Am Sonntag stimmen die Einwohner in Münster in einem Bürgerentscheid über verkaufsoffene Sonntage ab. Zur Abstimmung steht die Frage, ob ein Ratsbeschluss vom Mai diesen Jahres aufgehoben werden soll, der acht Sonntagsöffnungen vorsieht: zwei im Advent 2016, sechs weitere in den Jahren 2017 bis 2019 jeweils anlässlich des Hansetags und des "Herbstsends", der großen Kirmes auf dem Schlossplatz. Rund 247.000 Wahlberechtigte können also Basisdemokratie ausüben. Doch bislang fand das Anliegen wenig Resonanz in der Stadt.
Schutz des Sonntags im Fokus
Initiiert hat den Bürgerentscheid ein Bündnis, zu dem die Gewerkschaft Verdi und kirchliche Gruppen gehören. Die Initiative "Freier Sonntag für Münsteraner" argumentiert, der freie Sonntag verkörpere "die Freiheit des Menschen von einer rein wirtschaftlich orientierten Lebensweise". Er verschaffe den Menschen "verlässliche gemeinsame Zeiten für die Gestaltung von Familienleben und Freundschaften und zur Pflege gesellschaftlicher, sportlicher, kultureller und religiöser Aktivitäten". Schon jetzt könnten Geschäfte von Montag bis Freitag von 0 Uhr bis 24 Uhr öffnen und am Samstag von 0 Uhr bis 22 Uhr. Das sei genug.
Die Ansicht teilen auch offizielle Kirchenvertreter. So sagte der Münsteraner Weihbischof Stefan Zekorn, der Sonntag trage für viele Menschen sehr zur Qualität ihres Zusammenlebens bei. "Wir brauchen den Sonntag als einen Tag der gemeinsamen Unterbrechung im Alltag. Von freien Sonntagen sollten daher möglichst wenig Ausnahmen gemacht werden; der Schutz des Sonntags sollte grundsätzlich erhalten bleiben."
Auswirkungen des Internethandels
Der Beschluss für die Sonntagsöffnungen in den kommenden Jahren war mit den Stimmen von CDU, Grünen und FDP zustande gekommen. Sie und die Kaufleuten verweisen auf eine verschärfte Wettbewerbssituation, etwa durch den Internethandel. Die SPD dagegen unterstützt das Anliegen der Gegner.
Auch vom Verwaltungsgericht Münster bläst den Befürwortern der Wind ins Gesicht. Dieses hatte durch zwei einstweilige Anordnungen im August und September einen verkaufsoffenen Sonntag im Stadtteil Hiltrup am 27. November anlässlich eines "Lichterfestes" und einen weiteren im Stadtbezirk Münster-Mitte am 30. Oktober zum "Herbstsend" verboten. In einem dritten Verfahren machte es gleich vier Öffnungen an einer Einfallstraße zur City an Adventssonntagen in den Jahren 2016 bis 2019 zunichte.
Die Rechtsanforderungen für eine Ladenöffnung seien nicht eingehalten worden, urteilte das Gericht. Eine sonntägliche Öffnung von Verkaufsstellen sei laut Gesetz nur dann ausnahmsweise hinnehmbar, wenn sie Anhang für ein Fest oder einen traditionellen Markt ist. Die Stadt habe keine Abschätzung vorgenommen, ob ein durch die Veranstaltung selbst ausgelöster Besucherstrom die Zahl der Personen übersteige, die allein wegen der Ladenöffnung dorthin kämen. Eine Ohrfeige für die politisch Verantwortlichen - nicht nur in Münster. Anderswo wird ähnlich verfahren.
Bürgerentscheid am Sonntag
Die Urteile bringen viele Münsteraner in die Bredouille. Sie fragen sich, welchen Wert ihr Gang an die Wahlurne überhaupt noch hat, wenn offenbar die rechtlichen Voraussetzungen für Sonntagsöffnungen kaum gegeben sind. Es ist überhaupt erst das fünfte Mal, dass die Münsteraner seit 1996 zu einem Bürgerentscheid an die Wahlurnen gerufen werden. Bis zum Wochenende hatten nur rund 20.000 Bürger per Briefwahl ihre Stimme abgegeben, was nach Expertenansicht im Vergleich wenig ist.
Dass ihr Votum am Sonntag auch trotz der Gerichtsentscheide wichtig ist, machen die Initiatoren des Entscheids deutlich. Die richterlichen Anordnungen seien nur vorläufig, nichts sei entschieden. Ein klares Votum und eine große Beteiligung seien wichtig für die künftige Debatte über verkaufsoffene Sonntage.
Nun sind die Münsteraner am Zug. Die Seite gewinnt, die mehr als die Hälfte der Stimmen erhält. Zugleich muss diese Mehrheit mehr als zehn Prozent der Gesamtzahl der Stimmberechtigten entsprechen.
Johannes Schönwälder