DOMRADIO.DE: Sie waren maßgeblich an der Organisation dieses Tages heute beteiligt. Welches Signal soll heute im besten Fall von Köln ausgehen?
Wolfgang Uellenberg-van Dawen (Runder Tisch für Integration): Das Signal soll sein: Wir sind für eine humanitäre Flüchtlingspolitik. Wir wenden uns gegen den Alltagsrassismus, gegen Hetze und gegen Verunglimpfung. Wir sind für die Demokratie und für ein solidarisches Zusammenleben in unserer Stadt.
DOMRADIO.DE: Sie demonstrieren für die Rechte der Geflüchteten und stellen sich gegen Rechtsextremismus. Wir haben die verstörenden Bilder aus Chemnitz noch vor Augen. Sind Begriffe, wie Menschenwürde und Demokratie, gerade gefährdeter denn je?
Uellenberg-van Dawen: Ich glaube schon. Es heißt, die Würde des Menschen ist unantastbar, und der zweite Satz heißt, sie zu schützen, verpflichtet alle staatliche Gewalt. Was wir im Moment erleben in Chemnitz und leider auch anderswo, ist, dass der Staat dieser Schutzverantwortung nicht mehr nachkommt.
Wir haben allein in diesem Jahr bereits wieder 718 Übergriffe auf Geflüchtete, sei es alltägliche Übergriffe oder wie ein Übergriff in Halle, wo jemand einen Hund auf eine Äthiopierin losgelassen hat.
Das löst eigentlich wenig Empörung aus, aber zeigt doch ein Staatsversagen – genau dort, wo der Staat am meisten gefordert ist, nämlich die Schutzsuchenden und die Schwächsten zu schützen.
Das macht schon nachdenklich und gefährdet auch unsere Demokratie. Denn zu einer Demokratie gehört auch ein handlungsfähiger Rechtsstaat.
DOMRADIO.DE: Wo liegen denn die Fehler des Staates Ihrer Meinung nach?
Uellenberg-van Dawen: Ich glaube, die Fehler des Staates liegen darin, dass er oftmals eine andere Politik verfolgt, als eine Mehrheit der Menschen begreifen und nachvollziehen kann. Es gibt hier – ich nehme jetzt die Stadt Köln – über 70 Willkommens-Initiativen.
Es gibt nach wie vor ein ganz großes Engagement Geflüchtete aufzunehmen, pragmatisch Lösungen zu finden, mit Problemen umzugehen und auch zu sagen, wo Grenzen sind. Parallel dazu wird immer stärker die Abschiebung forciert.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat jetzt einen Plan aufgelegt, wo Leute gar nicht mehr in die Städte kommen und lange Zeit in den Aufnahmeeinrichtungen gelassen werden sollen.
Das heißt, es gibt eine Entwicklung einerseits in der Stadtgesellschaft und andererseits eine Sicherheitsbürokratie, die etwas ganz anderes will. Das zerstört auch viel Vertrauen und macht die alltägliche Arbeit sehr schwierig.
DOMRADIO.DE: Daher auch das Motto für heute: Aufnehmen statt abschotten, hierbleiben statt abschieben, Solidarität statt Hetze. Wo stellen Sie denn die größten Widerstände fest, diese Forderungen auch durchzusetzen?
Uellenberg-van Dawen: Die größten Widerstände, diese Forderungen durchzusetzen, gibt es ja mittlerweile auf der europäischen Ebene. Wir haben eine totale Spaltung Europas und sehen in diesen Tagen voller Sorge und voller Angst nach Idlib.
Dort drohen drei Millionen Männer, Frauen und Kinder – unschuldige Zivilisten – in einem in einer fürchterlichen Schlacht unterzugehen. Und was macht Europa? Was macht die Bundesregierung? Die diskutieren über den Einsatz der Bundeswehr, anstatt Schiffe oder Flugzeuge zu schicken und die Zivilisten dort rauszuholen.
Sie könnten hier nach Europa kommen, vernünftig verteilt werden, dass auch die halbe Milliarde Europäer gut mit ihnen leben kann. Und da wird abgeschottet. Es wehren sich Ungarn und Italien.
Das Schlimme ist, dass dieser Rechtspopulismus zunimmt und an Unterstützung gewinnt. Wenn man sich die Politik demokratischer Parteien ansieht, dann sieht man, dass Sie mal dem Rechtspopulismus widerstehen und mal nachgeben. Da sehe ich derzeit die größten Schwierigkeiten und Probleme.
DOMRADIO.DE: Sie und ihre Mitstreiter sagen, dass man Flüchtlingen helfen müsste, sich hier zurechtzufinden und Integration von Anfang an stattfinden muss. Was bedeutet das?
Uellenberg-van Dawen: Was wir derzeit erleben, ist eine Politik, die Flüchtlinge möglichst lange in sogenannten Ankerzentren oder Erstaufnahmeeinrichtungen lässt, Frauen und Kinder bis zu sechs Monate. Dort gibt es keine Beschulung, dort gibt es ein absolutes Arbeitsverbot.
Die Menschen sind auf sich selbst zurückgeworfen. Die Helferinnen und Helfer können dort nicht hingehen, dafür bräuchten sie eine Erlaubnis. Das heißt Menschen, die durch die Flucht schon genug traumatisiert sind, werden eigentlich eine ganze Zeit lang von dieser Gesellschaft ausgesperrt.
Die ehrenamtliche, wie auch die professionelle Arbeit setzt zu einem viel späteren Zeitpunkt ein. Und da sehe ich ganz große Probleme für die Integration auf uns zukommen.
Je früher jemand integriert wird und je früher jemand auch eine freiheitliche Gesellschaft, Solidarität erlebt und natürlich auch gefordert wird sich auf die eigenen Beine zu stellen, desto schneller gelingt Integration. Integration heißt sich auf die eigenen Beine zu stellen und selbstverantwortlich leben zu können.
DOMRADIO.DE: Wir schauen auf den Tag heute. Um 14 Uhr steigt die Kundgebung auf dem Roncalliplatz neben dem Kölner Dom. Danach geht die Demo los zum Heumarkt. Was ist da geplant?
Uellenberg-van Dawen: Zunächst sprechen unter anderem Gregor Stiels, der Vorsitzende des Katholikenausschusses und auch Rolf Domning vom Evangelischer Stadtkirchenverband Köln und Region.
Wir laufen dann zusammen zum Heumarkt, wo viele Künstler, Bands und Redner auf der Bühne sind. Es gibt Musik, Kultur, Reden und Kabarett. Auch die Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist da. Wir lassen diesen Tag hoffentlich mit einem schönen solidarischen, fröhlichen Fest ausklingen.
Das Gespräch führte Carsten Döpp.