Das war ziemlich daneben. Ganz schnell hat die FDP-Bundestagsfraktion zu Wochenbeginn einen Tweet zurückgezogen, in dem sie dafür plädierte, einen Bluttest für Schwangere auf Downsyndrom zur Kassenleistung zu machen. Dafür werben sollte ausgerechnet ein Foto, das ein Kleinkind mit Downsyndrom im trauten Kontakt mit seiner Mutter zeigt.
Tweet der FDP-Bundestagsfraktion
Nicht nur Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) war empört: "Ich kann gar nicht glauben, dass dieser FDP-Post echt sein soll!", twitterte sie. Das auf dem Foto gezeigte Kind wäre möglicherweise gar nicht auf der Welt, wenn der Test Kassenleistung wäre. Die FDP ruderte schnell zurück: "Wir wollen, dass nicht der Geldbeutel entscheidet, ob Schwangere Klarheit bekommen", hieß es. Für die Partei sei die Perspektive eines Kindes mit Trisomie 21 nichts Negatives.
Der Tweet ist gelöscht, doch das Problem bleibt. In der kommenden Woche will sich der Bundestag mit der schwierigen ethischen Frage befassen, ob werdende Mütter künftig leichter mit einem vorgeburtlichen Bluttest feststellen lassen können, ob ihr Kind das Downsyndrom hat. Der Test könnte zur Kassenleistung werden.
Entscheidung im Spätsommer
Entscheiden muss das zunächst der Gemeinsame Bundesausschuss von Krankenkassen, Ärzten, Kliniken und Patientenvertretern. Er ist allerdings allein für die wissenschaftlich-technische Überprüfung zuständig und hat sich bereits dafür ausgesprochen, dass Barmer, AOK und Co. den Test finanzieren - allerdings nur dann, wenn es besondere Risiken oder Auffälligkeiten in der Schwangerschaft gibt. Die endgültige Entscheidung soll im Spätsommer fallen. Abschließend muss das Bundesgesundheitsministerium noch sein Placet geben.
Dabei geht es allerdings um mehr als eine neue Kassenleistung: Der Test könnte zu einem neuen Vorsorgestandard bei den Früherkennungsuntersuchungen werden. Und viel mehr Eltern dazu zwingen, sich damit auseinanderzusetzen, ob ein möglicherweise an Downsyndrom leidendes Kind zur Welt kommen oder abgetrieben werden soll. "Der Test setzt Schwangerschaften in den Konjunktiv", so brachte es der "Spiegel" auf den Punkt.
Seit 2012 gibt es in Deutschland den Gentest auf Trisomien. Ein paar Tropfen Blut der werdenden Mutter können Aufschluss über Erbgut und Gesundheitszustand des ungeborenen Kindes geben. Früher denn je lässt sich dann klären, ob das Kind eine Trisomie 21, also das Downsyndrom, hat. Der Test ist schon in der zehnten Schwangerschaftswoche anwendbar.
Privatversicherungen übernehmen teilweise Kosten
Bislang müssen gesetzlich Versicherte diesen Test aus eigener Tasche bezahlen, manche Privatversicherungen haben die Kosten schon übernommen. Das Konstanzer Unternehmen LifeCodexx, das das erste Produkt dieser Art unter dem Namen PraenaTest auf den Markt brachte, hat nach eigenen Angaben inzwischen mehr als 150.000 dieser Tests verkauft, davon die Hälfte in Deutschland.
Befürworter einer Kassenleistung argumentieren, schon seit 1986 hätten Risikoschwangere einen Anspruch darauf, dass ihre Kasse eine Fruchtwasseruntersuchung bezahlt. Der Bluttest könne solche mit dem Risiko von Fehlgeburten behafteten körperlichen Eingriffe ersetzen. Die evangelische Kirche gehört zu den Befürwortern, fordert aber eine umfassende Beratung.
Kritik der katholischen Kirche
Gegner wie die katholische Kirche und Behindertenverbände befürchten einen Dammbruch beim Lebensschutz. Ein Embryo-Screening zeichne sich ab, zumal schon bald mit Bluttests nach weiteren Gendefekten gefahndet werden kann. Schwangerschaften könnten abgebrochen werden, bevor die Mutter überhaupt eine Beziehung zum Kind aufgebaut habe, so die Befürchtung. "Wir sind verdammt noch mal auch Menschen", kämpft der mit Downsyndrom lebende Schauspieler Sebastian Urbanski gegen ein Screening. Der Pränataltest sortiere "Menschen wie mich schon vor der Geburt aus".
Der Bundestag ist gefragt. Schon 2015 hatten sich in seltener Einmütigkeit 158 Abgeordnete aller Fraktionen an die Bundesregierung gewandt und ihre Sorge über mögliche Fehlentwicklungen in der vorgeburtlichen Medizin bekundet. In einem Positionspapier betonten sie, dass es um grundlegende ethische Frage gehe, über die nur der Gesetzgeber entscheiden könne.