Catholic News Agency zur US-Präsidentschaftswahl

Keine katholische Empfehlung

Donald Trump wird der 45. Präsident der USA. Die Bevölkerung hat an den Wahlurnen entschieden. Welche Rolle die katholische Kirche im Wahlkampf gespielt hat, verrät Anian Christoph Wimmer von der CNA im domradio.de-Interview.

Donald Trump oder Hillary Clinton? / © Justin Lane (dpa)
Donald Trump oder Hillary Clinton? / © Justin Lane ( dpa )

domradio.de: Die katholische Kirche hat im aktuellen Wahlkampf fast keine Rolle gespielt - das sagen viele Beobachter. Teilen Sie diese Einschätzung?

Anian Christoph Wimmer (Chefredakteur der dt. Ausgabe der Catholic News Agency): Überhaupt nicht. Wir haben eine Gruppe von rund 70 Millionen Katholiken im Land, einige Millionen davon sind wahlberechtigt. Da können wir nicht vernachlässigen, dass die zumindest teilweise ihren Glauben durchaus ernst nehmen, und er eine Rolle spielt bei der Gewissensbildung vor der großen Wahlentscheidung.     

domradio.de: Welche katholischen Stimmen haben sich denn in den vergangenen Wochen zu Wort gemeldet?

Wimmer: Die wichtigsten sind wahrscheinlich die der US-amerikanischen Bischöfe, die sogar als Publikation schon seit 2015 vorliegen. Die Bischöfe haben nämlich so eine Art Hilfestellung veröffentlicht, sozusagen eine "Gewissensbildung für gläubige Staatsbürger". Da werden die ganzen moralischen heißen Eisen noch einmal angegangen. Außerdem erklären die Bischöfe, wie wichtig es ist, dass die Kirche einerseits zwar keine Partei ergreift, aber andererseits den Menschen in den wichtigen Fragen Entscheidungshilfen an die Hand geben will.   

domradio.de: Das heißt eine Wahlempfehlung haben sie nicht gegeben?

Wimmer: Nein. Und das hat auch eine gute Tradition bei den Amerikanern und grundsätzlich auch in angelsächsischen Nationen allgemein. So gab es in den USA ja noch nie eine katholische Partei per se. Und wenn man einen Blick auf die katholische Beteiligung bei den letzten Wahlen wirft, hat sich herausgestellt, dass die mal so, mal so wählen. Übrigens meistens mit dem Wahlsieger. Aber das ist durchaus differenziert und hängt nicht etwa aus historischen Gründen an bestimmten Parteien oder Persönlichkeiten oder Bewegungen.    

domradio.de: Wie sieht es denn bei den katholischen Medien aus?

Wimmer:  Michael Warsaw hat sich tatsächlich geäußert - der Verleger der wohl wichtigsten katholischen Zeitung "National Catholic Register" und zugleich Chef von EWTN, also dem weltweit größten religiösen Mediennetzwerk, zu dem letztlich auch meine Agentur, die Catholic News Agency gehört.  Er hat zwar auch keine explizite Entscheidungshilfe an die Hand gegeben, aber zwischen den Zeilen liest man doch sehr deutlich, wen er favorisiert. Eine der entscheidenden Fragen für ihn ist die Neubesetzung eines Richters am Supreme Court als Nachfolger für den verstorbenen Antonin Scalia, der als führender konservativer Kopf unter den Richtern galt.

Im Moment gibt es nur acht Mitglieder am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten und der oder die Nachfolger(in) Scalias spielt eine entscheidende Rolle mit Blick auf ganz wichtige, gesellschaftlich auch stark umstrittene Themen. Dazu gehört zum Beispiel das Thema der Krankenversicherung. In Amerika haben wir ja keine Versicherung wie hier bei uns.  Und da haben jetzt Firmen wie zum Beispiel EWTN, aber auch Nonnen wie die armen Schwestern der Armen zum Beispiel, den Staat verklagt. Es geht darum, dass sie Abtreibungen und andere Dinge, die mit der katholischen Lehre nicht vereinbar sind, für ihre Mitarbeiter finanzieren müssen. Also, da steht momentan eine Menge auf dem Spiel, auch juristisch, wo katholische Einrichtungen Krankenhäuser, Waisenhäuser, Armenspeisen, aber auch Medienhäuser wie unseres mit Haut und Haaren dabei sind.

