Im Labor erzeugte Embryonen können demnächst auch in Deutschland auf genetische Defekte untersucht und gegebenenfalls verworfen werden. Gemessen an der jahrelangen, leidenschaftlichen Debatte nahm die Regelung zur Präimplantationsdiagnostik (PID) die letzte Hürde am Freitag erstaunlich unspektakulär. Der Bundesrat stimmte der notwendigen Verordnung zur Durchführung der umstrittenen Diagnostik im Grundsatz zu. Die von der Länderkammer verlangten Änderungen stellen für Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) keine "Verkündungshindernisse" dar. Beschließt das Kabinett diese revidierte Fassung, kann eine begrenzte Zahl von Kinderwunsch-Zentren die PID in "engen Grenzen" anbieten.
Der Bundestag hatte bereits im Juli 2011 ein Gesetz verabschiedet, das die PID grundsätzlich verbietet, sie aber Paaren erlaubt, bei denen beide Teile eine Veranlagung für eine schwere Erbkrankheit in sich tragen oder die mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer Tot- oder Fehlgeburt rechnen müssen. Gegner der PID hatten schon in der Debatte um das Gesetz gewarnt, dass die Methode aufgrund der vagen Formulierung zu einer Routinemaßnahme werden könnte.
Kein Rechtsanspruch auf Zulassung
Bei der PID werden im Labor erzeugte menschliche Embryonen vor der Einpflanzung in den Mutterleib auf mögliche Erbkrankheiten untersucht und gegebenenfalls vernichtet. Das Vorgehen ist hoch umstritten, weil hierbei Mediziner menschliches Leben nach bestimmten Kriterien aussortieren. Kritiker wie Wolfgang Thierse (SPD) sprechen offen von «Selektion». Sie sehen die Regelung auch im Widerspruch zum Embryonenschutzgesetz und zum Paragrafen 218. Der Gesetzgeber hatte 1995 ausdrücklich eine Abtreibung wegen Behinderung ausgeschlossen. Auch die katholische Kirche lehnt die Methode strikt ab.
Der Deutsche Ethikrat sowie einige Abgeordnete beklagten, dass die nun beschlossene Verordnung über die Intention des Gesetzgebers hinausgehe. Die Länder hatten aber ohnehin nur begrenzte Möglichkeiten, die PID auf dem Verordnungsweg einzuhegen. Immerhin ist nun die Zahl der Zentren, die diese sehr teure Diagnostik anbieten, begrenzt und soll sich am Bedarf und am öffentlichen Interesse orientieren. Einen Rechtsanspruch auf eine Zulassung wird es nicht geben. Einige Einrichtungen haben bereits Anträge eingereicht.
Viele Fragen bleiben offen
Experten gehen von rund 300 erblich vorbelasteten Elternpaaren pro Jahr aus, für die eine PID infrage kommt. Doch könnte die Zahl der Interessenten rasch wachsen, wenn man das Kriterium der "Gefahr von Tot- und Fehlgeburten" anwendet. So warnt etwa die Bundesvereinigung Lebenshilfe vor einer Ausweitung auf ältere, genetisch nicht vorbelastete Mütter, die eine künstliche Befruchtung vornehmen lassen. Denn mit dem Alter der Mutter wächst auch die Wahrscheinlichkeit von Fehlgeburten. Befürworter hatten die PID unter anderem damit gerechtfertigt, dass sie spätere Abtreibungen vermeide.
Die Forderung einiger Länder nach einer Begrenzung und anderen Zusammensetzung der Ethikkommissionen in den Zentren fand keine Mehrheit. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) sah in diesem Punkt keine Kompromissmöglichkeit. Er wollte sicherstellen, dass letztlich die Ärzte bei der Entscheidung über eine Zulassung in der Mehrheit bleiben - und nicht etwa Ethiker oder Behindertenvertreter.
Nun muss die geänderte Vorlage nochmals vom Kabinett verabschiedet werden, dann ist die PID in Deutschland legal möglich. Doch bleiben auch mit der Verordnung viele Fragen offen. Dazu gehört der Umgang mit überzähligen Embryonen. Für eine PID müssen die Mediziner nach Stand der Forschung mindestens acht Embryonen erzeugen. Eingepflanzt werden aber höchsten drei. Beim Embryonenschutzgesetz hatte der Bundestag über den Umgang mit jedem Embryo noch leidenschaftlich gestritten. Im Bundesrat fand dies am Freitag keine Erwähnung. Bei der Bundestagsdebatte über die PID-Regelung im Jahr 2011 hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) warnend von einer grundsätzlichen Umwertung dessen gesprochen, was bislang als Konsens im Parlament galt.