DOMRADIO.DE: 17 Frauenhäuser in NRW liegen in katholischer Trägerschaft. Sie sind die Landesvertreterin. Wie ist die aktuelle Situation? Was bekommen Sie mit?
Monika Brüggenthies (Leiterin der Abteilung "Soziale Dienste und Familienhilfe" bei der Caritas im Bistum Münster): Die aktuelle Situation ist dort, in ganz Nordrhein-Westfalen, aber auch im kompletten Bundesgebiet sehr schwierig. Wir haben viel zu wenig Frauenhausplätze. Wir müssten eigentlich in Nordrhein-Westfalen 1.800 Plätze haben, wir haben aber faktisch nur circa 700 landesgeförderte Plätze.
Diese Zahl ergibt sich aus der sogenannten "Istanbul Konvention", das ist ein Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von häuslicher Gewalt gegen Frauen. Dort wurde vereinbart, dass es einen Platz pro 10.000 Bürger*innen (Gesamtbevölkerung) geben soll.
DOMRADIO.DE: Warum kommen die Frauen zu Ihnen?
Brüggenthies: Es handelt sich um Frauen, die von Gewalt betroffen oder bedroht sind. Eigentlich sind fast alle von Gewalt betroffen. Das heißt, sie haben einen Partner oder leben mit einem Partner in einer häuslichen Gemeinschaft, der sie schlägt, der sie körperlich misshandelt, der sie beschimpft, sie überwacht, ihnen Gewalt in allen möglichen Formen antut.
Das führt oft dazu, dass diese Gewalt, die sie erleben, meistens nicht nur über ein paar Tage geht, sondern über Wochen oder Jahre. Irgendwann ist das Maß so voll, dass sie in ein Frauenhaus flüchten, um dort Schutz vor dieser Lebenssituation zu suchen.
DOMRADIO.DE: Wie lange dürfen sie denn bleiben?
Brüggenthies: Im Grunde gibt es keine Frist, wie lange man in einem Frauenhaus Schutz finden kann. In der Regel ist es so, dass sie dort einige Tage oder einige Wochen sind. Es gibt aber auch Frauen, die deutlich länger da sind. Das hat einfach den Grund, dass die Frauen oft keine Wohnung finden, um für sich und ihre Kinder einen Lebensraum zu schaffen, in dem sie sich wieder sicher und angstfrei bewegen können.
DOMRADIO.DE: Sie sind für die 17 katholischen Frauenhäuser mitverantwortlich. Stehen diese allen Frauen offen? Egal welcher Herkunft und welcher Religion?
Brüggenthies: Ja, selbstverständlich. Jede Frau, die in ein Frauenhaus flüchten möchte, kann sich dort melden. Dann wird geguckt, welchen Gefahren sie ausgesetzt ist und wie man diese Frau unterstützen kann. Es geht darum, dass die Frauen dort auch durch Sozialpädagogen, Sozialarbeiter und Erzieher begleitet werden, weil die Frauen oft auch Kinder mitbringen und somit eine qualifizierte Unterstützung und Begleitung in dieser Krisensituation bekommen sollten.
Denn man muss sich vorstellen, dass die Frauen in ihrem Selbstbewusstsein, in ihrem Gefühl, selbst ihr Leben gestalten zu können, oft so eingeschränkt worden sind und das Selbstbewusstsein so herabgestuft wurde, dass sie erst mal wieder zur Ruhe kommen müssen und in den Frauenhäusern durch professionelle Hilfe Unterstützung finden, um dort wieder selbst das Leben zu gestalten.
DOMRADIO.DE: Die Frauenhäuser beklagen, dass sie voll sind. Was ist, wenn eine Frau anklopft und fragt, ob was frei ist? Kann man diese Häuser überbelegen?
Brüggenthies: Ja, das machen manche tatsächlich, um einfach zu helfen. Es gibt eine Internetseite "Frauen-Info-Netz". Auf dieser Seite sind die Frauenhäuser aufgeführt. Dann kann man schauen, ob in der Region, in der man sich befindet, ein Frauenhaus einen freien Platz hat. Dann sind die auf grün geschaltet. Ich habe aktuell mal geguckt. Es sind von den ganzen Frauenhäusern wieder nur zwei Frauenhäuser, die auf grün geschaltet sind. Alle anderen haben ein rotes Symbol, das heißt sie sind voll. Und dann heißt es telefonieren.
DOMRADIO.DE: Was heißt das genau, wenn man nichts in der Region findet, wenn alles rot ist?
Brüggenthies: Dann heißt es telefonieren und gucken, ob es irgendwo einen anderen Platz gibt, wobei man unter Umständen weiter fahren muss. Denn, wie gesagt, die Frauen befinden sich in einer Krise.
Manchmal ist es so, dass sie dann, wenn sie keine Möglichkeit finden, auch oft bei dem Partner bleiben, der so gewalttätig mit ihnen umgeht. Das ist natürlich ein schrecklicher Zustand. Die Frauen sind einfach in einer prekären Situation.
DOMRADIO.DE: Was muss getan werden, um die Situation zu verbessern?
Brüggenthies: Wir müssen deutlich mehr Frauenplätze schaffen und vor allen Dingen Plätze schaffen, die den Bedarfen der Frauen entsprechen. Denn meistens flüchten Frauen mit ihren Kindern in ein Frauenhaus. Das heißt, da muss ein entsprechend großer Raum zur Verfügung stehen.
Und Frauen, die mit einer Behinderung leben müssen, brauchen Plätze, die barrierefrei sind. Die gibt es in der Regel nicht in solch großem Umfang, wie sie eigentlich benötigt würden.
Das Interview führte Tobias Fricke.