DOMRADIO.DE: Ist der Synodale Weg, der beschritten wird, die Vorbereitung für eine Reform der katholischen Kirche?
Gregor Podschun (Bundesvorsitzender des Jugenddachverbandes BDKJ): Ich glaube schon, dass der Synodale Weg tatsächlich Vorbereitung zur Reform sein kann, unter der Voraussetzung, dass die Synodalen erkennen, dass sie gegen die Machtsysteme der katholischen Kirche opponieren müssen. Und damit meine ich jetzt nicht nur die Laiinnen und Laien, sondern auch die Kleriker, die erkennen müssen, dass sie gegen Rom, gegen die Machtsysteme wirken, tatsächlich ankämpfen müssen.
Dann hat, glaube ich, der Synodale Weg tatsächlich Chancen, auch was zu verändern, insbesondere für die katholische Deutschland hier in Deutschland und möglicherweise als Vorbild für die Weltkirche.
Aber ich schränke das ein. Bisher sieht es so aus, als ob die Texte doch Kompromisslösungen sind. Wenn ich lese, dass oft von der Wiedererlangung des Vertrauens oder der Glaubwürdigkeit in der katholischen Kirche die Rede ist oder sich Laiinen und Laien selbst in Machtzugeständnissen, schon in den Texten begrenzen, dann kann die Hoffnung fast wieder schwinden. Da müssen wir versuchen, im Laufe der Versammlung noch den Dreh reinzubekommen.
DOMRADIO.DE: Es steht an, dass Texte in zweiter Lesung beraten werden und mögliche Beschlüsse des Synodalen Weges gefasst werden. Da geht es also um Macht und Gewaltenteilung in der Kirche. Es geht auch um Einbeziehung der Gläubigen in die Bestellung des Diözesanbischofs. Was könnte denn vielleicht beschlossen werden?
Podschun: Die Idee ist natürlich, die Macht und auch die Gewalt von Klerikern, insbesondere von Bischöfen, zu begrenzen und zu teilen, so wie wir das ja aus staatlichen und gesellschaftlichen Systemen kennen, aber natürlich auch aus den katholischen Jugendverbänden, wo wir auch demokratisch organisiert sind. Die Hoffnung ist, dass sie beschließen, dass diese Machtfülle, die ja bisher vor allen Dingen bei den Bischöfen sozusagen in einer Person liegt, die gesetzgebende, ausführende und juristische Gewalt hat, aufgeteilt wird.
Dazu gehört unter anderem auch, dass auch bei der Bestellung von Priestern in Gemeinden, aber auch von Bischöfen, Laiinnen und Laien zumindest ein Mitspracherecht eingeräumt wird. Da würde ich mir bedeutend mehr wünschen. Da können wir die demokratischen Möglichkeiten, die es gibt, bedeutend weiter ausschöpfen. Darüber wird zu diskutieren sein.
DOMRADIO.DE: Es gibt einen Leitfaden für gute Kommunikation und Konfliktgestaltung bei Veranstaltungen des Synodalen Weges. Unter anderem steht da: "Drei Verben des Synodalen Weges: begegnen, zuhören, unterscheiden." Was soll Ihrem Verständnis nach da unterschieden werden?
Podschun: Der Leitfaden ist daraus geboren, dass es bei dem Synodalen Weg Ereignisse gab, bei denen Menschen, die Macht in der Kirche innehaben, andere Menschen vielleicht unbewusst bedroht haben, aber zumindest Grenzen überschritten haben. Das bedeutet, man soll sensibler in seiner Kommunikation sein und sich vor allen Dingen seiner Rolle bewusst werden. Und das ist, glaube ich, die Unterscheidung, die getroffen werden muss. Dass ich mir bewusst werde: In welcher Rolle bin ich hier auf dem Synodalen Weg und welche Machtfülle habe ich inne?
Es gibt viele Bischöfe, die beispielsweise auch in der Aktion #OutInChurch geäußert haben, dass sie gerne auf den Synodalen Weg warten, dass es da diskutiert wird.
Aber wie Mara Klein - auch eine Delegierte des Synodalen Wegs - gesagt hat: Die Bischöfe haben faktisch jetzt die Macht. Die haben auch die Macht, den Fortgang des Synodalen Weges zu bestimmen, indem sie eine Zweidrittelmehrheit einsetzen können.
Dessen müssen sie sich in sämtlicher Kommunikation, auch der informellen, in Pausen, bewusst werden. Das ist ein Punkt, wo sie sozusagen interpretieren und unterscheiden müssen.
DOMRADIO.DE: Kann es auch um eine Unterscheidung zwischen "machbar" und "absolut unmöglich" gehen?
Podschun: Darum kann es auch gehen. Wir versuchen auch unter anderem Mehrheiten zu gewinnen. Und ich glaube, wir müssen auf dem Synodalen Weg sehr gut unterscheiden: Was sind die roten Linien, die uns vorgegeben sind?
Wir haben die MHG-Studie, die uns die Risikofaktoren sexualisierter Gewalt sehr eindeutig benennt. Und die Frage, die wir unterscheiden müssen oder die wir beantworten müssen, ist: Können wir auch Texte beschließen, die hinter diesen Anforderungen der MHG-Studie zurückbleiben?
Wäre es möglich, dann zumindest eine kleine Reform, ein Reförmchen, zu beschließen, aber die Risikofaktoren nicht zu beseitigen? Oder sagt man, man nimmt es in Kauf, dass man sichtbar macht: Die Kirche ist nicht bereit, diese Reform zu gehen und beschließt diesen Text möglicherweise auch nicht. Auch das wird sich im Laufe der Versammlung zeigen müssen, als Aushandlungsprozess und anhand des Abstimmungsergebnisses, was am Ende stehen wird.
DOMRADIO.DE: Am Samstag gibt es um 15 Uhr noch mal einen Einhalt zum Aufbruch und nach den Schlussworten dann das Ende der Synodalversammlung. Was würden Sie denn gerne sehen und was möchten Sie dann mit nach Hause nehmen?
Podschun: Ich erwarte, dass die Bischöfe, alle Weihbischöfe und die Diözesanbischöfe ganz klar Stellung beziehen, dass sie sich ganz klar und auch radikal zu Reformen bekennen. Ich glaube, das ist jetzt notwendig, insbesondere nach der Veröffentlichung des letzten Gutachtens in München und Freising.
Wenn das nicht geschieht und die Bischöfe versuchen, theologisch-anthropologisch zu diskutieren, obwohl wir beispielsweise humanwissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse zu Menschen haben, das wegzudiskutieren oder auf die Weltkirche zu verweisen, dann wäre ich arg enttäuscht und sehe auch tatsächlich die Reform des Synodalen Weges als gescheitert an. Ich glaube, es braucht ein klares Bekenntnis, was sich auch in Abstimmungsergebnissen zeigen muss, um tatsächlich in der Kirche in Deutschland Leid verhindern zu können.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.