Caritas-Leiter sieht schlimmste Flüchtlingslager im Ostkongo

"Es geht dort ums nackte Überleben"

Im Ostkongo spielt sich derzeit eine der schwersten humanitären Krisen Afrikas ab. Die Caritas hilft mit lokaler Unterstützung bei der Wasserversorgung in Flüchtlingslagern. Oliver Müller von Caritas International war vor Ort.

Lager für Binnenvertriebene, Goma (Kongo) / © Wang Guansen (dpa)
Lager für Binnenvertriebene, Goma (Kongo) / © Wang Guansen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die Situation für die Menschen in Goma erlebt? 

Oliver Müller, Caritas International (CI)
Oliver Müller, Caritas International / ( CI )

Oliver Müller (Leiter Caritas International): Es ist eine extrem unruhige und beunruhigende Situation dort. Goma muss man sich als eine Stadt mit inzwischen zwei Millionen Menschen vorstellen, die komplett von verschiedenen Rebellengruppen umstellt ist. Das heißt, nach Goma kommt man auf dem Landweg weder rein noch raus, sondern nur über den Kiwusee, an dem die Stadt liegt oder über den Luftweg. 

Diese Situation der Abgeschlossenheit verursacht viele Probleme: Preise steigen, 700.000 Menschen haben sich dort in Sicherheit gebracht. Das sind Inlandsvertriebene, die unter prekären Bedingungen leben. Und die Menschen spüren, dass die Gewalt täglich zunimmt. 

Oliver Müller

"Es ist immer wieder von Vergewaltigungen als Kriegsinstrument die Rede."

DOMRADIO.DE: Wer ist besonders stark betroffen? 

Müller: Es ist die einfache Landbevölkerung, die bei diesem Konflikt, in dem es letztlich um die reichen Naturschätze des Ostkongo geht, zwischen die Fronten gerät. Sie muss unfassbare Gewalt erleiden. Es ist immer wieder von Vergewaltigungen als Kriegsinstrument die Rede. Diese Menschen werden vertrieben und kommen oftmals nur mit dem, was sie noch am Leib betragen, in Goma an und füllen dort riesige Lager. Ihr Überleben hängt von äußerer Hilfe ab.

Diese einfachen Menschen sind die Hauptleidtragenden dieses Konflikts, der verschiedene Verursacher hat. Da gehört Ruanda dazu, dieses kleine Land, das an Bodenschätzen offensichtlich interessiert ist und eine der wesentlichen Rebellengruppen mit unterstützt. Aber es gibt auch genügend andere Akteure. Es ist inzwischen recht unübersichtlich dort. 

Säuglinge und ihre Mütter im Flüchtlingslager, Goma. Rechts im Bild ein Mitarbeiter der lokalen Caritas und Oliver Müller, Caritas International (CI)
Säuglinge und ihre Mütter im Flüchtlingslager, Goma. Rechts im Bild ein Mitarbeiter der lokalen Caritas und Oliver Müller, Caritas International / ( CI )

DOMRADIO.DE: Es gibt diese riesigen Flüchtlingscamps, dort waren Sie auch. Was haben Sie dort erlebt? 

Müller: Ich habe jetzt bei meiner Arbeit für Caritas International sehr, sehr viele Flüchtlingscamps gesehen. Und die in Goma im Ostkongo sind wirklich mit die schlechtesten, was die Ausstattung betrifft. Ich erinnere mich an ein Camp, wo die Caritas noch die einzige ist, die jetzt Wasser verteilt.

Es mangelt an allem. Die Menschen haben wirklich nichts. Sie leben oftmals mit sechs Personen auf vier Quadratmetern, das kann man sich kaum vorstellen, so eingeschränkt sind die Hilfsmaßnahmen. Zugleich gab es gerade letzte Woche noch den Beschuss eines Flüchtlingslagers von einer der Rebellengruppen, von einem der vielen Hügel in der Nachbarschaft. Momentan werden die Verhältnisse eher noch schlechter als besser. 

DOMRADIO.DE: Mit wem sonst haben Sie sich getroffen? 

Müller: Ich habe mich mit der Caritas Goma getroffen, die dort eine der ganz großen und wesentlichen Hilfsorganisationen ist und wie die Kirche überhaupt eine hervorragende Reputation hat. So waren wir dann zum Beispiel auch mit dem Bischof von Goma in den Flüchtlingslagern. Er ist in das Lager gegangen, wo eine Woche zuvor der schwere Raketenbeschuss war, bei dem 35 Menschen ums Leben kamen, und hat dort eine Botschaft direkt vom Heiligen Stuhl des Papstes zu den Menschen gebracht und dort verlesen. 

Nach einer Explosion in einem Flüchtlingslager am Rande von Goma / © Moses Sawasawa (dpa)
Nach einer Explosion in einem Flüchtlingslager am Rande von Goma / © Moses Sawasawa ( dpa )

Wir standen in mitten der Trümmer. Das war ein extrem eindrückliches Zeichen, ein Zeichen der Anteilnahme. Aber auch ein Zeichen, dass die Kirche sich da engagiert und eigentlich die wichtigste Stimme ist in einem Land, in dem der Staat schwach ist, die kongolesische Strukturen wenig Vertrauen genießen und so viele, auch ausländische Akteure dort ihre eigenen Interessen suchen. 

DOMRADIO.DE: Caritas International unterstützt seit 30 Jahren Vertriebene im Kongo über die lokale Partnerorganisation Caritas Goma. Wie können Sie helfen?

Müller: Es geht dort ums nackte Überleben. Das heißt, die Hilfen beinhalten Lebensmittel und vor allem Wasser. Wasser ist ein riesiges Problem in den Flüchtlingslagern und die Caritas hat sich darauf spezialisiert, die Menschen damit zu versorgen. Was uns zunehmend Sorgen bereitet, ist die Finanzierung dieser Hilfen. Wir haben Gott sei Dank Spendenmittel dafür gehabt, die aber jetzt zur Neige gehen. Wir hatten auch Mittel des Auswärtigen Amtes, für die wir sehr dankbar sind. Aber auch da steht die Weiterförderung momentan noch nicht fest. 

Wasserversorgung durch die Caritas im Flüchtlingslager, Goma (CI)
Wasserversorgung durch die Caritas im Flüchtlingslager, Goma / ( CI )

Kongo ist das Paradebeispiel für eine vergessene Katastrophe. Eine UN-Mitarbeiterin sagte zu mir: "Hier ist seit 30 Jahren Krieg und die Welt ist müde, schlechte Nachrichten aus dem Kongo zu hören". Das ist leider ein Stück weit so und trotzdem denke ich, ist es eine Verantwortung von Hilfsorganisationen, aber auch der Weltgemeinschaft, gerade jetzt diesen Landstrich nicht zu vergessen. 

Das Interview führte Dagmar Peters.

Quelle:
DR