domradio.de: Heute gab es eine Anhörung im Bundesfamilienministerium zum Gesetzentwurf Elterngeld plus. Was sehen Sie da für Kritikpunkte?
Prälat Neher: Das Hauptproblem beim Elterngeld Plus ist natürlich das gleiche, wie beim Elterngeld. Weil davon überwiegend gutverdienende Eltern profitieren, während Bezieher von Arbeitslosengeld 2 ausgeschlossen sind. Ich meine, dass dem Staat jedes Kind und jede Erziehungsleistung gleich viel wert sein sollte.
domradio.de: Wie könnte man das denn anders regeln?
Prälat Neher: Unser Vorschlag ist, dass wir das Elterngeld und das Betreuungsgeld zusammenführen und dann eine einkommensunabhängige Leistung haben. Dann könnte man den Sockelbetrag von 300 Euro von Anfang an bezahlen. Oder man nimmt die drei Jahre zusammen und erhält 900 Euro im Monat, was im Übrigen dem momentanen Durchschnitt des Elterngeldes entspräche. Das wäre eine Form, die einkommensunabhängig wäre und wo dann auch deutlich würde, dass dem Staat jedes Kind gleich viel wert ist.
domradio.de: Also die Reichen sollen genauso viel bekommen, wie die Armen?
Prälat Neher: Genau, das wäre der Sinn des Ganzen, denn es ist ja nicht einsichtig, dass die Kinder von Einkommensschwächeren weniger wert sind. Gerade jene Kinder und Eltern, die über ein geringeres Einkommen verfügen, sind besonders darauf angewiesen, während die Gutverdienenden nicht vorrangig auf das Elterngeld angewiesen sind.
domradio.de: Brauchen die Reichen das dann überhaupt noch?
Prälat Neher: Es geht ja darum, wie man den Wert des Kindes grundsätzlich bewerten und den Eltern ermöglichen kann, zu entscheiden. Es geht ja um die Wahlfreiheit. Um die Frage, ob Eltern sich die Zeit nehmen und für die Erziehung zu Hause bleiben, oder ob sie eine entsprechende Betreuung organisieren. Das Entscheidende ist, dass das eine Entscheidung der Eltern ist ohne jede staatliche Vorgabe und Bewertung.
domradio.de: Halten Sie - abgesehen davon- die Einführung von Elterngeld plus für sinnvoll?
Prälat Neher: Wenn man von den Dingen absieht, die ich nannte, dann ist es sehr zu begrüßen, dass sich Teilzeitarbeit für Eltern stärker lohnt soll, und dass die Elternzeit flexibler gestaltet werden kann. Es ist sehr positiv zu bewerten, dass dann eben auch Familien, bei denen sich die Eltern gemeinsam um ihr Kind kümmern, dann auch gleichzeitig das Elterngeld beziehen können, weil es dann den sogenannten Partnerschaftsbonus gibt, der Eltern länger unterstützt. Diese größere Flexibilität ist absolut zu begrüßen, weil es eben die Entscheidungsfreiheit der Eltern, die in diesem Einkommensspektrum sind, deutlich erhöht.
domradio.de: Können sich Familien heute eigentlich noch erlauben, auf ein Einkommen zu verzichten - das einer zuhause beim Kind bleibt?
Prälat Neher: Wenn das Einkommen stimmt, ist es sicherlich möglich, dass einer ganz zu Hause bleibt. Die Herausforderungen für viele Familien haben aber in den letzten Jahren enorm zugenommen. Oft reicht das Einkommen eines Elternteiles nicht, um Miete, Essen und Kleidung für die ganze Familie zu bezahlen. Letztlich ist es aber auch immer eine Frage, was Vätern und Müttern wieviel wert ist. Ein Kind ist auch ein Wert an sich, der nicht nur materiell bewertet werden darf. Das ist auch ein Abwägen. Aber die Grundfrage bleibt: Sind die Löhne und Gehälter so, dass jemand einigermaßen gut die Kinder großziehen kann. Wünschenswert wäre es allemal, dass dann tatsächlich ein Elternteil zu Hause bleibt und sich dieser Sorge um das Kind annimmt. Das ist kein antiquiertes Modell. Es ist zu fördern und muss möglich sein. Es ist aber durch die Einkommenssituation in den letzten Jahren sicherlich nicht leichter geworden.
Das Interview führte Hilde Regeniter.