Caritas will Finanzwissen an junge Menschen bringen

Erwachen meist erst später

Um die finanzielle Bildung ist es in Deutschland nicht gut bestellt. Junge Menschen verschulden sich in der Folge. Der Deutsche Caritasverband will daran etwas ändern und startet deswegen mit der ING Bank das Projekt "Young Finance".

Symbolbild Jugendliche mit leerem Geldbeutel / © Chester-Alive (shutterstock)
Symbolbild Jugendliche mit leerem Geldbeutel / © Chester-Alive ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Woran genau hapert es denn bei der Finanzbildung junger Menschen? Was würden Sie sagen?

Karin Vorhoff (Leiterin des Referats Soziale Lebenslagen und Solidarität beim Deutschen Caritasverband): Junge Menschen bekommen Taschengeld, haben vielleicht auch das erste Taschengeldkonto. Sie haben aber kaum Einblicke, wie so ein Konto funktioniert. Mit 18 sind sie dann plötzlich voll geschäftsfähig und können Verträge abschließen, ohne dass die Eltern noch unterschreiben und zustimmen müssen.

Auch schon vorher, wenn junge Menschen vielleicht mit 16 aus der Schule kommen und eine Ausbildung antreten, haben sie ihr eigenes Geld und können voll darüber verfügen. Dann lauern einige Fallen. Die früheste gibt es vielleicht bei Onlinespielen, wo man sich zusätzliche Funktionen erkaufen kann. Da ist zwar ein bisschen ein Riegel vorgeschoben worden, aber trotzdem ist das Erwachen dann meistens später da.

DOMRADIO.DE: Würden Sie sagen, das ist ein größeres Problem als früher? Sind die Fallen heute größer, gerade wenn Sie das Internet ansprechen?

Vorhoff: Insgesamt hat es natürlich zugenommen, nicht bar zu bezahlen. Für junge Menschen ist das besonders interessant. Es geht kein Geld mehr durch die Hand, sondern es läuft über eine EC-Karte. Die Abbuchung ist erst später sichtbar. Online-Käufe sind oft möglich als Raten-Käufe – als "Buy now, pay later" ("Kaufe jetzt, bezahle später", d. Red.).

Das ist eine Falle, die mittlerweile auch Läden wie H&M zum Beispiel aufgestellt haben. Auf Rechnung können da auch Minderjährige etwas erstehen, in der Hoffnung, dass sie es dann bezahlen werden bzw. ihre Eltern dafür geradestehen. Oder wenn sie 18 sind, dann stehen sie mit kleineren Ratenzahlungen da, die sich dann schnell summieren können zu einem Berg, den man nicht mehr bewältigen kann.

Karin Vorhoff (Leiterin des Referats Soziale Lebenslagen und Solidarität beim Deutschen Caritasverband)

"Wir sagen, dass Finanzwissen, Wissen über Geld und über Haushaltsplanung dahin kommen muss, wo wir die jungen Leute antreffen, nämlich in den Schulen."

DOMRADIO.DE: Da wollen sie eingreifen und aufklären. Geplant ist, dass Caritas-Mitarbeitende aus der Schuldnerberatung in Zukunft Workshops entwickeln und durchführen. Also das heißt, es ist so ein bisschen die Idee, Präventionsarbeit zu leisten, bevor das Kind in den Brunnen fällt.

Vorhoff: Genau das ist der Gedanke, weil Schuldnerberatung eigentlich erst dann aktiv werden kann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, wenn also eine Verschuldung oder gar eine Überschuldungssituation eingetreten ist. Wir sagen, dass Finanzwissen, Wissen über Geld und über Haushaltsplanung dahin kommen muss, wo wir die jungen Leute antreffen, nämlich in den Schulen.

