DOMRADIO.DE: Können wir mit Pflegekräften aus anderen Ländern so den Fachkräftemangel abwenden?
Helene Maqua (Leiterin der Altenhilfe beim Diözesan-Caritasverband im Erzbistum Köln): Ich denke, man kann den Fachkräftemangel mit Fachkräftegewinnung aus dem Ausland nicht abwenden, aber man kann ihn abmildern. Es ist auf jeden Fall eine absolute Bereicherung einer Einrichtung, wenn sie auch ausländische Mitarbeiter in ihren Reihen hat und so eine andere Kultur ein bisschen mit reinbringt.
DOMRADIO.DE: Sie haben Erfahrung mit ausländischen Fachkräften. Da gibt es sprachliche Hürden und jede Menge Bürokratie, Abschlüsse müssen anerkannt werden. Wie leicht oder schwierig ist das denn?
Maqua: Es ist für die Einrichtungen nicht einfach, an ausländische Pflegefachkräfte zu kommen. Es ist ein längerer Weg. Man braucht ungefähr ein Jahr, manchmal sogar zwei Jahre vom Anwerben der fähigen Fachkraft bis hin zu ihrem Einstellen in der Einrichtung. Das ist schon eine lange Zeit, die sich aber auch lohnt.
Wir müssen unsere Einrichtungen darauf vorbereiten. Das heißt, ich muss auch dafür sorgen, dass diese Menschen hier bei uns willkommen sind und auch integriert werden, und das nicht nur in den Organisationsablauf in der Einrichtung.
Was macht das zum Beispiel mit meinem Stammpersonal, wenn da neue Mitarbeiter kommen? Das ist in der Regel nicht so schwierig. Schwieriger ist schon die Frage, wie man diese Menschen auch in Deutschland integriert bekommt. Das heißt, man braucht eine Wohnung, man braucht auch Angebote für die Freizeit. Man braucht Angebote für die Familie.
In Brasilien ist es zum Beispiel üblich, dass alle Kinder einen Anspruch auf Betreuung haben und eine umfassende Betreuung bekommen. Was macht man denn, wenn eine Mutter sagt: Ich komme her, ich brauche aber auch Kindergartenbetreuung für mein Kind? Das könnte schon eine Hürde sein.
DOMRADIO.DE: Im Jahr 2019 war der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn in Mexiko, um dort um Pflegekräfte für deutsche Kliniken und Heime zu werben. Mit welchem Erfolg?
Maqua: Ich kann es Ihnen nicht genau in Zahlen sagen. Aber es war kein durchbrechender Erfolg, was an vielen Parametern gelegen hat. Die Ausbildung in Mexiko zur Pflegefachkraft ist sehr gut.
Wenn diese Menschen in unsere Einrichtungen kommen, gehen sie von einer anderen Aufgabenstellung aus. Ihr Beruf ähnelt in Mexiko ziemlich dem Beruf des Arztes und es besteht im Krankenhaus keine große Lücke zwischen einer ärztlichen Meinung und einer pflegerischen Meinung. Da begegnet man sich eher auf Augenhöhe.
DOMRADIO.DE: Ist Deutschland für gut ausgebildete Pflegekräfte überhaupt attraktiv?
Maqua: Eigentlich schon. Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr eine kleine, nicht repräsentative Umfrage unter ausländischen Pflegefachkräften gestartet, bei der vier von fünf der Befragten gesagt haben, Deutschland sei attraktiv und ein sicheres Land.
Man weiß um die Strukturen der Gesundheits- und Pflegeversorgung, die aus dem Blick des Auslands gut finanziell ausgestattet ist und die sichere Arbeitsplätze bietet.
Allerdings müssen wir auch aufpassen, dass nicht der Eindruck entsteht, wir hätten Schwierigkeiten mit der Integration von Menschen aus dem Ausland. Negative Presse im Hinblick auf Ausländerfeindlichkeit schwappt natürlich auch rüber.
DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie diese aktuelle Initiative von Heil und Baerbock? Lenkt das nicht nur von den Missständen hierzulande ab?
Maqua: Ich bewerte diese Initiative positiv. Alles, was unser Land bei potenziellen Fachkräften in einem positiven Blick darstellt, kann nur gut für uns sein.
Wir werden mit dem demografischen Wandel einen deutlichen Rückgang an Fachkräften haben, nicht nur im pflegerischen medizinischen Bereich, sondern in allen Bereichen. Da kann es uns nur helfen, wenn wir Menschen, die gerne kommen möchten, auch anwerben und ihnen die Schritte erleichtern.
Das Interview führte Katharina Geiger.