domradio.de: Wo waren Sie am Morgen, als die Anschläge passiert sind?
Johanna Touzel (Sprecherin der Kommission der europäischen Bischofskonferenzen Comece): Ich war gerade im Büro angekommen, wir sind hier im Square de Meeûs im Zentrum von Brüssel. Der Morgen war ganz ruhig und sonnig und man hätte überhaupt nicht so was erwartet, so einen Horror einfach. Ich hatte selber den Zug genommen und bin über Zaventem (Name des Brüsseler Flughafens, Anm. d. Red.) mit dem Zug gefahren und auch über Schuman-Bahnhof (Nähe Haltestelle Maelbeek, Anm. d. Red.) und dann habe ich erfahren, was passiert ist. Dann hat wirklich auch der Stress angefangen, denn die Kollegen kamen nach und nach an und wir wussten nicht, wie es ihnen geht. Eine Kollegin ist mit dem Fahrrad über die Maelbeek -U-Bahn-Station gefahren und hat da verbrannte Menschen gesehen. Sie war unter Schock. Der letzte Kollege kam dann zu Fuß, er hätte beinahe auch die Metro genommen und wäre dann in dieser Metro gewesen, die explodiert ist. Wir sind alle unter Schock, weil wir auch so was ganz nah erlebt haben, aber uns geht es gut, Gott sei Dank.
domradio.de: Wie verarbeiten Sie das? Gibt es Hilfe jetzt bei ihnen im Büro?
Touzel: Nein, wir sind einfach mit dem Team alle zusammen und wir bleiben ruhig, aber das braucht etwas Zeit bis man das verdaut. Im Moment sind die Zahlen noch nicht bekannt, wie viele Tote es in der Metro gibt, aber ich vermute das wird vielleicht sogar schlimmer als im Flughafen. Das ist in der Mitte vom Europäischen Viertel. Wir haben viele Bekannte, Freunde, die auch in den EU-Institutionen arbeiten und wir erfahren jetzt nach und nach über die sozialen Netzwerke wer "safe", wer okay ist. Ich war gerade jetzt draußen am Luxemburger Platz, wo sich das europäische Parlament befindet und da war die Stimmung ziemlich ruhig. Leute laufen auf der Straße, aber man hört Hubschrauber und Polizeiautos. Man fühlt, die Situation ist sehr angespannt, was die Polizei betrifft.
domradio.de: Wir bekommen das ja nur aus weiter Entfernung, hören, dass die Brüsseler aufgerufen sind, drinnen zu bleiben. Wie erleben Sie die Stadt?
Touzel: Ziemlich ruhig, man sieht nur ein ziemliches Verkehrchaos, das ist das Problem mit Brüssel, dass die Stadt sowieso immer im Verkehrchaos ist. Wenn jetzt viele Tunnel geschlossen sind und die Stadt geschlossen ist, dann wird es problematisch. Ich selber weiß nicht, ob ich am Abend mit dem Zug nach Hause fahren kann oder ob ich hier übernachten muss. Wir werden schauen, wie sich das entwickeln.
domradio.de: Als Sprecherin der europäischen Bischofskonferenz - haben sie da Kontakt zu Vertretern der Kirche, gibt es schon Reaktionen?
Touzel: Ja, es gibt Reaktionen von Kardinal Marx. Einige Bischöfe haben uns hier in Brüssel angerufen, um zu erfahren, ob wir okay sind. Wir bekommen viele Nachfragen von Leuten, die mit uns arbeiten und besorgt sind.
domradio.de: Wie gehen Sie mit der Angst jetzt um?
Touzel: Wir waren schon gewarnt, dass die Situation angespannt ist. Wir waren schon im November in Brüssel in höchster Alarm-Stufe und die ganze Stadt war ja im Kriegszustand und deswegen sind wir schon daran gewöhnt, dass es angespannt ist. Dieser Terrorist (Salah Abdeslam, Anm.d.Red.) wurde ja am Freitag festgenommen und ganz Belgien war schon etwas erleichtert und froh, dass er festgenommen worden ist. Wir wussten schon von Experten, dass es auch das Signal ist für Gegenattacken von Terroristen und das so etwas passieren könnte, das wussten schon viele Spezialisten.
Das Interview führte Silvia Ochlast.