Am Morgen um 8.55 Uhr startete Papst Franziskus vom römischen Flughafen Fiumicino. Seine Ankunft in der Hauptstadt Santiago wird gegen Mitternacht mitteleuropäischer Zeit erwartet.
Ich bitte euch, mich mit eurem Gebet auf meiner Reise nach Chile und Peru zu begleiten.
— Papst Franziskus (@Pontifex_de) 15. Januar 2018
Mitreisende Journalisten berichteten auf Twitter, Vatikansprecher Greg Burke habe als Geschenk des Papstes eine Karte verteilt, die zu Frieden mahne. Ein darauf abgebildetes Schwarz-Weiß-Foto zeigt einen Jungen, der seinen toten Bruder nach dem Atombombenabwurf auf Nagasaki auf dem Rücken zum Krematorium trägt. Der Kommentar des Papstes auf der Rückseite: "... die Frucht des Krieges". Franziskus hatte die Karte zum Jahreswechsel anfertigen lassen.
Vatikansprecher Burke verteilt an Journalisten ein Geschenk des Papstes. Die Karte, die #pontifex_de zum Jahreswechsel hat anfertigen lassen. Ein Junge bringt toten Bruder nach Atombombenabwurf auf Nagasaki zum Krematorium. Der Kommentar des Papstes: „... die Frucht des Krieges“ pic.twitter.com/lypl6VBLcI
— Jürgen Erbacher (@JuergenErbacher) 15. Januar 2018
Bachelets Amtszeit kurz vor Ende
Einmal noch darf Chiles Präsidentin Michelle Bachelet während des Papstbesuchs auf die große Bühne. Die Amtszeit der Linkspolitikerin endet in einigen Wochen, dann wird ihr rechtskonservativer Nachfolger Sebastian Pinera das Präsidentenamt übernehmen. Chile erlebt diesen personellen Wechsel zum zweiten Mal. Bachelet hatte das Land bereits von 2006 bis 2010 regiert, Pinera war ihr von 2010 bis 2014 gefolgt.
Der Milliardär und Unternehmer gewann im Dezember die Stichwahl gegen den Linkskandidaten Alejandro Guillier mit deutlichem Vorsprung. Chile wird also wieder nach rechts rücken. Ein Papstbesuch inmitten einer Phase der Übergabe der Macht und der Regierungsgeschäfte ist eher ungewöhnlich. Deswegen ist es eine spannende Frage, wie Franziskus dem bereits gewählten Präsidenten gegenübertritt, der um die Ehre und das Medienspektakel eines Papstbesuches gebracht wird.
Vielzahl von Herausforderungen
Pinera steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Einerseits erwarten seine Landesleute, dass der gewiefte, aber bisweilen farblose Unternehmer das Land wieder zu einem solchen Wirtschaftswachstum führt wie schon in seiner ersten Amtszeit. Damals boomte die chilenische Volkswirtschaft.
Zudem bestimmt das Thema Migration die politische Debatte: Weil Chile das ökonomische Vorzeigeland Südamerikas ist, wirkt das Land wie ein Magnet auf Migranten aus ganz Lateinamerika. Zuletzt kamen immer mehr Venezolaner und Haitianer auf der Flucht vor Armut und politischer Verfolgung nach Chile. Pinera will ein härteres Vorgehen gegen illegale Einwanderung, Bachelet warb dagegen für Verständnis.
Konflikt um Meereszugang
Und noch ein Thema wird die Präsidentschaft Pineras prägen: Der ewige Konflikt mit Bolivien um einen Meereszugang. Erst vor einigen Monaten war Franziskus in den Streit der beiden Nachbarn hineingezogen worden. Boliviens Präsident Evo Morales hatte Chile vorgeworfen, dem Papst bei dessen Besuch einen Maulkorb zum Thema Meereszugang verpassen zu wollen. Die chilenische Oligarchie wolle den Papst angesichts einer wachsenden Unterstützung (für Bolivien) zum Schweigen bringen, schrieb der sozialistische Präsident auf Twitter.
Die Wahrheit sei aber ebenso wenig aufzuhalten wie das Meer. Morales bezog sich bolivianischen Medienberichten zufolge auf die Äußerungen des chilenischen Botschafters am Heiligen Stuhl, Mariano Fernandez, der Zurückhaltung im Vorfeld der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag gefordert hatte. Etwaige Äußerungen des Papstes zu dieser Angelegenheit könnten "entstellt" und instrumentalisiert werden, zitierte Radio Vatikan Fernandez. Chiles Präsidentin wies den Maulkorb-Vorwurf zurück. Der Papst habe wie bei solchen Anlässen üblich die Freiheit, all das anzusprechen, was er für wichtig erachte, betonte sie.
Bei einem Besuch in Bolivien 2015 hatte Franziskus den Streit mit Chile zwar erwähnt, aber für keine Seite Partei ergriffen. Bislang ruft Franziskus beide Seiten stets zum Dialog auf. Bolivien fordert von seinem Nachbarland Chile einen Zugang zum Meer, nachdem es die Anbindung an den Pazifischen Ozean im Salpeterkrieg (1879-1884) verloren hatte. Präsident Morales versucht den Zugang nun vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu erstreiten.
Konflikt mit Mapuche-Ureinwohnern
Die spannendste innenpolitische Frage ist aber, ob und wie sich Franziskus dem schwelenden Konflikt mit den Mapuche-Ureinwohnern stellt. Seit Jahren hat sich die Situation sowohl unter Präsidentin Bachelet als auch in der ersten Amtszeit von Pinera weiter verschärft. Es kam zu Brandanschlägen auf kirchliche Einrichtungen und Unternehmen.
Radikalisierte Mapuche werfen der Kirche und der Wirtschaft vor, für eine Unterdrückung der Ureinwohner mitverantwortlich zu sein. In einer Umfrage vor dem Papstbesuch befürchtete eine Mehrheit, dass die Visite von Franziskus den Konflikt sogar noch verschärfen könnte. Chile erwartet eine Geste und vielleicht auch einen Ratschlag des Papstes, um aus der verfahrenen Situation herauszukommen.