Vor 30 Jahren starb Thorsten Heimchen im Alter von 22 Jahren. Er hatte geklaut, weil er Geld für Drogen brauchte. Er wurde geschnappt und landete im Knast. In der Zelle hat er sich dann erhängt.
Der Suizid seines Sohnes schmerzte Jürgen Heimchen höllisch. Im Jahr darauf gründete er in Wuppertal die "Elterninitiative für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik". 1998 initiierte er den "Gedenktag für verstorbene Drogenkonsumenten", der seither jedes Jahr am 21. Juli veranstaltet wird.
Drogenkonsumenten nicht ausgrenzen
Heimchen ist "zutiefst überzeugt", dass die Konsumentinnen und Konsumenten illegaler Drogen nicht in erster Linie am Rauschgift, sondern an der Drogenpolitik sterben. Drogenkonsumenten dürften nicht durch Gesetze ausgegrenzt, sie müssten vielmehr in die Gesellschaft integriert werden, findet er. Dazu bräuchte es allerdings eine andere Politik.
"Wir haben zwar in den letzten 25 Jahren viel erreicht, so gibt es heute in Wuppertal Drogenkonsumräume, doch das reicht nicht", sagt der 79-Jährige. Er fordert einen leichteren Zugang zum Heroinersatzstoff Diamorphin. Den bekommt derzeit ein Opiatabhängiger erst, wenn er mindestens 23 Jahre alt und seit mindestens fünf Jahren abhängig ist. Außerdem müssen zwei erfolglose Behandlungen nachgewiesen werden. Heimchen findet die gesetzlichen Regelungen absurd.
Teils geringe Hilfsangebote
Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept) beklagt regionale Defizite. "In ländlichen Räumen ist die Versorgung mit Drogenersatzstoffen und anderen Hilfsangeboten weiterhin dramatisch gering", beklagt die Geschäftsführerin von akzept, Christine Kluge Haberkorn. Der Verband fordert Hilfsangebote für Drogennutzer "ohne Abstinenzkeule".
Der Verein begrüßt, dass die Bundesregierung die Take-Home-Regelungen für Ersatzstoffe während der Corona-Krise entschärft hat. "Die Klienten konnten dadurch ihr Substitut für eine ganze Woche oder länger bekommen", sagt die Geschäftsführerin. Zuvor mussten sie den Ersatzstoff täglich abholen.
Organisationen, die sich für eine Legalisierung von Suchtmitteln starkmachen, verweisen in ihrer Kritik an der geltenden Drogenpolitik auf die steigende Zahl von Rauschgifttoten. Deutschlandweit erreichte diese Zahl 2021 einen Höchstwert: 1.826 Menschen starben laut dem Sucht- und Drogenbeauftragten der Bundesregierung an illegalen Rauschmitteln. Im Vergleich zu 2017 bedeutet das eine Steigerung von etwa 15 Prozent.
Legalisierung von Cannabis sei wichtiger Schritt
Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug bei der Deutschen Aidshilfe, ist für eine Legalisierung von Drogen. Denn er ist davon überzeugt, dass der Drogenkauf auf dem Schwarzmarkt eine Haupttodesursache darstellt: "Man weiß einfach nicht, was in der jeweiligen Dosis drin ist."
Dass mit der von der Ampel-Koalition avisierten Legalisierung von Cannabis ein erster Schritt gemacht werden soll, findet er gut. Denn würde Drogensucht nicht mehr kriminalisiert und stigmatisiert, würden Süchtige wahrscheinlich früher Hilfe suchen, vermutet Schäffer.
Mehr Forschung gefordert
Die Stigmatisierung des Konsums illegaler Drogen bringe eine Menge Leid über die betroffenen Familien, sagt Beate Stör vom Elternkreis Leutkirch im Allgäu, deren Sohn Bertram im Februar 2020 mit 43 Jahren mutmaßlich an einer Überdosis des synthetischen Opioids Fentanyl gestorben ist. "Wir Eltern müssen uns nicht dafür schämen, dass eines unserer Kinder suchtkrank wurde", betont die 72-Jährige, die sich seit 20 Jahren in dem Elternkreis für Väter und Mütter von suchtkranken Kindern engagiert.
Stör geht ebenso wie Schäffer davon aus, dass durch eine Legalisierung von Drogen der Konsum von Rauschmitteln nicht nennenswert zunehmen würde. Sie plädiert dafür, dass zu Drogensucht und ihren Ursachen intensiver geforscht wird.