Schweidnitzer Friedenskirche ist ein lebendiger Friedensort

Deutsch-polnische Versöhnung und Flüchtlingshilfe

1989 beteten Helmut Kohl und Tadeusz Mazowiecki in der Friedenskirche Schweidnitz um Versöhnung. DOMRADIO.DE-Pilger Ingo Brüggenjürgen trifft dort Bischof Waldemar Pytel. Der war damals selbst dabei und wirbt auch heute für Frieden.

Der ev. Bischof von Breslau und Pfarrer der Friedenskirche Schweidnitz, Waldemar Pytel mit Ingo Brüggenjürgen / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Der ev. Bischof von Breslau und Pfarrer der Friedenskirche Schweidnitz, Waldemar Pytel mit Ingo Brüggenjürgen / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )

DOMRADIO.DE: Ist es eine wundervolle Aufgabe, hier Pfarrer zu sein?

Waldemar Pytel (Breslauer Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Pfarrer der Schweidnitzer Friedenskirche und Ratsmitglied der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung): Das ist mir nicht nur eine große Freude, sondern bedeutet auch stets eine große Verantwortlichkeit für mich.

Seit über 30 Jahren bin ich hier nicht nur Pfarrer und baue die Gemeinde auf, sondern setze mich darüber hinaus auch für Versöhnung und Frieden ein. Das ist eine für mich sehr wichtige Aufgabe.

DOMRADIO.DE: Die Kirche und die christliche Botschaft stehen für Frieden und Versöhnung. Wie leben Sie das hier?

Pytel: Das ist eine gute Frage, gerade angesichts des Kriegs in der Ukraine. Unser Engagement besteht vor allem, aber nicht nur, in der Hilfe für die Ukraine.

Tadeusz Mazowiecki, hier beim internationalen Renovatio-Kongress 1999, war ein bedeutender katholischer Publizist und der erste nicht-kommunistische Ministerpräsident Polens (KNA)
Tadeusz Mazowiecki, hier beim internationalen Renovatio-Kongress 1999, war ein bedeutender katholischer Publizist und der erste nicht-kommunistische Ministerpräsident Polens / ( KNA )

Ganz konkret haben wir in der Gemeinde Geflüchtete, 22 Mütter mit Kindern, aufgenommen und mit Wohnungen versorgt. Zudem organisieren wir auch als Diözese Hilfe für die Ukraine, beispielsweise auch durch Konzerte.

So veranstalteten wir beispielswiese das Konzert "24 Stunden nonstop für den Frieden" hier in der Schweidnitzer Friedenskirche für Frieden und Versöhnung in der Ukraine, aber auch für Frieden für Europa und die Welt.

Waldemar Pytel

"Wir haben um Frieden und Versöhnung zwischen Polen und Deutschland gebetet."

Unser Engagement für Frieden und Versöhnung begann im Jahr 1989 mit dem Treffen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und Ministerpräsident Mazowiecki hier in der Schweidnitzer Friedenskirche.

Wir haben um Frieden und Versöhnung zwischen Polen und Deutschland gebetet. Dann sind wir zusammen nach Kreisau gefahren und haben dort die berühmte Versöhnungsmesse gefeiert.

Versöhnungsmesse in Kreisau

Am 12. November 1989 fand im Innenhof des historischen Gebäudekomplexes in Kreisau (bekannt für die NS-Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke, Anm. d. Red.) eine Messe statt, in deren Rahmen der polnische Premierminister Tadeusz Mazowiecki und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl den Friedensgruß austauschten, indem sie sich umarmten. Auf diese Weise setzten sie ein Zeichen der Versöhnung.

Schloss Kreisau in Krzyżowa, früher Kreisau, im polnischen Niederschlesien, in dem der von den Nationalsozialisten hingerichtete Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke 1907 geboren und getauft wurde / © Michael Grau (epd)
Schloss Kreisau in Krzyżowa, früher Kreisau, im polnischen Niederschlesien, in dem der von den Nationalsozialisten hingerichtete Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke 1907 geboren und getauft wurde / © Michael Grau ( epd )

Im Laufe der Jahre hatten wir in der Friedenskirche viele Veranstaltungen organisiert, zum Beispiel mit Angela Merkel, mit unserer früheren Ministerpräsidentin, mit dem Dalai Lama.

