DOMRADIO.DE: "Berlin an der Belastungsgrenze", so titelte der Tagesspiegel mit Blick auf die Flüchtlingssituation in der Hauptstadt. Sehen Sie das auch so? Ist Berlin schon an der Belastungsgrenze angekommen?
Prof. Dr. Ulrike Kostka (Caritas-Direktorin im Erzbistum Berlin): Berlin ist sicherlich an der Belastungsgrenze, aber gleichzeitig ist Berlin einfach auch großartig und versucht wirklich das Beste zu tun, um die Menschen hier gut zu versorgen und willkommen zu heißen.
DOMRADIO.DE: Wie helfen Sie von der Caritas den Geflüchteten aus der Ukraine jetzt?
Kostka: Ganz vielfältig. Einmal unterstützen wir Flüchtlinge dabei, dass sie in Wohnungen kommen und bei privaten Gastgebern unterkommen. Und dann sind wir auch gerade dabei, eine Notunterkunft für ungefähr 180 Menschen aufzumachen.
Was ich auch ganz toll finde, dass viele Gemeinden gerade auch gucken, ob sie eventuell Pfarrsäle für kurze Übernachtungen oder auch für Begegnung zur Verfügung stellen können. Da ist ganz viel am laufen.
DOMRADIO.DE: Die Caritas ist da natürlich eine sehr große Hilfe. Aber Privatpersonen bieten sich auch oft an. Können Sie das so widerspiegeln?
Kostka: Ja, das kann ich so sagen. Bei uns klingelt wirklich alle fünf Minuten das Telefon oder ganz viele E-Mails gehen ein, in denen Leute sich engagieren wollen. Und eigentlich ist die größte Aufgabe jetzt gerade, die ganze Engagementbereitschaft gut zu kanalisieren.
Das machen zum Beispiel auch die Malteser am zentralen Omnibusbahnhof, wo sie ein Ankunftszentrum eingerichtet haben. Dort schauen sie zusammen mit den Ehrenamtlichen, die sich dort engagieren, wie man das gut steuern kann, damit eben auch das Engagement da ankommt, wo es gerade gebraucht wird.
DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich in dieser Situation von der Politik?
Kostka: Erst mal finde ich es toll, wie Berlin es diesmal macht. Der Senat ist deutlich besser aufgestellt, da bin ich sehr erleichtert. Das war 2015 anders. Was ganz wichtig ist, wir brauchen jetzt eine Klarheit vom Bund. Einmal was die Verteilung der Flüchtlinge angeht und das andere sind natürlich finanzielle Ressourcen, denn es geht auch darum, die Flüchtlinge nicht nur in den ersten drei Tagen gut zu versorgen, sondern auch darüber hinaus.
Wir wollen zum Beispiel als Caritas und Erzbistum Berlin Ukraine-Zentren einrichten, wo die Menschen dann auch Beratung bekommen und Weiterleitung. Die müssen ganz viele Anträge stellen und sie brauchen natürlich auch Gespräche und Begegnung. Das ist uns ganz wichtig.
Wir denken über den Tag hinaus, es wird eine langfristige Aufgabe sein. Und da braucht es natürlich jetzt auch auf allen Ebenen finanzielle Klarheit. Aber wir sind auch begeistert über die Spendenbereitschaft.
DOMRADIO.DE: Über Caritas International unterstützen Sie weiter die Menschen im Kriegsgebiet. Wie können wir uns diese Hilfe vorstellen?
Kostka: Ganz wichtig ist natürlich einmal, dass die Caritas Ukraine unbedingt auf Spenden angewiesen ist. Die gehen dann über Caritas International dahin. Es geht jetzt wirklich um das Überleben. Die Menschen der Caritas, die Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen versuchen die Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen, vor allem die Menschen, die nicht beweglich sind. Ältere Menschen, Leute, die ihr Haus nicht verlassen können, da geht es wirklich ums Überleben. Da ist jede Hilfe notwendig.
Die Caritas Polen leistet Großartiges mit der Zivilgesellschaft die Menschen in Polen zu versorgen. Aber auch da braucht es Mittel. Und was wichtig ist, dass wir auch die Leute vor Ort nicht überfordern. Wir sind zum Beispiel total zurückhaltend, wenn es um Hilfstransporte geht, weil das zum Teil auch eine Belastung ist.
Es geht auch darum, wirklich gute Hilfe zu kanalisieren. Und das machen jetzt Caritas Polen, Caritas Ukraine und natürlich auch der Deutsche Caritasverband mit seinem Hilfswerk Caritas International und wir hier vor Ort.
DOMRADIO.DE: Viele Leute hier bei uns wollen ja auch gerne helfen. Was ist Ihr Rat? Besser Sach- oder Geldspende?
Kostka: Bitte keine Sachspenden zurzeit oder nur, wenn der Bedarf wirklich ganz genau gemeldet wird. Das ist extrem wichtig. Immer gucken, wenn man was unterstützen will. Wie ist der Bedarf? Meistens haben die Organisationen Bedarfslisten. Darauf kann man gucken und auch ein bisschen Geduld zu haben.
Wir brauchen viel Engagement, aber das brauchen wir eben auch in den nächsten Wochen und Monaten. Es wäre super, wenn die Leute sich bereithalten, aber nicht enttäuscht sind, wenn sie nicht gleich eine Anfrage bekommen, sondern immer sehr zielgerichtet fragen, was man tun und wann man was tun kann. Dann ist das super. Aber ein bisschen abwarten und gucken, was gebraucht wird.
Das Interview führte Michelle Olion.