Buntes Auftaktwochenende der Heiligtumsfahrt in Aachen 

Reliquienverehrung mit Ave Maria

Die einen sehen einfach nur drei alte Tücher und ein Kleid. Andere sagen: "Das kann doch nicht echt sein und auch nicht aus der Zeit Jesu." Aber eigentlich geht es um etwas ganz Anderes bei der Heiligtumsfahrt in Aachen.

Autor/in:
Nicola Trenz
Das Kleid Mariens wird beim Auszug getragen nach der Erhebungsfeier am 9. Juni 2023 im Dom in Aachen / © Harald Oppitz (KNA)
Das Kleid Mariens wird beim Auszug getragen nach der Erhebungsfeier am 9. Juni 2023 im Dom in Aachen / © Harald Oppitz ( KNA )

Grüne Dreieckstücher tragen die Menschen um den Hals und über dem Kopf, um sich vor der Sonne zu schützen. Währenddessen wird auf der Altarbühne im Schatten des Doms ein Pilgergottesdienst zu Ehren von vier ganz anderen Textilien gefeiert, die für viele katholische Gläubige eine besondere Bedeutung haben: Es sind Reliquien, die der Erzählung nach eng mit Jesu Leben in Verbindung stehen.

Besondere Stimmung

Alle sieben Jahre werden diese vier Textilreliquien im Aachener Dom aus einem geheimnisvollen goldenen Schrein enthoben, inGottesdiensten gezeigt und in Vitrinen ausgestellt. "Ave Maria" singt eine Gruppe von Pilgernden auf italienisch, während sie in den Dom einziehen. Ein Mann spielt Gitarre. Die Menschen aus verschiedenen italienischsprachigen Gemeinden versetzen den Dom – und auch schon die Warteschlange davor – in eine besondere Stimmung.

Zwei Goldschmiede öffnen das Schloss am Schrein bei der Erhebungsfeier am 9. Juni 2023 im Dom in Aachen.  / © Harald Oppitz (KNA)
Zwei Goldschmiede öffnen das Schloss am Schrein bei der Erhebungsfeier am 9. Juni 2023 im Dom in Aachen. / © Harald Oppitz ( KNA )

Im Inneren des Kaiserdoms hat jede und jeder eine andere Form, den Reliquien zu begegnen. Manche bekreuzigen sich oder halten inne zum Gebet, andere gehen wie Museumsbesucher an den Vitrinen vorbei. Manche haben Rosenkränze oder andere persönliche Gegenstände dabei, die sie den Reliquien nahe bringen möchten. Viele Smartphones sind gezückt – es ist wohl die erste Heiligtumsfahrt, bei der die Textilreliquien auch durch soviel digitale Aufmerksamkeit geehrt werden.

Symbole um Jesus nachzuspüren

Reliquie heißt übersetzt "Überrest" oder "Überbleibsel". Bei den vier Reliquien handelt es sich laut Überlieferung um ein Kleid derGottesmutter Maria aus Jesu Geburtsnacht, Windeln Jesu, sein bei der Kreuzigung getragenes Lendentuch sowie das Enthauptungstuch Johannes des Täufers. Für ihre Echtheit gibt es keine historischen Nachweise. Die Kirche heute sieht in ihnen Zeichen, die auf Jesus und sein Leben und Sterben hinweisen. So ähnlich beschreibt es auch Pilger Markus Krautter, der mit einer Gruppe aus Stuttgart gekommen ist: "Es sind Symbole, mit denen man Jesus von der Geburt bis zum Tod nachspüren kann".

Eine Frau, Pilgerin, trägt ein grünes Halstuch mit dem Logo der Heiligtumsfahrt / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Frau, Pilgerin, trägt ein grünes Halstuch mit dem Logo der Heiligtumsfahrt / © Harald Oppitz ( KNA )

Während im Dom angenehme Kühle herrscht, trotzen draußen viele Pilgerinnen und Pilger nicht nur bei den Gottesdiensten der Hitze. Viele sind mit dem Fahrrad oder zu Fuß gekommen. Eine Fahrradwallfahrt aus dem Großraum Aachen etwa bringt alle Generationen mit in die Domstadt – der jüngste Pilger ist erst ein gutes Jahr alt, der älteste über 70. Gaby Bayer-Ortmanns hat die Fahrt organisiert. "Ich selbst schöpfe aus meinem Glauben viel Zuversicht, das möchte ich gerne säen", sagt sie. Manche Kinder hätten die Heiligtümer in der Schule durchgenommen und seien nun ganz gespannt, sie auch zu sehen. Zur Gitarre singt die Gruppe in einer schattigen Ecke das Mottolied "Für wen haltet ihr mich?".

Pilgern in Gemeinschaft 

Mit Wanderstöcken war eine Gruppe aus Eschweiler 15 Kilometer unterwegs. "Sonst kommen wir immer über die A4 rein", sagt eine Pilgerin, "zu Fuß nimmt man alles ganz anders wahr". Und alle sind sich einig: Der schönste Teil der Heiligtumsfahrt ist das Pilgern in Gemeinschaft. "Keiner von uns käme auf die Idee, das alleine zu machen." 

Heiligtumsfahrt in Aachen / © Harald Oppitz (KNA)
Heiligtumsfahrt in Aachen / © Harald Oppitz ( KNA )

Viele von ihnen, am grünen Dreieckstuch zu erkennen, beleben die Innenstadt, andere treibt es auf den Katschhof zwischen Rathaus und Dom. Zur Abendstunde sitzen drei junge Leute mit einem Cocktail auf Treppenstufen vor dem Foto-Stop der Wallfahrt, dem großen Schriftzug "#Heifa2023". "Was passiert hier eigentlich?", fragen sie und beobachten aus der Ferne auch den Gottesdienst. "Wir bleiben, wenn wir nicht das Gefühl haben, das wir stören", sagt einer von ihnen.

Auch Eckangebote gut besucht

Die Heiligtumsfahrt besteht aus mehr als den großen Pilgermessen und der Reliquienverehrung im Dom. Dompropst Rolf-Peter Cremer freut sich, dass auch Eckangebote wie Nachtgebete oder Morgenlob gut besucht sind. Auch insgesamt sind die Organisatoren mit dem ersten Wochenende zufrieden. Über 20.000 Pilgernde waren nach Angaben des Bistums bis Sonntagnachmittag vor Ort.

Nicht nur in Zahlen lässt sich allerdings messen, ob die Heiligtumsfahrt ein Erfolg wird: "Wenn Menschen sagen, 'das hat mir gut getan' und wenn die Leute entdecken, dass der gemeinschaftliche Glaube trägt", so Mit-Organisator Cremer, "dann ist die Fahrt ein Erfolg".

Die Aachener Heiligtumsfahrt

Die Aachener Heiligtumsfahrt gibt es seit 1349. Sie findet alle sieben Jahre statt. Wegen der Corona-Pandemie wurde der Rhythmus unterbrochen: Statt 2021 wird sie dieses Jahr vom 9. bis 19. Juni veranstaltet. Ziel der Wallfahrt sind die im Aachener Dom befindlichen Heiligtümer: Tuchreliquien, bei denen es sich der Überlieferung nach um das Kleid Marias, das sie in der Geburtsnacht getragen hat, die Windel Jesu, das Enthauptungstuch Johannes' des Täufers sowie das Lendentuch Jesu bei der Kreuzigung handelt. (KNA/17.03.2023)

Heiligtumsfahrt Aachen (KNA)
Heiligtumsfahrt Aachen / ( KNA )
Quelle:
KNA