Caritas International zum Schicksal humanitärer Helfer

"Irgendetwas in dieser Welt läuft nicht richtig"

Sie reagieren dort, wo kein Hilfswerk hinkommt. Gerade in Krisengebieten sind lokale humanitäre Helfer das Rückgrat der Hilfsorganisationen. Eigentlich wäre es aber besser, wenn es diese Helfer gar nicht bräuchte, betont Caritas International.

Humanitäre Hilfe / © BalkansCat (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Besonders in Krisenregionen begeben sich humanitäre Helfer in Gefahr. Welche Risiken gehen die ein?

Oliver Müller (Leiter von Caritas International): Zunächst muss man sagen, dass es vor allem die lokalen Helfer sind, die Einheimischen, die dieses Risiko eingehen. Wir hatten 2019 leider Gottes ein Rekordjahr, was Angriffe auf solche humanitären Helfer betrifft. Das sind Übergriffe bei der Verteilung von Hilfsgütern, das sind Bedrohungen. Insgesamt sind sogar 125 Menschen ums Leben gekommen im vergangenen Jahr. Das sind Angriffe in einem sehr nennenswerten Umfang.

DOMRADIO.DE: Was leisten die Menschen, über die wir hier reden?

Müller: Die Menschen, an die wir heute denken, sind eigentlich das Rückgrat der humanitären Hilfe weltweit. Sie halten die Hilfe an den gefährlichsten Orten dieser Welt  aufrecht – sei es in Syrien, im Südsudan oder in Afghanistan. Sie kommen oftmals auch dort hin, wo sich internationale Helfer gar nicht hin trauen. Vielleicht sind sie auch deshalb besonders gefährdet. Was jetzt natürlich noch dazu kommt, ist, dass sie auch durch Corona noch einmal speziell gefährdet sind.

DOMRADIO.DE: Was hat sich seit Beginn der Pandemie für die Helfer geändert?

Müller: Wir haben versucht dem zu begegnen, indem wir die Helfer auch mit Material, mit Schutzkleidung ausgestattet haben. Aber in einem Land wie Syrien, in dem die Dunkelziffer an Infektionen wahrscheinlich enorm hoch ist – man geht alleine im Großraum Damaskus von 500.000 bis zu einer Million Fälle aus – ist es für die Helfer auch in ihrem privaten Leben kaum möglich, sich zu schützen. Das heißt, sie gehen ein großes Risiko ein. Umso bewundernswerter finde ich, dass viele Caritas-Helfer doch weiterhin aktiv sind und versuchen, das Maximum zu leisten.

DOMRADIO.DE: Wie könnte man die Arbeitsbedingungen für diese Helfer denn verbessern?

Müller: Zum einen braucht es jetzt in der Pandemiesituation Schutzkleidung und Desinfektionsmittel, da kann man mit relativ einfachen Mitteln viel erreichen. Grundsätzlich brauchen wir aber einen sichereren Zugang zu den Notleidenden. Das Hauptproblem der humanitären Hilfe sind Übergriffe, Entführungen von kriminellen Gruppen, die oft völlig unkontrolliert aktiv sein können und versuchen, humanitäre Hilfe für ihre Zwecke zu nutzen. Da sind es die jeweils betroffenen Staaten, an die wir appellieren, mehr Hilfe sicherzustellen und überhaupt den Zugang zu gewährleisten. Kürzlich wurden zwei Zugänge nach Syrien hinein gesperrt, für Hilfsmaßnahmen gibt es jetzt nur noch einen Zugang ins Land. Das hat die Situation der Helfer und auch der Betroffenen noch mal wesentlich verschlechtert.

DOMRADIO.DE: Der Bedarf an humanitärer Hilfe steigt. Was bedeutet das? Braucht es deshalb auch mehr Helfer?

Müller: Es bedeutet zunächst mal, dass irgendetwas in dieser Welt nicht richtig läuft. Es ist gut, diese Helfer zu haben, und wir als Caritas International, wie auch andere Hilfsorganisationen, tun alles, was wir tun können. Man muss die Not aber an den Wurzeln angehen. Wir haben 168 Millionen hilfsbedürftige Menschen weltweit. Die Lösung ist nicht dauerhaft durch noch mehr humanitäre Hilfe zu gewährleisten, sondern die Menschen müssen dauerhaft in die Lage versetzen werden, selbstständig zu leben. Das bedeutet in allererster Hinsicht, bewaffnete Konflikte zu vermeiden. Wir haben eine maximale Zahl an Flüchtlingen momentan. Menschen müssen zurückkehren. Wenn sie an ihren Lebensorten sind, sind sie auch viel leichter in der Lage, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Das heißt: der Einsatz für Frieden, für mehr Gerechtigkeit und auch die Vermeidung von Flucht müssten eigentlich ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Das Gespräch führte Dagmar Peters.


Oliver Müller (Caritas international) (dpa)
Oliver Müller (Caritas international) / ( dpa )
Quelle:
DR