Das muss damit verknüpft werden, was die Menschen ohnehin lernen, wenn sie vielleicht einen Wirtschaftskurs belegt haben. Da gilt es, dass wir hier zusätzliche Workshops und Präventionseinheiten mit Schuldnerberatungen und vielleicht auch betroffenen Schuldnerinnen und Schuldnern anbieten. Die können den jungen Menschen verdeutlichen, wie sie ihre Finanzen im Blick behalten können und was es bedeutet, tatsächlich in die Verschuldungssituation rein zu kommen und sich etwa mit einem negativen Schufa-Eintrag die Anmietung der ersten eigenständigen Wohnung zu verbauen.

DOMRADIO.DE: Sehen Sie da auch das Elternhaus oder die Schule im Allgemeinen noch mehr in der Verantwortung?

Vorhoff: Das Elternhaus ist sicher in der Verantwortung. Ich gehe mal davon aus, dass in Familien über Geld gesprochen wird und auch über Geld verhandelt wird. Aber natürlich wollen junge Menschen auf dem Weg in die Selbstständigkeit sehr gerne auch eigene Konsumentscheidungen treffen. Und die treffen sie vielleicht auch nicht immer so, dass sie jede Klausel im Kleinkreditratenvertrag durchgelesen haben oder überhaupt dafür sensibilisiert sind, was in solchen Verträgen drinsteht. Letzthin habe ich mal mit den Kumpels meines Sohnes gesprochen. Die sind alle schon knapp über 20 und denen war nicht klar, was eigentlich ein Dispokredit tatsächlich bedeutet.

Karin Vorhoff (Leiterin des Referats Soziale Lebenslagen und Solidarität beim Deutschen Caritasverband)

"Wir haben nämlich ein gemeinsames Interesse, nämlich Finanzwissen rechtzeitig an junge Menschen zu bringen. Wir haben in unserer Schuldnerberatung das Interesse, möglichst wenig junge Menschen in der Schuldnerberatung zu sehen und hier Präventionsarbeit zu leisten."

DOMRADIO.DE: Die ING-Bank unterstützt dieses Projekt jetzt mit 250.000 Euro. Warum kooperiert die Caritas mit einer Bank bei diesem Thema?

Vorhoff: Letztes Jahr hat sich das im Sommer entwickelt und wir haben in einem gemeinsamen Prozess dieses Projekt entwickelt. Wir haben nämlich ein gemeinsames Interesse, nämlich Finanzwissen rechtzeitig an junge Menschen zu bringen. Wir haben in unserer Schuldnerberatung das Interesse, möglichst wenig junge Menschen in der Schuldnerberatung zu sehen und hier Präventionsarbeit zu leisten. Präventionsarbeit ist aus der Schuldnerberatung, zumindest soweit sie aus öffentlichen Mitteln finanziert ist, nicht möglich. Das gehört nicht zu dem Auftrag.

Präventionsarbeit leisten die Schuldnerberatungsstellen, aber eben meistens mit kleineren Projektmitteln, Spendenmitteln und Eigenmitteln der Verbände. Da sagen wir, dass wir das mit einem starken Partner jetzt doch mal ausprobieren, solange wir unsere jeweiligen Felder gut abgesteckt haben. Also es ist ganz klar, dass die Bank keine Werbung für sich im Kontext der Arbeit mit den jungen Menschen macht.

Das Interview führte Verena Tröster.

Caritas Deutschland

Der Deutsche Caritasverband (DCV) ist der größte Wohlfahrtsverband Europas. Die Dachorganisation katholischer Sozialeinrichtungen setzt sich für Menschen in Not ein. Mit rund 690.000 hauptamtlichen Mitarbeitern - 80 Prozent sind Frauen - ist die Caritas zudem der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Der Begriff "caritas" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Nächstenliebe. Sitz des 1897 gegründeten Verbands ist Freiburg. Wichtige Bedeutung haben die Büros in Berlin und Brüssel.

Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus (KNA)
Hinweisschild der Caritas / © Michael Althaus ( KNA )
Quelle:
DR