domradio.de: Wie sieht denn die Soforthilfe bei Ihnen aus?
Peter Seidel (Länderreferent bei Caritas International): Wir arbeiten mit der lokalen Caritas Nepal zusammen. Die Caritas hat ein Büro im Herzen von Kathmandu und hat Zugriff auf die Institutionen der katholischen Kirche. Zwei große Schulen fungieren dort als Nothilfezentren. Dort werden die Menschen, so gut es geht, versorgt und sie können Trinkwasser bekommen. Das ist der erste Punkt, über den die Caritas Nepal Betroffene aus der Region Kathmandu erreichen kann.
domradio.de: Vor welchen Herausforderungen stehen die Helfer?
Seidel: Das Ausmaß der Katastrophe übersteigt bei weitem die Fähigkeit, darauf zu reagieren. Nepal ist ein sehr armes Land. Viele sagen, es sei das ärmste Land Asiens. Es gab bis vor wenigen Jahren einen Bürgerkrieg. Die Regierung ist nicht wirklich in der Lage, ein so großes Problem effizient zu lösen. Es gibt viele Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, UN-Organisationen, die sich engagieren. Die Koordination ist ein Problem. Was sehr gut in Nepal funktioniert, ist die Solidarität unter den Menschen selber. Die Nachbarschaftshilfe ist im ersten Moment das wichtigste. Die kommt natürlich irgendwann an ihre Grenzen, wenn jeder selber an die Grenzen seiner Fähigkeiten kommt. Dann ist es wichtig, dass Hilfswerke und Regierungen zum Überleben für die Menschen internationale Unterstützung leisten.
domradio.de: In der Region passieren Erdbeben häufig, nur diese Heftigkeit gab es seit 80 Jahren nicht mehr? Warum hat es ausgerechnet jetzt so gebebt?
Seidel: Erdbeben kann man nicht voraussagen. Sie kommen mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Die Diskussion über ein großes Erdbeben, das in Kathmandu vorauszusagen war, wurde schon lange geführt. Vor wenigen Tagen fand eine Konferenz in Kathmandu genau dazu statt. Auch Kollegen vom internationalen Caritas-Netzwerk sind zurzeit in Kathmandu, weil genau das ein Thema war, wie kann man sich darauf vorbereiten?
Das Problem ist, dass die Situation in Kathmandu so schwierig ist: Es ist ein nur schwer erreichbares Hochtal, das sehr stark besiedelt ist. Kathmandu ist in den letzten Jahren um ein Vielfaches gewachsen, weil die Leute vom Land in die Stadt gehen, um bessere Lebensperspektiven zu erwarten. Der Hausbau hat natürlich qualitativ in keinster Weise den Anforderungen von Erdbebensicherheit genügt, die Regierung war nicht in der Lage, das zu kontrollieren und so kommt es dann zu solch großen Katastrophen, die Hilfsorganisationen vor riesige Herausforderungen stellt.
domradio.de: Wir hören immer wieder von teils heftigen Nachbeben - was ist da noch zu befürchten in den nächsten Tagen?
Seidel: Durch jedes Nachbeben können schwer geschädigte Häuser noch zum Einsturz gebracht werden. Das ist das größte Problem im Moment, die medizinische Versorgung der Verschütteten und Verletzten durch die einstürzenden Häuser zu behandeln. Auf der anderen Seite ist natürlich auch die Straßeninfrastruktur schwer in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt steile Berge, die Straßen sind durch Erdrutsche verschüttet. Der Zugang in viele der ländlichen Regionen ist ja bisher noch gar nicht möglich. Die Regierung hat deswegen angefragt, Hubschrauber nach Nepal zu entsenden, um dort in diese entlegenen Gebiete kommen zu können. Aber das ist natürlich auch schwierig, wer hat Hubschrauber in großer Zahl zu Hand, um in einer solchen Katastrophe Hilfe auf dem Land leisten zu können?
domradio.de: Wie kann ich die Hilfe von Caritas International unterstützen?
Seidel: Wir sammeln in Deutschland Spenden, die wir dann in Hilfsgüter investieren. Im Moment sind wir dabei, medizinische Hilfsgüter, Decken, Zelten, Notunterkünfte zu beschaffen und die lokale Caritas damit zu unterstützen. Sie verteilt das an die Betroffenen, die ihrerseits Nothilfeteams aufgestellt hat aus lokalen Leuten, die die lokale Sprache sprechen, um schnell und effizient den Menschen dort vor Ort helfen zu können.
Das Interview führte Tobias Fricke