In der Werkstatt der Radstation am Neusser Hauptbahnhof werden Reifen getauscht, Schrauben nachgezogen und Bremsen richtig eingestellt – kurz, hier werden Fahrräder wieder auf Vordermann gebracht. Und zwar von Menschen, die aufgrund verschiedener Probleme in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind und nun wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden.
Von der Arbeitsmaßnahme zur Ausbildung
Einer von ihnen ist Christoph Weier. Er hat in der Radstation in Dormagen bereits eine sogenannte "Arbeitsmaßnahme" erfolgreich abgeschlossen und konnte so aus der Arbeitslosigkeit herauskommen. In der Radstation in Neuss macht er jetzt seine Ausbildung zum Zweiradmonteur.
Genau das richtige für ihn: "Die Arbeit hat mir schon in der Maßnahme auf jeden Fall deswegen schon Spaß gemacht, weil ich früher auch eh an meinen eigenen Fahrrädern herumgeschraubt habe", erzählt er. "Wenn ich dann drüben in Dormagen schon vorher gefragt worden bin, ob ich die Ausbildung machen will, dann schließt sich das quasi ineinander."
Zwei Jahre dauert die Ausbildung in der Radstation. Eigentlich würde sie dreieinhalb Jahre lang gehen, dafür werden die Kosten aber nicht komplett übernommen. Deswegen will Weier danach noch anderthalb Jahre in einem anderen Betrieb dranhängen. Ihm ist wichtig: "Ich will möglichst viel in die Fachrichtung mitnehmen." Der Verdienst sei zwar nicht besonders hoch. "Aber es geht eher darum, dass man nachher was aufzuweisen hat und Fuß fassen kann."
Caritas und Jobcenter kooperieren
Zuständig für diese Arbeitsmaßnahmen in den Radstationen ist die Caritas, unterstützt von den Städten, dem Jobcenter und dem Land NRW. Die Arbeit dort soll den Menschen wieder mehr Struktur in den Alltag bringen, erklärt Vasco Lopez, bei der Caritas Neuss Fachbereichsleiter für Arbeit und Beschäftigung: "Beschäftigungsförderung passiert in erster Linie immer vor der Aufnahme der Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt. Das heißt, wieder hinführen zur Beschäftigung, Tagesstruktur entwickeln, wieder morgens aufstehen", so Lopez.
Es gehe darum, dass die Menschen ein Ziel hätten – und Sinn in ihrem Leben: "Dass man nicht nur zu Hause sitzen will, weil es einem eigentlich nicht guttut, sondern dann eine sinnvolle Beschäftigung hat, mit Kunden im Umgang ist, einfach rausgehen kann, ein Ziel hat, wofür man etwas macht."
Die Menschen, die in diesem Rahmen in der Radstation arbeiten, haben ganz verschiedene Hintergründe: es sind Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, aber auch mit Sucht- oder Wohnungslosenerfahrungen. "Eigentlich ist es ein Querschnitt über verschiedene Problemlagen", erklärt Lopez. "Die Arbeitslosigkeit ist meistens ja nicht die Folge, sondern vielleicht sogar Voraussetzung für verschiedene andere Erkrankungen, die dann noch befördert werden."
Fahrradhändler hatten kein Interesse
Insgesamt vier Radstationen gibt es im Rhein Kreis Neuss: außer in Neuss noch in Grevenbroich und Dormagen und seit Mitte März auch in Rommerskirchen. Dass ausgerechnet die Caritas für diese Stationen zuständig ist, war gar nicht von Anfang an so geplant, erzählt der Leiter der Neusser Radstation, Heinrich Ammertmann: "Das Projekt war damals ausgeschrieben und man hat dann festgestellt, dass die freien Fahrradhändler da kein Interesse dran hatten. Und dann ist man halt an verschiedene karitative Zwecke, zum Beispiel die Caritas herangetreten und die haben dann gesagt: Ja, das ist eine gute Geschichte, da können wir unsere Arbeitsmaßnahmen und Förderungsmaßnahmen übers Jobcenter dann mit integrieren."
Wie erfolgreich ist das Konzept?
Dennis Schmieding leitet die Werkstatt der Radstation am Neusser Hauptbahnhof. Er hat die Erfahrung gemacht, dass das Arbeitsumfeld dort den Menschen gut tut. Manche hätten sogar alle Möglichkeiten der bezahlten Arbeit dort schon ausgeschöpft, seien aber ehrenamtlich dabeigeblieben.
Wie viele der Teilnehmer letztendlich auf den ersten Arbeitsmarkt weitervermittelt werden könnten, lasse sich nur schwer beziffern. "Das hängt auch ab von Faktoren wie Alter, beruflicher Vorerfahrung und natürlich der persönlichen Motivation", erklärt er. Aber auch der Arbeitsalltag an sich sei für die Mitarbeiter schon eine Bereicherung: "Es ist ja auch für andere Bereiche des Lebens gut, wenn man diese Struktur hat."
Auch Heinrich Ammertmann und Vasco Lopez wollen der Erfolg der Arbeitsmaßnahmen in den Radstationen nicht alleine über Zahlen messen. Ein Kriterium ist für Lopez beispielsweise auch die Beständigkeit der Arbeit: ob jemand die festgesetzte Zeit über also immer zur Arbeit kommt. Und für beide ist es auch ein persönliches Anliegen, die Menschen dort zu begleiten. "Ich hab immer schon gerne mit Leuten zusammengearbeitet", erzählt Ammertmann. "Früher im Einzelhandel und dann seit über zehn Jahren in diesem Bereich 'Arbeit und Beschäftigung'. Und man sieht, wie der Erfolg dann da ist.“
Tipp für das Rad nach der Winterpause
Christoph Weier macht seine Ausbildung jedenfalls viel Freude. Und für alle, die ihrer Räder für die erste längere Radtour im Frühjahr wieder fit machen wollen, hat er einen Tipp: "Generell ist drüber zu gucken und zu prüfen, was wie gut funktioniert, nie verkehrt." Viele Fahrräder haben schließlich den Winter über im Keller gestanden.
"Die wichtigsten Sachen sind auf jeden Fall aus sicherheitstechnischen Gründen die Bremsen. Und alles was Geräusche macht. Einfach auf Geräusche achten und wenn irgendwas vorfällt, lieber vorbeikommen als was falsch zu machen. Man kann natürlich auch viel selber machen, aber man kann auch viel selbst kaputt reparieren, allein wenn man Sachen zu fest zieht. Man kann sich so viele Schrauben durchnudeln."