Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht zum ersten Mal Nigeria

Ohne Religion geht es nicht

Nach Besuchen in Kenia und Angola ist Nigeria die letzte Etappe der viertägigen Afrika-Reise von Kanzlerin Merkel. Im Mittelpunkt stehen Treffen mit den jeweiligen Präsidenten, Vertretern der afrikanischen Wirtschaft sowie deutschen Exporteuren. Eine kleine Ausnahme macht Nigeria. An Religion kommt in Nigeria niemand vorbei, auch die Kanzlerin nicht.

Autor/in:
Katrin Gänsler
 (DR)

Deshalb ist für den Donnerstagmorgen - noch bevor Merkel das deutsch-nigerianische Wirtschaftsforum eröffnet und Präsident Goodluck Jonathan trifft - ein Gespräch mit Vertretern der verschiedenen Religionen geplant. Das Treffen fügt sich gut ins momentane Bild, was man vom einwohnerstärksten Land Afrikas hat. Es sind nicht die riesigen Einnahmen aus der Ölförderung im Nigerdelta, die massive Umweltverschmutzung, die damit einhergeht, oder die neue Regierung von Präsident Jonathan, die international für Schlagzeilen sorgen.



Islamistische Sekte sorgt für Angst und Schrecken

Ganz nach oben gearbeitet hat sich stattdessen in den vergangenen vier Wochen die islamistische Sekte Boko Haram (Westliche Bildung ist Sünde), die alle paar Tage mit einem neuen Anschlag für Angst und Schrecken sorgt, die Regierung zum Narren hält und ihr zeigt:  "Ihr seid machtlos." In der Tat: Deren Bemühungen drücken eher eine Hilflosigkeit als einen strukturierten Kampf gegen die Terroristen aus. Das gilt für die Ausgangssperre ebenso wie das neue Moped-Verbot in der Boko-Haram-Hochburg Maiduguri; Anhänger der Sekte nutzen die Zweiräder gerne als Transport- und Fluchtmittel bei Anschlägen.



Nicht in Vergessenheit geraten sind die Ausschreitungen nach den Präsidentschaftswahlen Mitte April, bei denen mehr als 800 Menschen starben und die den muslimisch geprägten Norden tagelang in Schrecken versetzten. Was auf den ersten Blick nach einem Kampf zwischen Christen und Muslimen aussah, war tatsächlich stark politisch motiviert und beeinträchtigte nach Einschätzung des nationalen Statistikamtes auch die wirtschaftliche Entwicklung. Besonders betroffen waren demnach kleine Markthändler, die durch die Ausschreitungen alles verloren. Auf eine Entschädigung warten sie bis heute.



Nigeria zieht deutsche Unternehmen an

Zum Negativ-Image Nigerias gehört allerdings auch die gern zitierte Korruption, die im Laufe der Jahre fast zu einem Synonym für das Land geworden ist und die sich durch alle Teile der Gesellschaft zieht. Immerhin hat sich die Antikorruptions-Kommission (EFCC) mittlerweile einen Namen gemacht. Sie scheint Geldwäsche und Vetternwirtschaft effektiver als noch vor Jahren zu bekämpfen. Sie könnte auch dazu beitragen, dass sich Nigeria möglicherweise zu einem attraktiven Standort für deutsche Unternehmen entwickelt.



Genau dafür möchte die Kanzlerin nun medienwirksam die Werbetrommel rühren, etwa wenn sie das gemeinsame Wirtschaftsforum beider Länder eröffnet. "Nigeria ist der potenziell wohl wichtigste wirtschaftliche Zukunftsmarkt Afrikas", meint auch Martin Wilde, Geschäftsführer des Bundes der Katholischen Unternehmer (BKU). Die Gründe dafür sind einfach: In Nigeria leben rund 150 Millionen Menschen - und somit statistisch gesehen jeder sechste Afrikaner.



Lagos mit seinen 12 bis 15 Millionen Einwohnern ist schon seit Jahren bedeutendster Wirtschaftsstandort Westafrikas. Dort und in anderen Großstädten wächst eine Mittelschicht heran - was sich positiv auf den Export von Konsumgütern auswirken sollte. Schon jetzt ist Nigeria stolz auf seine Wachstumsraten. Lag die Steigerung des Bruttoinlandsproduktes im vergangene Jahr bei 7,85 Prozent, werden für 2011 knapp 8 Prozent prognostiziert. Neben dem Öl tragen dazu verstärkt der Banken- und der Telekommunikationssektor bei.