Aber auch eine riesige Friedensbegegnung, bei der wir als vier größte Religionen einen gemeinsamen Appell unterzeichnet haben, fand hier vor acht Jahren statt.

DOMRADIO.DE: Also wirklich ein Ort des Friedens, von Anfang an bis in die heutige Zeit, wenn wir in die Welt gucken, sie haben gesagt, sie ist unfriedlich.

Christen müssen ihrer Versöhnungsaufgabe immer wieder aufs Neue gerecht werden.

Was können Christen eigentlich machen, wenn die Welt trotzdem so zerrüttet ist? Sie beten, sie handeln. Was können Sie noch machen? 

Pytel: Ich denke, dass wir bei uns selbst anfangen sollten. Denn habe ich Frieden mit Gott, kann ich auch Frieden an andere Menschen weitergeben, Frieden in der Familie, der Gemeinde und der Gesellschaft schaffen.

So kann der große Friede Wirklichkeit werden. Manche sagen, dass es um den Frieden zu kämpfen gilt.

Ich hingegen denke, dass Frieden ein sehr großes Geschenk ist. Gott gibt uns Frieden, Frieden für unsere Seele und Herzen.

Deshalb sollen wir als Christen Zeugen des Friedens sein und anderen Menschen, aber auch Politikern, zeigen, dass wir so leben dürfen und sollen.

DOMRADIO.DE: Wenn die Deutschen nach Polen schauen, dann sehen sie, wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen werden, wie engagiert gerade Polen in der Frage ist.

Auf der anderen Seite haben die Polen früher, als die anderen Flüchtlinge übers Mittelmeer kamen, doch eher die Grenzen dichtgemacht. Woher kommt dieser Sinneswandel? 

Pytel: Wir als Polen werden sehr emotional, wenn wir sehen, dass unsere Nächsten in der Ukraine von Russland bedroht werden (in der Geschichte Polens kam es wiederholt zu Angriffen, Besetzungen und Aufteilungen durch Russland, Anm. d. Red.).

Die Schweidnitzer Friedenskirche ist ein UNESCO-Weltkulturerbe / © Cezary Wojtkowski (shutterstock)
Die Schweidnitzer Friedenskirche ist ein UNESCO-Weltkulturerbe / © Cezary Wojtkowski ( shutterstock )

Dann wissen wir sofort, dass wir helfen müssen. Auf der anderen Seite ist es unverständlich, dass wir Angst davor haben, wenn über Belarus Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen.

Interessanteweise möchten die meisten dieser sogenannten anderen Flüchtlinge aber nicht in Polen bleiben – die Ukrainer schon, aber die anderen nicht.

Sie nehmen uns als Transitland wahr. Mit dem Thema wird aber auch einfach viel Politik gemacht, die ganz normalen Leute denken nicht so.

Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.

Information der Redaktion: Alle Informationen zur Rad-Pilger-Tour für den Frieden finden Sie hier.

DOMRADIO.DE-Chefredakteur auf Rad-Pilger-Tour für den Frieden

Die multimediale " Rad-Pilger-Tour für den Frieden", eine Zusammenarbeit vom DOMRADIO.DE mit dem Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken, führt in diesem Jahr vom Kölner Dom bis ins polnische Breslau. Für jeden gestrampelten Fahrradkilometer spendet das Bonifatiuswerk einen Euro an den Flüchtlingsdienst der Jesuiten, insgesamt also 1.225 Euro. Die Aktion unterstützten kann man bequem per Online-Spendenformular (hier klicken).

Ingo pilgert / © Ingo Brüggenjürgen (DR)
Ingo pilgert / © Ingo Brüggenjürgen ( DR )
Quelle:
DR