Dazu muss man wissen, dass wir ja nicht über Kirchensteuern, sondern über Spenden finanziert sind, das ist eine ganz andere Hausnummer. Dementsprechend sagt  Michael Warsaw eben auch, dass das alles eine ganz wichtige Rolle spielt; und er erinnert an Fragen wie die Abtreibung oder Verhütung und wie die zum Beispiel finanziert werden.

domradio.de: Trump wegen seiner Einstellung zum Lebensschutz zu empfehlen müsste aber selbst Wertekonservativen schwer fallen - schließlich ist Trump in dritter Ehe verheiratet und nicht gerade für einen tugendhaften Lebenswandel berühmt? 

Wimmer: Da haben Sie Recht. Deswegen tut auch Michael Warsaw das auch nicht explizit. Ich persönlich interpretiere ihn so, dass er suggeriert, dass Trump aus Gewissensgründen sozusagen das kleinere Übel ist. So geht es wohl fast allen US-Amerikanern, so sie denn hoffentlich wählen gehen: Sie stimmen eigentlich nicht für einen Kandidaten oder eine Kandidatin, sondern gegen den anderen, wählen also das in ihren Augen kleinere Übel. Bei Trump ist es halt so, dass meine Kollegen in den USA mit sehr kritischen Augen zur Kenntnis genommen haben, dass er sich in Sachen Lebensschutz auch erst relativ spät und zögerlich positioniert und sich ganz explizit bei katholischen Intellektuellen konservativer Couleur angebiedert hat.     

domradio.de: Die Migranten liegen Papst Franziskus besonders am Herzen. Auch in dieser Hinsicht ist Trump ja eigentlich kaum tragbar: Er hat immer offen gegen die Migranten aus Mexiko und Mittelamerika gehetzt, sie als Verbrecher diffamiert und er will eine Schutzmauer an der Grenze zu Mexiko hochziehen. Kommen da katholische Trump-Befürworter nicht ganz schön in Erklärungsnot?   

Wimmer: Ja. Das sehen Sie auch in der öffentlichen Debatte. Wir erinnern uns, wie sich Papst Franziskus auf dem Rückflug aus Mexiko doch recht deutlich darüber geäußert hat, ob jemand überhaupt noch ein Christ ist, der Mauern hochziehen will, wie Trump es ja gesagt hat. Danach gab es einen heftigen Schlagabtausch. Hinzu kommt die Tatsache, dass im Jahr 2016 die katholische Bevölkerung der USA ganz stark geprägt ist durch die spanischsprachigen Einwanderer. Auch unter meinen katholischen Journalistenkollegen in den USA sind ganz viele Latinos. Die sehen das Gebaren Trumps in dieser Frage natürlich mit Argusaugen. Und da gerät schon mancher Konservativer in Erklärungsnot,  ob er nun Katholik ist oder nicht, wenn er erläutern soll, wie eine solche Haltung mit christlichen Werten vereinbar ist.          

domradio.de: Einige der so genannten Swing-States - Florida, North Carolina, Colorado und Ohio - haben eine bedeutende katholische Bevölkerung. Gibt es verlässliche Angaben darüber, wem die Katholiken tendenziell eher ihre Stimme geben?

Wimmer: Es gibt zwar eine Menge Untersuchungen zum Wahlverhalten, aber nur wenige, die die religiöse Zugehörigkeit der Wähler berücksichtigen. Bei denen geht es kreuz und quer, was die Prognosen für die Katholiken angeht. Das liegt daran, dass die Katholiken in den USA aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Von arm bis reich, von links bis rechts  - da ist alles dabei unter den Katholiken. Wir haben zum Beispiel mit einem Experten der Georgetown University gesprochen, der sich wirklich auskennt, der hat gesagt: "Ich kann euch gar nichts sagen." Wenn die ersten Prognosen reinkommen, dann wissen wir ein bisschen mehr, aber bis dahin ist alles völlig unklar.  

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Anian Christoph Wimmer (privat)
Anian Christoph Wimmer / ( privat )
Quelle:
DR