DOMRADIO.DE: Ist es eine wundervolle Aufgabe, hier Pfarrer zu sein?
Waldemar Pytel (Breslauer Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen, Pfarrer der Schweidnitzer Friedenskirche und Ratsmitglied der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung): Das ist mir nicht nur eine große Freude, sondern bedeutet auch stets eine große Verantwortlichkeit für mich.
Seit über 30 Jahren bin ich hier nicht nur Pfarrer und baue die Gemeinde auf, sondern setze mich darüber hinaus auch für Versöhnung und Frieden ein. Das ist eine für mich sehr wichtige Aufgabe.
DOMRADIO.DE: Die Kirche und die christliche Botschaft stehen für Frieden und Versöhnung. Wie leben Sie das hier?
Pytel: Das ist eine gute Frage, gerade angesichts des Kriegs in der Ukraine. Unser Engagement besteht vor allem, aber nicht nur, in der Hilfe für die Ukraine.
Ganz konkret haben wir in der Gemeinde Geflüchtete, 22 Mütter mit Kindern, aufgenommen und mit Wohnungen versorgt. Zudem organisieren wir auch als Diözese Hilfe für die Ukraine, beispielsweise auch durch Konzerte.
So veranstalteten wir beispielswiese das Konzert "24 Stunden nonstop für den Frieden" hier in der Schweidnitzer Friedenskirche für Frieden und Versöhnung in der Ukraine, aber auch für Frieden für Europa und die Welt.
Unser Engagement für Frieden und Versöhnung begann im Jahr 1989 mit dem Treffen des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl und Ministerpräsident Mazowiecki hier in der Schweidnitzer Friedenskirche.
Wir haben um Frieden und Versöhnung zwischen Polen und Deutschland gebetet. Dann sind wir zusammen nach Kreisau gefahren und haben dort die berühmte Versöhnungsmesse gefeiert.
Im Laufe der Jahre hatten wir in der Friedenskirche viele Veranstaltungen organisiert, zum Beispiel mit Angela Merkel, mit unserer früheren Ministerpräsidentin, mit dem Dalai Lama.
Aber auch eine riesige Friedensbegegnung, bei der wir als vier größte Religionen einen gemeinsamen Appell unterzeichnet haben, fand hier vor acht Jahren statt.
DOMRADIO.DE: Also wirklich ein Ort des Friedens, von Anfang an bis in die heutige Zeit, wenn wir in die Welt gucken, sie haben gesagt, sie ist unfriedlich.
Christen müssen ihrer Versöhnungsaufgabe immer wieder aufs Neue gerecht werden.
Was können Christen eigentlich machen, wenn die Welt trotzdem so zerrüttet ist? Sie beten, sie handeln. Was können Sie noch machen?
Pytel: Ich denke, dass wir bei uns selbst anfangen sollten. Denn habe ich Frieden mit Gott, kann ich auch Frieden an andere Menschen weitergeben, Frieden in der Familie, der Gemeinde und der Gesellschaft schaffen.
So kann der große Friede Wirklichkeit werden. Manche sagen, dass es um den Frieden zu kämpfen gilt.
Ich hingegen denke, dass Frieden ein sehr großes Geschenk ist. Gott gibt uns Frieden, Frieden für unsere Seele und Herzen.
Deshalb sollen wir als Christen Zeugen des Friedens sein und anderen Menschen, aber auch Politikern, zeigen, dass wir so leben dürfen und sollen.
DOMRADIO.DE: Wenn die Deutschen nach Polen schauen, dann sehen sie, wie viele Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen werden, wie engagiert gerade Polen in der Frage ist.
Auf der anderen Seite haben die Polen früher, als die anderen Flüchtlinge übers Mittelmeer kamen, doch eher die Grenzen dichtgemacht. Woher kommt dieser Sinneswandel?
Pytel: Wir als Polen werden sehr emotional, wenn wir sehen, dass unsere Nächsten in der Ukraine von Russland bedroht werden (in der Geschichte Polens kam es wiederholt zu Angriffen, Besetzungen und Aufteilungen durch Russland, Anm. d. Red.).
Dann wissen wir sofort, dass wir helfen müssen. Auf der anderen Seite ist es unverständlich, dass wir Angst davor haben, wenn über Belarus Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen.
Interessanteweise möchten die meisten dieser sogenannten anderen Flüchtlinge aber nicht in Polen bleiben – die Ukrainer schon, aber die anderen nicht.
Sie nehmen uns als Transitland wahr. Mit dem Thema wird aber auch einfach viel Politik gemacht, die ganz normalen Leute denken nicht so.
Das Interview führte Ingo Brüggenjürgen.
Information der Redaktion: Alle Informationen zur Rad-Pilger-Tour für den Frieden finden Sie hier.