Bundesweite Demonstrationen gegen Sammelabschiebungen

"Afghanistan ist nicht sicher"

Flüchtlingsinitiativen protestieren am Samstag bundensweit gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich zuletzt deutlich verschlechtert, erklärte der Flüchtlingsrat Berlin.

Demonstration in Dresden gegen deutsche Abschiebepraxis / © Arno Burgi (dpa)
Demonstration in Dresden gegen deutsche Abschiebepraxis / © Arno Burgi ( dpa )

Mehrere Hundert Menschen haben in Berlin gegen die Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan und in den Irak demonstriert. "Wer abschiebt, hilft den Taliban" und "Terroristen raus aus dem Irak" hieß es am Samstag zum Auftakt der Kundgebungen auf beiden Seiten des Brandenburger Tores, bei denen ein Bleiberecht für die Flüchtlinge gefordert wurde.

Anlass war der bundesweite Aktionstag "Abschiebestopp nach Afghanistan jetzt", zu dem Proteste in 13 deutschen Städten angekündigt waren, darunter in Nürnberg, Hamburg, Hannover, Schwerin und Erfurt. Ziel der Demonstration in Berlin, die auch am Roten Rathaus und am Innensenat vorbeiführen sollte, war der Alexanderplatz.

"Sehenden Auges in eine lebensbedrohliche Situation"

In Afghanistan gebe es keine sicheren Regionen für Rückkehrer, hieß es im Aufruf zu der Demonstration. Die Sicherheitslage verschärfe sich dort weiter. Dennoch hätten mehrere Bundesländer im Dezember und Januar Sammelabschiebungen nach Afghanistan vorgenommen. Die Menschen würden damit "sehenden Auges in eine lebensbedrohliche Situation abgeschoben".

Zwar habe sich das Land Berlin bisher noch nicht an den Abschiebungen beteiligt, hieß es weiter. Die Verunsicherung unter den dort lebenden Afghanen sei jedoch groß. Der rot-rot-grüne Senat müsse deshalb "ein klares Bekenntnis" gegen Abschiebungen nach Afghanistan ablegen und alle Ermessensspielräume für ein Bleiberecht ausschöpfen.

Anlässlich vermehrter Sammelabschiebungen nach Afghanistan finden am Samstag Demonstrationen im gesamten Bundesgebiet statt. Unter anderem in Berlin, Hamburg, Hannover, Rostock, Nürnberg, Wiesbaden, Trier und Erfurt wollen Menschen auf die Straßen gehen. In Düsseldorf ist zum Beispiel eine Kundgebung am Landtag geplant. Die Initiatoren fordern, Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen, weil das Land nicht sicher sei. In zwei Sammelabschiebungen waren in den vergangenen Wochen mehrere Dutzend Afghanen an den Hindukusch zurückgebracht worden.

Die Initiatoren der Proteste führen unter anderem an, dass sich laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Sicherheitslage in Afghanistan zuletzt deutlich verschlechtert hat. Afghanistan sei kein sicheres Land. Jede Abschiebung dorthin sei eine zu viel, erklärte etwa der Flüchtlingsrat Berlin. Weitere Unterzeichner des Demonstrationsaufrufes für die Hauptstadt sind unter anderem das Afghanische Kommunikations- und Kulturzentrum e.V., IPPNW Berlin, der Migrationsrat Berlin-Brandenburg und Women in Exile e.V.

Unterstützung von Diakonie

Auch die Diakonie setzt sich vor den Demonstrationen für einen Abschiebestopp nach Afghanistan ein, da diese derzeit hochproblematisch seien. "Afghanistan ist alles andere als sicher, es kommt regelmäßig zu Terroranschlägen in zivilen Gebieten mit vielen Toten und Verletzten", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Dies zeigten die jüngsten Anschläge in vermeintlich stabilen Regionen Afghanistans, fügte er hinzu.

Jede geplante Abschiebung müsse daraufhin überprüft werden, ob die Rückkehrer dort in Sicherheit und Würde leben können, erklärte Lilie auch mit Blick auf das Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten am Donnerstagabend. Bund und Länder hatten sich dabei auf eine engere Zusammenarbeit verständigt, um abgelehnte Asylbewerber schneller außer Landes zu bringen.

"Positive Einstellung" der Tunesier

Unterdessen dringt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf zügigere Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber nach Tunesien. Beim Besuch von Ministerpräsident Youssef Chahed an diesem Dienstag in Berlin wolle sie unter anderem darüber sprechen, dass in dieser Frage "schneller gearbeitet wird, insbesondere wenn es um Gefährder geht", sagte Merkel in ihrer wöchentlichen Videobotschaft (Samstag). Sie bezog sich auch auf den Fall des Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt, Anis Amri. Eine Abschiebung des terrorverdächtigen Tunesiers war an fehlenden Papieren gescheitert. Merkel sprach aber von einer "sehr positiven Einstellung" der tunesischen Regierung, diese Zusammenarbeit zu verbessern.

Die Kanzlerin warb erneut dafür, Tunesien, Algerien und Marokko im deutschen Asylrecht als sichere Herkunftsländer einzustufen, um Abschiebungen zu beschleunigen. Mit Blick auf Überlegungen für Flüchtlings-Auffanglager in Nordafrika sagte sie, man müsse "im gegenseitigen Respekt voreinander ruhig besprechen, welche Möglichkeiten da sind".


Quelle:
KNA , dpa , epd