Bundesrat berät über sichere Herkunftsstaaten

Nordafrikaner und Georgier sollen schneller abgeschoben werden

Am Freitag berät der Bundesrat darüber, ob künftig Tunesien, Algerien und Marokko sowie Georgien zu den "sicheren Herkunftsstaaten" gehören sollen. Doch was kann das für die Asylverfahren bedeuten und die Menschen?

Autor/in:
Birgit Wilke und Rainer Nolte
Nicht alles friedlich in Tunesien? / © Jörg Carstensen (dpa)
Nicht alles friedlich in Tunesien? / © Jörg Carstensen ( dpa )

Was sind sichere Herkunftsstaaten?

Der Begriff sichere Herkunftsstaaten ist seit 1993 Teil des deutschen Asylrechts. Bei den im Paragraf 29 des Asylverfahrensgesetzes aufgelisteten Ländern nimmt der Gesetzgeber an, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Asylanträge von Menschen aus diesen Staaten werden in der Regel abgelehnt, solange die Betroffenen nicht glaubhaft nachweisen können, dass sie doch verfolgt werden. Die Einstufung ermöglicht den Behörden damit schnellere Verfahren und einfachere Regeln für eine zentrale Unterbringung. Auch wenn Antragstellende aus einem sicheren Herkunftsland stammen, unterscheidet sich jedoch laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) die persönliche Anhörung nicht von denen anderer Herkunft.

Welche Länder gelten als sichere Herkunftsstaaten?

Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten verändert sich immer wieder. Zusätzlich aufgenommen wurden in der Vergangenheit alle Staaten der EU, die sechs Westbalkanstaaten Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien und der Kosovo sowie Ghana und Senegal. Der Bundesrat berät am Freitag darüber, ob künftig auch die drei Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien, Marokko sowie Georgien in die Liste aufgenommen werden. Die Anerkennungsquote von Menschen, die aus den Staaten kommen, war 2017 extrem niedrig: Marokko 4,1 Prozent, Algerien 2 Prozent, Tunesien 2,7 Prozent und Georgien 0,6 Prozent. Auch wenn vereinzeln gefordert, steht derzeit nicht zur Debatte, ob Afghanistan oder Pakistan auf die Liste aufgenommen werden soll.

Was sagen Kritiker?

Im Bundestag und in den Ländern kritisieren Linke und Grüne das von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vorangetriebene Vorhaben, Einwände kommen aber auch aus Teilen der SPD. Zudem haben Menschenrechtsorganisationen und Flüchtlingsverbände wie Pro Asyl erhebliche Einwände. Es gebe in den nordafrikanischen Ländern «erhebliche Menschenrechtsverletzungen», darunter Folter, Verfolgung von Homosexuellen und unzureichenden Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt. Alleiniges Ziel der Bundesregierung sei es, die Zahl der Flüchtlinge zu vermindern. Die beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände Diakonie und Caritas haben ebenfalls grundsätzliche Kritik am Konzept der sicheren Herkunftsstaaten geübt. Kirchliche Verbände, Menschenrechtsorganisationen und Wohlfahrtsverbände hatten im August erneut mit einem offenen Brief gegen die Ausweitung der Regelung gedrängt.

Wie geht es weiter?

Der Bundesrat kann am Freitag eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf abgeben. Dann geht er zurück zur Beratung und Abstimmung in den Bundestag. Wenn der Bundestag zustimmt, entscheidet anschließend der Bundesrat. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode legte die Bundesregierung einen Entwurf vor, nach dem die drei nordafrikanischen Länder als sichere Herkunftsstaaten - Georgien war zu dem Zeitpunkt noch nicht enthalten - eingestuft werden sollten. Zwar stimmte der Bundestag zu, die Ländervertretung konnte das Gesetz aber nicht passieren.

Wie ist die Stimmung in den Bundesländern?

Verschiedene Bundesländer mit Regierungsbeteiligungen der Grünen oder Linken blockierten beim letzten Mal die Einordnung der sicheren Herkunftsstaaten. Im rot-rot-grünen Berliner Senat scheint nun die SPD im Gegensatz zur Meinung der Bundespartei auch nicht für die neuen Entwurf abstimmen zu wollen. 2017 hatte sich Berlin bereits bei der Abstimmung enthalten. Die rheinland-pfälzische Ampel-Koalition ist ebenfalls uneins: FDP und SPD sind dafür, Grünen dagegen - das Land wird sich wohl enthalten. Dagegen ist der baden-württembergische Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann durch den Koalitionsvertrag mit der CDU mutmaßlich an eine Unterstützung der Neuregelung gebunden.


Quelle:
KNA