieden finden Sie hier.